Tag der deutschen Dampfplauderer

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Eigentlich hatte ich erwartet, dass man an einem, von bürokratischen Hampelmännern erwählten, deutschen Nationalfeiertag etwas über das Versagen ebendieser erfährt. Eben etwas über das jämmerliche Versagen der politischen Elite, die ursächlich dafür ist, dass wir uns 20 Jahre nach der deutschen Einheit in einer der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrisen befinden, die der moderne Nationalstaat als solcher überhaupt erlebt hat.

Stattdessen aber glauben diejenigen, die zu den Feiertagssprechern erkoren wurden, wie der neue Bundeshorst Christian Wulff z.B., einen Sarrazin für Scheinintellektuelle mimen zu dürfen. Wir sind Deutschland! lautet die bescheuerte wie auch als PR-Spruch des Regierungsprogramms von CDU/CSU längst abgedroschene und von der Realität der Klientelpolitik eingeholte Formulierung des Tages. Wer ist eigentlich mit WIR gemeint? Die Ausländer, die Migranten, wir alle? Und worum geht es? Um Integration? Sind das unsere Probleme? Es geht doch wohl darum, dass WIR alle ertragen sollen, was einige wenige, wie unser Kuschel-Wulff und Carsten Maschmeyer hinter verschlossenen Türen zum gegenseitigen Vorteil auskungeln.

Dazu passt dann auch der Bundespräsident der Herzen Joachim Gauck, der in Berlin ebenfalls eine Rede zur Integration hielt und dabei wieder einmal gezielt in die Ärsche derjenigen treten durfte, die seiner Meinung nach zu den gesellschaftlich „Abgehängten“ gehören. Das hat Gauck schon immer getan, weil er als wirtschaftsliberaler Fundamentalist im Gewandt des weisen Predigers seine Berufung schlicht darin sah, eine bestimmte Definition des Begriffs Freiheit, der mit Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit wenig zu tun hat, zu vertreten.

Wulff und Gauck verwechseln Integration mit Netzwerken, denen beide ihren gesellschaftlichen Aufstieg zu verdanken haben. Daher erkennen sie auch nicht die Dimension der gegenwärtigen Katastrophe, die sich durch die Finanz- und Wirtschaftswelt zieht und sich damit auch in die Lebenswirklichkeit eines Volkes frisst, als deren geistige und weltliche Führer sich Wulff und Gauck gerne verstanden wissen wollen. Die Krise, von der beide gar nicht sprechen, beruht schließlich auf der Existenz von exklusiven und elitären Netzwerken und Seilschaften, die einerseits zu politischen Entscheidungen führen, die ausschließlich die Interessen des Kapitals bedienen und andererseits garade diejenigen auch persönlich reich machen, die als Vertreter des Volks gewählt, mit ihrer Stimme den Weg zur Zerstörung des Gemeinwesens, an dem wiederrum der Finanzmarkt prächtig verdient, erst ermöglichen.

Wenn Christian Wulff im Jahr 20 nach der deutschen Einheit also in die Menge ruft, dass derjenige mit entschlossener Gegenwehr zu rechnen habe, der in unserem Land unsere Werte verachte, dann sollte die Menge ihm die Botschaft an den gescheitelten Kopf werfen, dass vor allem jenen Dampfplauderern Gegenwehr drohe, die die Grundrechte der Verfassung durch aktive Politik permanent mit Füßen treten, während sie die Profiteure eines kriminellen Milliardenspiels an den Finanzmärkten ungeschoren davonkommen lassen. Denn offensichtlich fehlt es Leuten wie Wulff oder Gauck an Integrationsfähigkeit. Der Bundespräsident entzieht sich zum Beipsiel dadurch, dass er Urlaub im prunkvollen Feriendomizil Carsten Maschmeyers auf Mallorca macht.

