Heute mal ein Bier, den Energieriesen zuliebe

Geschrieben von:

Eigentlich ist das nicht meine Art. Aber ich möchte sie doch aufrufen, heute mal ein Bier zu trinken. Denn mit dem Sinken der Arbeitslosenzahlen ist gleichzeitig auch der Bierabsatz gesunken. Das statistische Bundesamt misst auch solche wichtigen Dinge. Offensichtlich erträgt die Bevölkerung die rabenschwarz-gelbe Klientelpolitik zunehmend nüchterner.

Vielleicht wollen die Menschen einfach bei klarem Verstand bleiben, um zu sehen, wie sich Rainer Brüderles trunkene Ankündigung von stabilen Energiepreisen auf der Stromrechnung bemerkbar macht. Im Bundestag ging es heute ja heiß her. Atomlaufzeiten wurden verlängert und heftige Beschimpfungen ausgetauscht. Dabei ging natürlich der Quartalsbericht von Vattenfall unter.

Der schwedische Stromkonzern meldete heute wieder einen ordentlichen Quartalsgewinn. Die deutsche Tochter von Vattenfall, die im letzten Jahr rund zwei Drittel zum Gesamtbetriebsgewinn beigetragen hatte, verbuchte im dritten Viertel diesen Jahres einen Überschuss von 274 Millionen Euro. D.h. im gesamten Jahr müsste der Stromproduzent und Anbieter über eine Milliarde Euro Gewinn erzielen.

Wenn ihnen jetzt auch die Formulierungen auf den Preiserhöhungsschreiben durch den Kopf gehen, wo davon die Rede ist, dass höhere Bezugskosten leider an die Kunden weitergegeben werden müssten, dann sollten sie doch ein kühles Helles zu sich nehmen. Sie werden dann zwar noch immer nicht begreifen, warum die Strompreise trotz zunehmender Gewinne bei den Konzernen ungehindert weiter steigen dürfen, aber sie werden vielleicht verstehen, von wem die Bundesregierung gekauft wurde.

Denn das tolle ist, dass Vattenfall Deutschland Gewinne macht, obwohl deren Atomkraftwerke wegen technischer Mängel gar nicht laufen, aber das in Zukunft bis zu zwölf Jahre lang. Aber wenn sie dann noch zur Kenntnis nehmen, dass Vattenfall durch die heute mit verabschiedete Brennelementesteuer damit rechnet, bis zum Jahr 2016 nur lächerliche 165 Millionen Euro an den Staat zahlen zu müssen, stößt Bier, glaube ich, an die Grenzen seiner Möglichkeiten.

________________________

Quelle: SZ

3

Brüderle: "Auf der Schnellstraße zur Vollbeschäftigung"

Geschrieben von:

Die neuen Arbeitslosenzahlen sind da. Das wissen sie wahrscheinlich schon seit gestern. Dem öffentlichen Orgasmus von Frau von der Leyen konnte man auch kaum aus dem Wege gehen. Aber haben sie auch den vorzeitigen Samenerguss des Rainer Brüderle mitbekommen?

Quelle: BMWi

„Nun ist es amtlich: Die Arbeitslosigkeit unterschreitet im Oktober die Drei-Millionen-Grenze. Wir befinden uns auf der Schnellstraße zur Vollbeschäftigung. Das ist ein Grund zur Freude. Der positive Trend ist keinesfalls eine Eintagsfliege, sondern stabil. Angesichts des Wirtschaftsaufschwungs bestehen gute Chancen, dass wir auch im kommenden Jahr im Jahresdurchschnitt weniger als drei Millionen Arbeitslose haben werden.

Der Arbeitsmarkt ist aktuell in der besten Verfassung seit der Wiedervereinigung. Es kommen immer mehr Menschen in Beschäftigung. Der deutsche Arbeitsmarkt entwickelt sich damit vom Sorgenkind zum Musterschüler.“

Medienschaffende werden vielleicht wissen, dass die Meldungen der Arbeitsagentur zu den monatlichen Arbeitsmarktdaten immer einer Sperrfrist unterliegen. Eine vorherige Bekanntgabe der Informationen ist daher strengstens untersagt. Natürlich wird das für von der Leyen und Brüderle, die fest an den Endsieg auf dem Arbeitsmarkt glauben, keine Folgen haben, denn Sinn dieser vorzeitigen Bekanntgabe war ja nicht, die Menschen über einen Sachverhalt aufzuklären, sondern vielmehr das eigene Image aufzupolieren.

Die Arbeitslosigkeit sinkt, aber nach wie vor gilt, dass anders gezählt wird. Wenn von der Leyen und Brüderle sowie sämtliche Medien, die den Quatsch der beiden einfach nachbeten, davon sprechen, dass man die niedrigste Arbeitslosenzahl seit der Wiedervereinigung gemessen habe, so ist das sachlich und fachlich einfach falsch. Es ist schlicht und ergreifend gelogen. In den Neunziger Jahren wurde ganz anders gezählt. Als arbeitslos galten damals auch noch jene erwerbslose Personen, die älter als 58 Jahre waren. Es gab auch keine Zwangsarbeit in Form von Ein-Euro-Jobs, die heutzutage nicht nur reguläre Beschäftigung verdrängt, sondern auch einen Beitrag zur Schönung der Statistik liefert. Was es auch nicht gab, waren Erwerbslose, die nur deshalb nicht als arbeitslos galten, weil sie durch private Vermittlungsagenturen betreut wurden.

Wer also die Arbeitslosenzahlen von heute mit denen von 1991 vergleicht, handelt nicht nur unseriös, sondern auch fahrlässig. Es soll ja noch Menschen geben, die den Blödsinn tatsächlich glauben, weil sie wie der Brüderle total besoffen über eingebildete Schnellstraßen heizen.

Wenn man aber die statistischen Tricks zusammenrechnet, kommt man auf einen realistischeren Wert, der um die vier bis fünf Millionen liegen dürfte. Laut statistischem Bundesamt suchen in diesem Land zudem weit mehr als acht Millionen Menschen eine neue Arbeit. Aber nehmen wir ruhig die knapp drei Millionen, die noch als arbeitslos gezählt werden. Auch bei dieser Jubelzahl könnten sich die mitjubelnden Medien einmal fragen, wie das mit der Vollbeschäftigung eigentlich klappen soll, wenn die Arbeitsagentur gleichzeitig meldet, dass nur 401.000 offene Stellen in diesem Land zur Verfügung stehen.

Sollen noch mehr Vollzeitstellen in Teilzeit, Mini- oder Midi-Jobs umgewandelt werden? Die kaum gewürdigten Zahlen der Arbeitsagentur sprechen jedenfalls dafür:

Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag im August nach der Hochrechnung der BA bei 27,98 Millionen; gegenüber dem Vorjahr war das ein Zuwachs um 436.000. Dabei hat die sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung im Vorjahresvergleich um 243.000 und die sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung um 190.000 zugenommen.

D.h., dass inzwischen rund 44 Prozent des Beschäftigungszuwachses auf prekäre Arbeitsverhältnisse entfällt. Ein Grund zum Jubeln ist das eigentlich nicht.

3