Die Kanzlerin bleibt ihrer Linie treu

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Bundeskanzlerin Angela Merkel kommentiert den jüngsten Hartz-IV-Kompromiss. Fünf Euro mehr soll es pro Monat und erwachsenen Bezieher von Arbeitslosengeld II geben. Kinder gehen hingegen leer aus. Völlig überraschend habe man im Kuschelministerium der Frau von der Leyen festgestellt, dass die Regelsätze für Kinder bisher schon zu hoch waren. Großzügigerweise habe man aber von einer wirklichkeitskonformen Kürzung der Bezüge Abstand genommen, weil das der Bevölkerung nicht vermittelbar gewesen wäre, so die siebenfache Mutter.

Dabei liefert doch die bestellte emnid-Umfrage via Bild am Sonntag die passenden Ergebnisse. Über 50 Prozent der Bundesbürger würden eine Erhöhung der Sätze kategorisch ablehnen, heißt es da. Das wundert mich eigentlich nicht. Stutzig macht mich nur, dass emnid lediglich 502 Personen befragt haben will. Ich habe in den Statistikseminaren jedenfalls noch gelernt, dass eine repräsentative Stichprobe gemessen an der Bevölkerungsgröße der Bundesrepublik bei etwa 1000 Leuten liegen müsse. Da hat sich anscheinend etwas geändert. Ich finde leider auch keine exakte Fragestellung, daher unterstelle ich einfach mal Manipulation, schließlich halten über 70 Prozent derselben Bevölkerung einer anderen Umfrage zufolge die Hartz-Gesetzgebung schlicht für falsch und wünschen sich eine Rücknahme dieser Reform.

Aber nun zur Kanzlerin. Was sie zuzm Thema meint, können sie unter anderem auf Spiegel Online nachlesen.

Merkel gab sich demonstrativ gelassen. Die Karlsruher Richter hätten den Spielraum für politische Entscheidungen gegeben, was in die Grundsicherung für Langzeitarbeitslose hineingehöre und was nicht, betonte die CDU-Vorsitzende am Abend vor Beginn der gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU. Die Neuberechnung nannte sie „sachbezogen“ und „rational“, alles käme nun auf den Tisch, „und dann kann jeder sich das anschauen“.

Der Karikaturist Klaus Stuttmann bringt es mal wieder ganz aktuell auf den Punkt. Dieses Bild sollten sich vielleicht auch die vielen Springermüll-Leser anschauen, die morgen wieder fröhlich mithetzen werden, wenn sie zur Arbeitspause ihrer zunehmend schlechter bezahlten Jobs schreiten und nicht verstehen können, warum sie für immer weniger Geld malochen müssen, während andere zu Hause auf dem vermeintlich warmen Sofa herumliegen.

Karikatur von Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Vielleicht schafft es aber doch der ein oder andere zu kapieren, dass nicht die Hartz-IV-Empfänger ein Problem verursachen, sondern Lobbyisten, die ihre eigenen Gesetze schreiben dürfen. So heißt es dann auch Milliarden für die Banken, Milliarden für die Pharmaindustrie und Milliarden für die Energiekonzerne und halt weniger für Rentner, Malocher, Arbeitslose und Kinder. Wenn man sich nun aber überlegt, welcher Aufstand um ein paar Hundert Millionen Euro für Hartz-IV-Empfänger veranstaltet wird, während an anderer Stelle Milliardenbeträge einfach so durchgewunken werden, muss es doch endlich einmal klingeln in den Köpfen der Massen.

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Hartz-IV und die aktuelle Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)

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Am Freitag, 24.09.2010, wurde die aktuele Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) durch das statistische Bundesamt veröffentlicht. Auf Grundlage dieser Erhebung will die Bundesregierung die Regelsätze für Arbeitslosengeld II Bezieher transparent berechnen. Frau von der Leyen kommt zu dem Ergebnis, ihren Koalitionspartnern fünf Euro mehr pro Monat und Leistungsbezieher anbieten zu können. Allein der Vorgang des „Anbietens“, um darüber zu verhandeln, verstößt laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelsätzen gegen die Verfassung. Denn wer transparent und realitätsnah einen Bedarf ausrechnet, kann nicht einfach eine Zahl nennen, über die dann intern verhandelt wird. Wozu dann etwas ausrechnen?