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Konjunkturdaten: Mal wieder zwischen Wunsch und Wirklichkeit

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Ich habe natürlich auch deshalb zwei Tage lang nix geschrieben, weil ich die offizielle Verlautbarung des statistischen Bundesamts zu den Einzelhandelsumsätzen von heute abwarten wollte und die neuesten Arbeitsmarktdaten von der Arbeitsagentur. Beide Meldungen widerlegen einmal mehr die auch diesmal wieder vorausgegangenen Jubelschreie über eine boomende Wirtschaft und angeblich brummenden Konsum.

Das statistische Bundesamt führt dabei mal wieder komplett in die Irre. Einzelhandelsumsatz im August 2010 real um 2,2% gestiegen heißt es in der Meldung von heute. Gemeint ist der Vergleich zum Vorjahresmonat August 2009. Dieser Monat war bekanntlich ein Krisenmonat, der schlimmste wenn ich mich nicht irre, in dem viele Menschen entweder keinen Job hatten oder in der Kurzarbeit zu entsprechend weniger Bezügen verharrten. Ein Vergleich ist daher nur zulässig, wenn man das Vorkrisenjahr 2008 miteinbezöge. Das tun die Statistiker natürlich nicht, weil man sonst sofort erkennen würde, dass es sich aktuell nicht um einen neuerlichen Kaufrausch handeln kann, sondern lediglich um eine Anpassung der Umsätze im Vergleich zum Einbruch im Krisenjahr 2009.

Ich habe die Meldung von damals natürlich wieder für sie herausgesucht und am 1. Oktober 2009 hieß es entsprechend verkartert:

Einzelhandelsumsatz im August 2009 real um 2,6% gesunken

Hier wird also keine Krise weggekauft, wie man Anfang der Woche in nahezu allen Medien unter der Schlagzeile „Kaufrausch“ nachlesen konnte, sondern lediglich ein katatrophal tiefes Niveau beim privaten Konsum beibehalten und noch nicht einmal egalisiert. In der heutigen Nachricht ist auch wieder zu lesen, dass die Umsätze im Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren abermals rückläufig waren. Das liegt zum einen an der nach wie vor bestehenden Kaufzurückhaltung, aber auch an dem ruinösen Preiswettbewerb der Handelsketten, die inzwischen nicht mehr darum kämpfen, mehr Marktanteile bei höheren Gewinnen zu erzielen, sondern bei weniger Verlusten im Vergleich zu den Konkurrenten. Wirtschaftlich gesund ist das nicht.

Für Wirtschaftsminister Brüderle ist das natürlich kein Argument. Eine Pulle Wein in den Rachen geschüttet – er kann es sich ja leisten, da er schließlich Diäten und nicht Hartz-IV aus Steuermitteln kassiert – und schon sieht die Welt im Taumel des Rausches wieder positiv aus. Die Wirtschaft boome nach Auffassung des Ministers. Eine Herbstbelebung sei angesagt, da die Arbeitsmarktdaten blendend aussehen würden. Nüchtern betrachtet muss man klar festhalten, dass die Beschäftigungsentwicklung seit Monaten stagniert. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist sogar zurückgegangen. Zum scheinbar positiven Ergebnis beigetragen, haben neue Jobs in der Leiharbeit und vor allem der Rückgang an Arbeitskräften durch demografische Effekte. Joachim Jahnke bringt es in seinem Infoportal auf den einfachen wie wahren Satz:

Ohne die demographische Entwicklung und ohne die minderwertige Leiharbeit wäre die Arbeitslosigkeit also gestiegen.

