Sterben für Stuttgart 21?

Geschrieben von:

Diese Frage stellte ich mir unweigerlich, als ich die schrecklichen Bilder des Zugzusammenstoßes vom Wochenende sah und die heutige Stellungnahme der Bahn bzw. deren verantwortlichen Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, das Verkehrsministerium, welche, wie zu erwarten war, ihre Hände in Unschuld waschen.

Das Bundesverkehrsministerium sieht derweil keine Versäumnisse der Deutschen Bahn als Netzbetreiber. Erst bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometern pro Stunde seien magnetische Abbremssysteme vorgeschrieben, sagte der Sprecher von Minister Peter Ramsauer (CSU) am Montag in Berlin.

Quelle: MoPo

Na ganz toll, fehlt nur noch die Aussage, dass theoretische Annahmen existieren, wonach Menschen nicht zu Schaden kommen, wenn Züge bei einer Geschwindigkeit unter 100 km/h verunglücken. Ich war am Wochenende in der Region unterwegs und die Sichtverhältnisse waren zum Teil sehr schlecht. Wieso existiert für solche Wetterbedingungen kein zusätzliches Sicherungssystem? Zum Beispiel eine Funkverbindung zur zuständigen Streckenüberwachung, die ja informiert sein muss, welche Züge auf einem Gleis unterwegs sind. Dazu braucht man nur Funkgeräte oder ein Telefon und keine teuren automatischen Bremssysteme. Eine protokollarisch vorgeschriebene Rückversicherung hätte in diesem Fall Leben retten können.

Im Übrigen gebe es auch Strecken mit automatischen Bremssystemen, auf denen nur mit 60 oder 80 Stundenkilometern gefahren werden dürfe. Allerdings liegen diese Gleise nicht im Osten der Republik. Die Bahn hätte also, wenn sie nur gewollt hätte, in Sachen Sicherheit längst aktiv werden können und zumindest einen einheitlichen Standard herstellen können. Allerdings liegen die Prioritäten des Konzerns ganz woanders, wie wir wissen. Und so müssen eben auch Menschen oder sagen wir Reisende sterben, damit zum Beispiel in Stuttgart ein scheingeschlichteter Bahnhof teuer vergraben werden darf.

Das schreibe ich auch deshalb so provokant hier hin, weil Zugunglücke mit vielen Opfern ein Kennzeichen von Bahnprivatisierungen sind. Wir sind ja nicht die ersten, die das machen. Auch die Briten haben diese bittere Erfahrung machen müssen.

1

Interview mit Dieter Hildebrandt – "Auch die Blödheit nimmt zu"

Geschrieben von:

„Das Leben der Menschen in Deutschland ist von der Gewalt weiter entfernt als früher. Der Militarismus ist fast völlig verschwunden. Nicht das militante Denken, das ist wieder was anderes. Nein, vieles ist besser geworden, leider auch die Blödheit.

Auch die Blödheit nimmt zu, das sieht man ja schon am Fernsehprogramm, von dem man das Gefühl hat, dass es mehr und mehr für Analphabeten gedacht ist. Wie blöd muss man sein, um sich so etwas auszudenken? Ich fühle mich nicht ernstgenommen von den Programmmachern. Und dieses Gefühl hat sich in der letzten Zeit verstärkt.“

Quelle: merkur-online

Frau RTL-Schäferkordt, eine erfolgreich studierte Betriebswirtschaftlerin, würde dem Altmeister des Kabaretts mit ziemlicher Sicherheit entgegenhalten, dass die Menschen das alles wollten und sie eben nichts anderes tun könne, als die offensichtlich vorliegenden Bedürfnisse nach Ekel-TV, Superpsycho-Suche und den modernen Menschenzoo im Fernsehen einfach zu befriedigen. Was sei schlimm daran?

Und Hildebrandt würde sehr wahrscheinlich souverän antworten, dass dieser simple und in sich völlig falsch verstandene Wirkungszusammenhang nicht nur gegen Anstand und Moral verstoße, sondern dass diese asoziale Begründung auch gegen jenen hehren Anspruch streite, den die oberste Chefin des als gemeinnützig titulierten Bertelsmannkonzerns und damit Eigentümers von RTL, Liz Mohn, bei der Entgegennahme der goldenen Integrations-Victoria letztes Jahr formulierte.