Die Bundesregierung behauptet nun aber, dass ihre Rechnung belegen würde, dass die bisherigen Bedarfe überraschend zu hoch angesetzt waren, der bisherige Regelsatz also mehr als ausreichend sei.

Quelle: Thüringer Allgemeine)

Aus Koalitionskreisen hieß es dazu, die Sätze für Kinder hätten eigentlich gesenkt werden müssen. Früher wurden sie vom Satz der Erwachsenen abgeleitet. Nun seien sie zum ersten Mal „spitz gerechnet“ worden. Überraschend sei herausgekommen, dass die bisherigen Sätze in allen Altersgruppen eigentlich zu hoch waren.

Schaut man aber in der aktuellen Verbrauchsstichprobe des statistischen Bundesamts nach, wird man feststellen, dass die Zahlen keinesfalls zu hoch, sondern zu niedrig angesetzt waren. Wenn man nämlich die unterste Gruppe mit einem Einkommen bis 900 Euro betrachtet, was schon realitätsfremd ist, da dieser Personenkreis wahrscheinlich selbst auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen ist, fallen bei den Einzelbedarfen die Unterschiede zum Teil deutlich auf.

Angaben in EURO (ALG II-Angaben, Stand: 30.06.2007)

  • Lebensmittelausgaben: 156 Euro (ALG II: 132,71)
  • Kleidung/Schuhe: 30 (ALG II: 34,26)
  • Gesundheit: 25 (ALG II: 13,17)
  • Verkehr: 55 (ALG II: 19,20)
  • Nachrichtenübermittlung: 38 (ALG II: 22,37)
  • Freizeit: 68 (ALG II: 39,48)
  • Gastronomie: 25 (ALG II: 10,06)

Wie die Bundesregierung also darauf kommt, dass die Ausgaben bisher zu hoch angesetzt waren, erschließt sich mir jedenfalls nicht. Ich bin gespannt auf die neue transparente Rechnung der Frau von der Leyen…

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Tage des Irrsinns – Zwischen Aufschwung und Zonen für Massenvernichtungswaffen

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Es ist unglaublich. Kaum wird bekannt, dass die Bundesregierung eine über den Daumen gepeilte Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze um satte 10 bis 13 Euro plant (heute Abend wissen wir mehr) und schon steigen ifo-Geschäftsklimaindex und die Prognose des Einzelhandelsverbands HDE zum privaten Konsum. Alles super. Es geht aufwärts. Schließlich weiß der Gesundheitsminister Philipp Rösler, dass im nächsten Jahr noch keine Zusatzbeiträge durch die Krankenkassen in maximaler Höhe von nunmehr zwei Prozent des Einkommens erhoben werden (auch bei Hartz-IV-Empfängern). Insofern kann die Binnenkonjunkur aber mal so richtig angekurbelt werden. Wobei der Einzelhandelsverband in seiner Pressemitteilung von einer Rückkehr zur Normalität spricht. Wenn ich mir die Entwicklung der letzten Jahre anschaue, bestand die Normalität gerade darin, stetig Umatzrückgänge hinnehmen zu müssen. Der entscheidende, aber von nahezu allen Medien völlig ignorierte Satz, lautet dann auch:

„Wir korrigieren unsere Umsatzprognose auf nominal plus 1,5 Prozent. Am Ende des Jahres könnte der Einzelhandel also einen guten Teil des Umsatzverlustes aus dem Vorjahr (minus zwei Prozent) wieder aufgeholt haben. Dies ist aber nicht viel mehr als eine Rückkehr zur Normalität.“

