Schuldenrekord trotz Schuldenbremse

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Gestern hatte ich über die Meldung des statistischen Bundesamts berichtet, wonach die öffentliche Verschuldung im letzten Jahr um 18 Prozent auf rund 2 Billionen Euro zugenommen habe. Dabei schlage vor allem die Bankenrettung zu buche. Von den 304,4 Mrd. Euro entfallen allein 232,2 Milliarden Euro, also über 76 Prozent der Neuverschuldung, auf Maßnahmen zur Stabilisierung maroder Finanzinstitute.

Das ist natürlich ein Pfund, weil über diese unglaublichen Summen, die die Staatsverschuldung nach oben getrieben haben, bei weitem nicht so lange gestritten und verhandelt wurde, wie über die läppische Hartz-IV-Erhöhung im Umfang von ein paar Hundert Millionen Euro pro Jahr.

Aber das ist jetzt gar nicht so interessant, vielmehr stellt sich doch die Frage, wie die Rekordneuverschuldung mit dem Anpreisen der deutschen Schuldenbremse in Europa in Einklang zu bringen ist. Die soll doch nach dem Willen Merkels und des abgebrochenen Franzosen-Duce Sarkozy überall in der EU per Zwang eingeführt werden, nach dem Motto, am deutschen Wesen sollen auch die anderen genesen. Oder untergehen, denn wie will Frau Bundeskanzlerin die Schuldenbremse den europäischen Partnern schmackhaft machen? Was kann sie denn anbieten, auf was verweisen?

Okay die Schuldenbremse greift ja erst in diesem Jahr, dennoch ist überhaupt nicht klar, wie das funktionieren soll. Ein Abbau der Neuverschuldung ist nicht in Sicht, weil keiner genau sagen kann, wie viel Geld noch bereit gestellt werden muss, um Banken und inzwischen ja auch ganze Staaten vor dem Untergang zu retten. Kürzlich ist bekannt geworden, dass die Bundesbank klammheimlich Milliardenhilfen an Mitglieder der Eurozone gewährt hat. Sollten diese Forderungen aber nicht mehr bedient werden können, hafte natürlich der deutsche Steuerzahler.

Allein die Forderungen an nationale Notenbanken in Euro-Ländern belaufen sich auf 326 Milliarden Euro. 2006, also vor Ausbruch der Finanz- und folgender Euro-Schuldenkrise, lagen die Forderungen insgesamt bei nur 18 Milliarden Euro.

Dieser ungebremste Anstieg der Schulden des Euro-Raums gegenüber der Bundesbank „macht Fachleute fassungslos“, sagt ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. „Wenn Länder, deren Banken die Kredite gegeben wurden, zahlungsunfähig werden, haftet Deutschland.“ Diese Haftung wurde aber weder demokratisch legitimiert – etwa durch den Bundestag – noch von der Bundesregierung beschlossen.

Quelle: Wirtschaftswoche

Da hat der Professor (Un)Sinn einmal recht. Für die unterstellte Funktion der Schuldenbremse bedeutet das aber ein ziemlich hohes Ausfallrisiko. Denn in Artikel 115 GG, in dem die Schuldenbremse festgeschrieben wurde, fällt die Rettung von Banken und Staaten unter den Passus „außergewöhnliche Notsituationen“, „die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“.

D.h., sollte die Bundesbank auf den dreistelligen Mrd. Forderungen sitzen bleiben, weil zum Beispiel die Schuldnerstaaten nach deutschem Vorbild sparen müssen, dann fällt dieses finanzielle Desaster in die gleiche Kategorie wie eine Naturkatastrophe und die Schuldenbremse somit spiegelbildlich ins Wasser.

Bleiben also nur die regulären Ausgaben im Staatshaushalt und da betrifft es vornehmlich jene Posten, die im Sozial-, Bildungs- oder Kulturetat angesiedelt sind. Eine sparsame Haushaltsführung definiert sich also immer über die Kürzungsbereitschaft in Bereichen, von denen Millionen Staatsbürger unmittelbar betroffen sind, sofern diese keine Großaktionäre oder Großgläubiger von Banken, AKW oder Hotelbesitzer sind, die auf der anderen Seite auch weiterhin großzügig beschenkt werden.

Unterm Strich soll von dieser Form der Schuldenbremse und einer Reihe weiterer Maßnahmen, wie die Erhöhung des Renteneintrittalters auf einheitlich 67 Jahre oder dem Kürzen von Löhnen ein Wachstumsschub ausgehen, von dem dann alle innerhalb der EU profitieren. Deutschland macht es gegenwärtig schließlich vor, so Merkel verheißungsvoll. Aber genau in der Frage, woher das Wachstum eigentlich kommen soll wenn alle gleichermaßen sparen und nur die Bedienung von Schulden erlaubt und erwartet wird, stellen sich Merkel und Sarkozy, also die neue Wirtschaftsregierung, einfach dumm.

Diesen Unsinn müssen sie eben glauben. Damit es für sie einfacher wird, darf beispielsweise der oben zitierte Professor Unsinn seinen ifo-Geschäftsklimaindex weiter präsentieren und der Öffentlichkeit irgend welche bedeutungslosen Rekorde vermelden sowie die Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag der Bundesregierung, die nun wirklich schon abgehangene und bereits übel stinkende Botschaft verbreiten, die Deutschen befänden sich in irgend einer Art von Kauflaune.