„Wir müssen verstehen, die Menschen mitzunehmen und zu vermischen. Es gibt wenige Themen, die so bedeutsam sind, wie Integration. Dieser Preis ist für mich ein großer Ansporn, er bedeutet mir sehr viel.“

Sie betonte: „Jeder von uns ist gefragt. Ob eine Gesellschaft von Toleranz oder Intoleranz geprägt ist, hängt von unserem Handeln ab.“

Quelle: Bild

Blödheit existiert eben auch ganz weit oben in unserer Gesellschaft. Für Hildebrandt ist indes klar.

„Einen Ruhestand kann’s für mich gar nicht geben, weil ich von Haus aus die Unruhe pflege. Mich kann man nicht so schnell zur Ruhe bringen. Wenn mir zum Beispiel passieren würde, dass mir wie einem Soldaten in Afghanistan die Briefe geöffnet werden, da könnte ich noch so sehr im Ruhestand leben, da würde ich explodieren.“

Ich habe ja gehört, dass die Gorch Fock erst Anfang Mai heimgkehren und, wie der Minister zu sagen pflegte, an die Kette gelegt wird. Das sind drei Monate, in denen das Land darüber diskutiert, ob zu Guttenberg richtig gehandelt hat oder nicht. Über den massiven Grundrechteverstoß, der mit dem Öffnen von Feldpost aus Afghanistan stattgefunden hat, redet bis dahin sicherlich keiner mehr. Das ist auch eine Form von Blödheit. Schlaue Blödheit.

5

Das bittere Ende der Kaufrausch- und Konsumlüge 2010

Geschrieben von:

Wie war das noch vor Weihnachten? Bombengeschäfte für die Einzelhändler. Trotz des Winterwetters würden die Menschen in die Einkaufspassagen strömen. Das XXL-Aufschwungsjahr 2010 käme auch bei den Verbrauchern an. Ein Superlativ jagte den nächsten. Es gab zwar keine verlässlichen Zahlen, dafür aber ein gutes Gefühl, das GfK-Konsumklima und den ifo-Geschäftsklimaindex. Alle auf Rekordhöhen. Jeder hat darüber berichtet. Und heute warte ich noch immer auf die erste Meldung in den Nachrichten, die über die tatsächlichen Umsätze im deutschen Einzelhandel Auskunft gibt. Mal wieder nichts, gar nichts.

Deshalb gibt es hier im Blog einmal mehr die aktuellen Daten. Im angeblichen Kaufrauschmonat Dezember sind die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr (nur zur Erinnerung: da war offiziell noch Krise) real zurückgegangen.

Im Dezember 2010 erzielte der Einzelhandel in Deutschland nach vorläufigen Ergebnissen aus sieben Bundesländern nominal 0,3% mehr und real 1,3% weniger Umsatz als im Dezember 2009. Der Dezember 2010 hatte mit 26 Verkaufstagen einen Verkaufstag mehr als der Dezember 2009. Im Vergleich zum November 2010 ist der Umsatz im Dezember 2010 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal und real um 0,3% gesunken.

Quelle: destatis

Insgesamt stiegen die Umsätze im Jahr 2010 um nur magere 1,2 Prozent. Der Einzelhandelsverband hatte noch mit einem realen Plus zwischen 1,5 und 2 Prozent gerechnet. Für das Weihnachtsgeschäft erwartete man gar eine Zunahme um 2,5 Prozent. Einmal mehr stellen sich die Erwartungen und Hoffnungen als vollkommen übertrieben und realitätsfremd heraus. Es berichtet nur wieder niemand darüber. Und das ist ärgerlich.

Folgt man den Statistikern hat sich der Rückgang nicht nur im November, sondern auch im Dezember fortgesetzt. Damit ist auch klar, dass die bereits als Rekordwachstum verkauften Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt nach unten revidiert werden müssen, da man bei den Berechnungen einen höheren Wachstumsbeitrag aus dem privaten Konsum unterstellte. Das vierte Quartal wird demnach richtig schlecht ausfallen.

Der Kaufrausch- und Konsumlüge wird das aber nicht schaden. Sie wird auch weiterhin verbreitet werden, mit jedem veröffentlichten GfK-Konsumklimaindex. Gerade höre ich in den Nachrichten zwar nichts von den katastrophalen Zahlen der Statistiker, dafür aber von der immer noch vorherrschenden positiven Stimmungslage, die der Einzelhandelsverband erstmals in Eigenregie gemessen haben will. Da kannst du doch nur noch kotzen gehen…

1