Man könnte darüber lachen, wenn man sich die Meldungen der täglich erscheinenden Volksverdummungsorgane vor Augen führt. Dazu eine Karikatur von Klaus Stuttmann.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Inzwischen wurde aus Koalitionskreisen bekannt, dass sich Finanzminister Schäuble weigert, die zusätzlich benötigten Mittel in Höhe von 700 bis 800 Millionen Euro, die eine Erhöhung der Regelsätze um 10 Euro kosten würde, bereitzustellen. Das solle die Arbeitsministerin von der Leyen in ihrem Etat schön selbst zusammenkürzen. Das wird sie auch tun, in dem sie sich das Geld beim Kürzen von Qualifizierungsmaßnahmen und Eingliederungsleistungen zurückholt. In Zukunft gilt dann nicht mehr das Prinzip „Fördern und Fordern“, sondern die Maßgabe „Fordern und Sanktionieren“. Es soll ja demnächst viel leichter möglich sein, Bezieher von Arbeitslosengeld II zu sanktionieren. Das macht auch Sinn, wenn man die Förderung komplett einstellt. Möglicherweise führt dann schon ein fehlendes Satzzeichen in Bewerbungsschreiben Nr. 1025 zu einer sofortigen Kürzung der Leistungen wegen grober Pflichtverletzung.

Dieses Szenario ist dann auch ganz im Sinne derer, die sich bereits jetzt wieder über einen Sozialstaat beschweren, der wegen 10 Euro mehr aus dem Ruder laufen würde. Besonders widerlich geriert sich dabei der Fraktionsvize der Union Michael Meister. Er gilt gemeinhin als Chefhaushaltssanierer und Kostensparer, der großen Wert auf saubere Staatsfinanzen legt. Er lehnte sich mit der Bemerkung aus dem Fenster, dass der- oder diejenige, die Vorschläge für Mehrausgaben einbringe, auch dafür sorgen müsse, wie diese zusätzlichen Ausgaben finanziert werden sollen. Es sei daher nur konsequent, wenn Frau von der Leyen bei sich im Haushalt die nötigen Mittel für eine Erhöhung der Regelsätze suchen würde. Neue Schulden aufzunehmen, käme jedenfalls nicht in Betracht. Das sei unverantwortlich.

Komisch nur, dass derselbe Michael Meister die neuen Garantien für die HRE in Höhe von 40 Mrd. Euro als notwendige Maßnahme zur Gründung einer Bad Bank rechtfertigte, bei der auch Marktrisiken abgesichert werden müssten. Wörtlich sprach der offenkundige „Meister seines Fachs“ davon, dass die beabsichtigte Bad Bank ein „Versuch Boden unter die Füsse“ zu bekommen, sei. Ein ziemlich teurer Versuch für einen selbsternannten Haushaltssanierer, der im Mai 2010 noch davon sprach, dass „…wirklich alles. Man kann nichts ausnehmen, auch nicht die sozialen Leistungen.“ herangezogen werden müsse, um den Haushalt zu konsolidieren.

Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zu Guido Westerwelle. Dieser Mann toppt einfach alles. Vor der UN-Versammlung hielt der Vizekanz-Nicht seine erste Rede (Deutschland bewirbt sich bekanntlich um einen frei werdenden nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat) und sprach von einer geplanten Konferenz zur Einrichtung einer Zone von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten, die eine große Chance für Frieden und Sicherheit in dieser Region darstellen würde. Sehen sie selbst.

LOL. Ausgerechnet das Wörtchen „frei“ übersah die liberale und selbsternannte Freiheitsstatue der Nation beim Ablesen seiner Rede. Wie kann denn so etwas nur passieren? Dabei hatte Westerwelle einen Tag zuvor die Rede des iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad verurteilt und eine Verirrung des Redners beklagt.

„Es ist bedauerlich, dass Präsident Ahmadinedschad sich so verirrt hat, denn die Anschuldigungen sind natürlich abwegig und sie sind zugleich verletzend.“

Quelle: Reuters

Offensichtlich sind beide Gestalten verirrte Brüder im Geiste, die bei jeder Gelegenheit über ihre eigene Eitelkeit und Dummheit stolpern. Dazu passt doch einmal mehr die Karikatur über Westerwelle aus den Mitternachtsspitzen.

Extremist-Westerwelle

Mitternachtsspitzen: Jürgen Becker über den Ahmadinedschad des Mittelstands Guido Westerwelle

Über beteiligte Zuhörer, die empört den Saal verlassen hätten, ist nichts bekannt. Ich habe aber das Programm gewechselt.

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