Sogar den Anhängern des Ölprinzen zu Guttenberg müsste auffallen, dass hier etwas nicht stimmt. Nur von denen zieht keiner mehr die Notbremse.

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Das Guttenberg Geschäft

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Über welche Frage diskutiert Deutschland derzeit am meisten? Natürlich darüber, ob die Beliebtheit des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg durch die Plagiatsvorwürfe Schaden genommen hätte. Zu Guttenberg selbst kokettiert mit seiner Beliebtheit und im Verbund mit der Bild-Zeitung unternimmt er alles, sich als Opfer einer Kampagne zu positionieren. Zu diesem Zweck ändert er mal wieder seine Meinung. Zuerst waren die Vorwürfe gegen ihn „abstrus“, jetzt, nach dem eigenhändigen Durchblättern seiner Doktorarbeit am Wochenende sei diese plötzlich geschriebener „Blödsinn“ mit gravierenden Fehlern. Auf einer Wahlkampfveranstaltung im hessischen Kelkheim hielt er die Öffentlichkeit, nicht die Anwesenden, erneut zum Narren, als er verkündete, dauerhaft auf den akademischen Grad verzichten zu wollen.

Um seine für den Boulevard so kostbare Haut zu retten, instrumentalisiert zu Guttenberg nun auch die in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten. Er kritisierte die Medien für deren Berichterstattung. Statt über die gefallenen Soldaten zu schreiben, hätten diese das Thema wegen falscher Fußnoten in seiner Doktorarbeit nahezu vollständig ausgeblendet. Es gebe eben Wichtigeres als seine Doktorarbeit, meinte der Minister bagatellisierend. Richtig, zum Beispiel für den Führer zu Guttenberg im sinnlosesten aller Kriege sein Leben zu verlieren.

Dabei war es doch zu Guttenberg selber, der sich kurzerhand nach Afghanistan absetzte, als die Vorwürfe gegen ihn publik wurden und eine Stellungnahme des Ministers angebracht gewesen wäre. Die Schießerei, bei der letztlich drei Bundeswehrsoldaten getötet wurden, ereignete sich unmittelbar nach der Abreise zu Guttenbergs und auf dem Stützpunkt, den der Minister besucht hatte.

Man könnte auch sagen, immer wenn der deutsche Verteidigungsminister zu eigenen PR-Zwecken, für Fotos etwa, ins Kriegsgebiet reist, steigt das Risiko, dass Soldaten ihr Leben verlieren oder verletzt werden.

Zu Guttenberg ist etwas mehr als ein Jahr Verteidigungsminister und schon neun Mal nach Afghanistan gereist. Im April 2010 starben vier Soldaten bei einem Raketenangriff im Raum Baghlan etwa 100 Kilometer südlich von Kunduz. Einige Tage zuvor hatte zu Guttenberg die deutschen Truppen in Afghanistan besucht. Während seiner Amtszeit als Verteidigungsminster stieg die Rate im Kampf getöteter deutscher Soldaten sowie im Kampf verwundeter Kammeraden deutlich an. In den Jahren 2002 bis 2008 starben insgesamt 19 Soldaten bei Kampfhandlungen. Seit 2009 sind es bereits 15. Zwischen 2002 und 2008 wurden insgesamt 103 Soldaten im Kampf verwundet, seit 2009 sind es auch schon 103. (Siehe Wikipedia: Zwischenfälle der Bundeswehr in Afghanistan)

Ich frage hier ganz bewusst und zornig:

Welchen Erfolg hat dieser aufgeblasene Minister Hochstapler denn nun vorzuweisen?

Für sein Image verkauft zu Guttenberg eben nicht nur seine Frau und seine Kinder, sondern auch die Soldaten, die bis heute gar nicht wissen können, für wen oder was sie in Afghanistan Krieg spielen müssen. Und alles nur, weil der Sprachwahrer so toll reden kann, charismatisch ist und so ansehnlich aus der Masse der farblosen Politiker herausragt.

Das gefällt der Masse, deshalb schreibt die Bild den „Plagiator“ auch nicht mehr nach unten, sondern in die andere Richtung wieder nach oben. Kurzerhand wird die latente Theoriefeindlichkeit der Deutschen benutzt, um den Volkszorn ein weiteres Mal gegen etwas zu mobilisieren. Ja gegen was eigentlich? Gegen die Wegnahme eines Messias, einer Lichtgestalt, eines Gottes, eines Führers, auf den man so lange gewartet hat?

Doch wer ist zu Guttenberg? Mit wem hat man es zu tun? Ich fand eine schöne Stelle in einem Artikel auf stern.de:

Als Wirtschaftsminister hat er bei der Debatte um die Opel-Subventionen seinen Rücktritt angeboten – und danach einfach weitergemacht. Den Luftangriff von Kundus nannte er erst angemessen, dann unangemessen. Den Kapitän der Gorch Fock nahm er in Schutz, dann feuerte er ihn. Die Wehrpflicht erklärte er für heilig, dann schaffte er sie ab. Sparen wollte er bei der Bundeswehr, jetzt heißt es, das sei unmöglich. Forsch voran, und forsch zurück. Hin und her. Doktor gehabt, Doktor weg.

Zu Guttenberg ist nur eins. Vor allem ein gutes Geschäft. Sogar wenn Menschen dafür sterben müssen und das Stehlen geistigen Eigentums zum Kavaliersdelikt verkommt.

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