Corona macht Pause

Geschrieben von: am 20. Okt 2020 um 20:10

Die Corona-Pandemie muss einmal kurz pausieren, der Zettelwirtschaft in den Gesundheitsämtern sei Dank. Rekorde zu produzieren, dauert eben seine Zeit. So schnell wie das Virus sich verbreitet, sind die Soldaten der Bundeswehr beim Ausfüllen der Formulare eben nicht. Aber eines ist sicher. Morgen früh gibt es ganz bestimmt wieder Eilmeldungen, die von neuen Spitzenwerten künden.

Bis dahin trösten Bilder aus fast leeren Fußgängerzonen in Berchtesgaden. Hier gilt ein regionaler Lockdown, weil die Infektionszahlen rasant steigen und niemand mehr mit dem Ausfindigmachen weiterer Kontakte hinterherkommt. Wer hat Schuld? Bayerns Regent Markus Söder in München weiß genau, die elende Feierei einzelner habe die Katastrophe erst ausgelöst. Die müssten nun mit einsamen Weihnachten rechnen. Der betroffene Landkreis und das zuständige Gesundheitsamt weisen die Vorwürfe des Selbstherrlichen wiederum zurück. Hier spricht man von einem diffusen Geschehen, also Babylon Berchtesgaden. Dazu passt ein Anwalt aus München, der von der Seite ins Geschehen hinein ruft. „Ich lasse mich nicht von Markus Söder daheim einsperren“. Wird er ja auch nicht. Zum Sporttreiben und Kaufen von Klopapier darf immer noch jeder raus. In den Krankenhäusern ist es dagegen noch ruhig, bislang keine Covid-19 Patienten, zumindest im frivolen Berchtesgadener Land. Aber solche positiven Nachrichten kann gerade niemand gebrauchen.

An dieser Stelle sollte etwas über Quotenfrauen kommen, aber wer will denn so etwas noch lesen, nachdem die Empörungswelle in den Sozialen Netzwerken bereits exponentiell gefallen ist. Es ist doch Pandemie und wir haben Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel der Regierung beim regieren zuzuschauen. Die hat heute auch mal Pause von Corona gemacht, um einen dieser tollen GroKo-Beschlüsse zu fassen, die wir alle so lieben. Die SPD hat erreicht, dass Seehofer doch eine Rassismus-Studie in Auftrag geben muss, die sich mit den Vorgängen in der Polizei beschäftigt. Da knallten natürlich die Sektkorken bei den Sozialdemokraten. Allerdings, noch bevor der rote Rausch einsetzen konnte, war klar, dass die SPD lediglich das bekommen hat, was Seehofer vor ein paar Tagen ohnehin in Aussicht stellte.

Aber das ist noch nicht einmal das Beste. Großartig ist der Gesamtdeal zwischen Union und SPD. Er sieht vor, dass Seehofers Geheimdienste nun endlich den Staatstrojaner als Virus von der Festplatte lassen dürfen, dafür darf sich die SPD als weiteres Zugeständnis noch über die Kinderrechte im Grundgesetz freuen. Die sollen jetzt wirklich schon in dieser Legislaturperiode kommen, heißt es. Tolle Leistung Olaf Scholz. Aber Moment mal. Was steht doch gleich im Koalitionsvertrag auf Seite 21?

2. Kinder stärken – Kinderrechte ins Grundgesetz
Wir werden Kinderrechte im Grundgesetz ausdrücklich verankern. Kinder sind Grundrechtsträger, ihre Rechte haben für uns Verfassungsrang. Wir werden ein Kindergrundrecht schaffen. Über die genaue Ausgestaltung sollen Bund und Länder in einer neuen gemeinsamen Arbeitsgruppe beraten und bis spätestens Ende 2019 einen Vorschlag vorlegen.
Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages werden wir in ihrer Arbeit stärken.

Nicht sollen, sondern werden. Die Sache mit den Kinderrechten ist also bereits ausgehandelt und fest vereinbart. Wieso dienen sie jetzt als Trophäe, wo doch der Staatstrojaner für den Verfassungsschutz ausdrücklich nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt ist? Leider bleibt dieser Cliffhanger von den meisten Kommentatoren unentdeckt. Sie gehen lieber von einem Happy End in der GroKo aus, obwohl doch die SPD ihrem Koalitionspartner einmal mehr nur ein Happy Ending verschafft hat. Igitt, aber auch egal. Das will ja ohnehin keiner sehen. Denn morgen ist wieder Panik angesagt. Corona kehrt zurück. Bleiben Sie daher zu Hause und machen sie mit beim Ratespiel, welchen zotteligen Modellrechner mit Uhrenverständnis die Kanzlerin als nächstes für eine Hochrechnung befragt.


Bildnachweis: André Tautenhahn

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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