Zur Leiharbeit fällt mir noch etwas ein, was ich heute morgen im Deutschlandfunk gehört habe. In der morgendlichen Presseschau um kurz nach halb sechs wurden Kommentare zum Tarifabschluss in der Metallbranche verlesen. Nahezu alle ausgewählten Zeitungen geißelten die zwischen den Tarifparteien vereinbarte Gleichbehandlung von Leiharbeitern und Festangestellten. Springers Märchen-Welt mal wieder vorne weg mit diesem unsäglichen Schwachsinn:

Besorgt stimmt eher, wie unbekümmert dabei zugleich einem der wesentlichen Motoren für den Jobaufschwung, der Zeitarbeit, neue Fesseln angelegt werden. So richtig es ist, Dumpinglöhne zu unterbinden – die Leiharbeit jeglichen Kostenvorteils zu berauben bedeutet, langfristig auf wirtschaftliche Dynamik und damit auch auf neue Beschäftigungschancen für Arbeitslose zu verzichten. Hier werden nicht die Früchte des Geleisteten geerntet – es handelt sich schlicht um einen Fall von Übermut.

Sie können davon ausgehen, dass die Bundesregierung und weite Teile von SPD und Grünen ganz genauso borniert denken und in der Leiharbeit noch immer einen Motor für den kostengünstigen „Jobaufschwung“ sehen, der die Arbeitslosenzahlen zu schönen vermag, aber gleichzeitig dafür sorgt, dass reguläre Arbeitsplätze unwiederbringlich verdrängt werden. Zu etwas anderem taugt die deutsche Leiharbeit, die Wolfgang Clement reformiert und deformiert hat, nämlich auch nicht. Und wer heute die Debatte um die Rente mit 67 aufmerksam im deutschen Bundestag verfolgt hat, konnte schnell begreifen, worum es der Regierung auf allen Feldern ihres asozialen Tuns geht. Um Planungssicherheit für die Wirtschaft und die Unternehmen. Das ist primäres Ziel. An die Planungssicherheit von Arbeitnehmern, Rentnern und Sozialleistungsbeziehern, die der Definition nach eigentlich auch Teil des Volkes sind, wurde hingegen kaum ein Gedanke verschwendet.

Rückblickend auf 20 Jahre Deutsche Einheit lässt sich daher feststellen, dass das mit der Planwirtschaft im Osten anscheinend besser funktioniert hat. Da hätte man sich durchaus etwas abgucken können.

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blogintern: Statistik 09/10

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Ich habe jetzt mal zwei Tage geschwiegen, weil ich mir über die Frage den Kopf zerbrochen habe, wann denn die Bundeskanzlerin nun endlich zurücktritt oder zurückgetreten wird. Zur Blogstatistik komme ich später.

Zu Beginn des Jahres hatte Egon W. Kreutzer in seinem ersten Paukenschlag die kühne Behauptung aufgestellt, dass Angela Merkel das Jahr 2010 politisch nicht überleben werde. Ich bin dieser Auffassung gern gefolgt, frage mich aber jetzt, was eigentlich noch passieren muss, damit die Voraussage Kreutzers auch tatsächlich eintritt.

Denn im Augenblick sieht es doch so aus, als ob die Kanzlerin fester denn je im Sattel säße, trotz verlorener Ministerpräsidenten und Mehrheit im Bundesrat und trotz der schwierigen Haushaltslage. Da könnte es zu einem Aufstand in Stuttgart kommen oder ein Atomkraftwerk explodieren, ihre Regentschaft wäre doch nicht bedroht? Laut dem ZDF-Politbarometer von letzter Woche liegt sie immerhin noch auf Platz fünf der beliebtesten Deutschen Politiker. Es führen zu Guttenberg und, man glaubt es kaum, Frank-Walter Steinmeier auf den ersten beiden Plätzen. Dabei hat FWS eine Niere gespendet und war überhaupt nicht präsent in der Öffentlichkeit. Okay vorher, als er noch den Oppositionsführer üben durfte, ist er auch nicht weiter aufgefallen. Seine Reden hatten immer einen gewissen Schwundcharakter. Vielleicht hat nun auch sein physisches Verschwinden die Menschen überzeugt.

Aber ich war ja noch bei der Kanzlerin. Vor dem Hartz-IV-Entscheidungswochenende, vor der Werbung für höhere Mieten und vor dem Bahnhof Super-Gau in Stuttgart, aber nach dem geheimen Atomdeal und nach dem Gesundheitsmurks von Rösler immerhin noch Platz fünf im wichtigsten Index der Wahlforschung. Das schreit doch nach einer Erklärung. Schließlich seien rund 60 Prozent der Deutschen mit der Bundesregierung eher unzufrieden. Wie kann da die Regierungschefin auf Platz fünf, der Guttenberg auf Platz eins, Frau von der Leyen auf der drei und das Arschgschwür Schäuble auf Platz vier der Beliebtheitsskala sein? Vier Regierungsmitglieder und ein sozialdemokratisches Phantom unter den Top 5. Was läuft denn da eigentlich schief bei der Wahlforschung? Nur der Schnöselverein FDP wird mehr oder weniger realitätsnah gemessen und abgebildet.

Nur was nutzt das schon, wenn die FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde veschwindet oder knapp darüber landet? Der nächste Kanzlerkandidat der SPD heißt aller Voraussicht nach Peer Steinbrück. Und der hält erklärtermaßen sehr viel mehr von der Großen Koalition und Angela Merkel als von den Grünen und seiner eigenen Partei. Und dann schlösse sich auch der Kreis zu Egon W. Kreutzers Voraussagen. Im ersten Paukenschlag 2009 kündigte er ja treffsicher an, dass Peer Steinbrück am Ende des Jahres nicht mehr Finanzminister sein würde.

Wenn es denn so kommen sollte, dass Peer Steinbrück nach dem 31.12.2009 immer noch Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland ist, dann fresse ich einen Besen. Bevorzugt aus Marzipan.

Vom Wiederkommen als „Ich kann Kanzler“ war ja nie die Rede. Doch so wird es wohl sein, wenn man sich die Pro-Steinbrück-Kampagnen anschaut. Immerhin liegt Steinbrück, der im letzten Jahr politisch gar nicht aufgefallen war, weil er lieber gutdotierte Vorträge auf den Veranstaltungen der Finanzbranche hielt, anstatt sich um sein Bundestagsmandat zu kümmern, schon auf Platz zwei in einer Umfrage nach dem besseren SPD-Kanzlerkandidaten. Vor ihm steht nur noch das Phantom Frank-Walter Steinmeier. Aber der will ja Ende Oktober in das politische Geschehen wieder eingreifen. Spätestens dann dürfte sich das Blatt wenden. Im Augenblick gefällt sich Steinbrück in der Rolle des früheren Helmut Schmidts, als Krisenmanager und jemand, der nicht lange fackelt.

Falls es wider Erwarten doch noch zu einem Sturz der planlosen Merkel in diesem Jahr kommen würde, wie von Kreutzer vorausgesagt, dann aber nur unter der Bedingung, dass Steinbrück den Job unter gleichen Mehrheitsverhältnissen, also im jetzigen Bundestag übernimmt. Neuwahlen wären ja für die Union nicht so günstig und eine Alternative zu Merkel aus den eigenen Reihen ist nicht wirklich in Sicht. Zu Guttenberg oder von der Leyen als Krisenmanager? Kann sich das jemand vorstellen? Dafür müssten die PR-Leute der beiden ihre Strategie kurzfristig komplett ändern.

Auf der anderen Seite sollte man dem statistischen Müll um Beliebtheiten auch nicht all zu viel Bedeutung beimessen. Sonst wird das mit der Entsorgung von Frau Merkel ja nie etwas. Mit Blick auf die Bundesregierung und die Beliebtheitswerte einzelner Mitglieder derselben bin ich aber nach wie vor ratlos.

Dennoch möchte ich mich wie immer im ersten Beitrag des Monats, bei allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs sowie den Mitdiskutanten bedanken, die im abgelaufenen Monat fleißig gelesen und kommentiert haben. Die Statistik bleibt mehr oder weniger konstant. Daher die Bitte, empfehlen sie den Blog ruhig weiter, wenn er ihnen gefällt. :D

Stats_0910

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