Die Expansion des Niedriglohnsektors

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Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle meint ja, dass es in diesem Jahr wieder bergauf gehen werde. Vor allem die von der GfK gemessene Konsumlaune sei ursächlich dafür. Die Menschen werden wieder mehr einkaufen und somit das Wachstum stützen, so die These Einbildung des Ministers. In Wahrheit hat der private Konsum im ersten Quartal dieses Jahres zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,7 Prozent einen Anteil von -0,7 Prozent beigesteuert. Grafisch sieht das in etwa so aus.

Wachstumsbeiträge
Quelle: Michael Schlecht, MdB

Laut Rainer Brüderle soll sich das nun schlagartig ändern, weil alle Deutschen vom erfolgreichen Auftritt der Fußaballnationalmannschaft in Südafrika hypnotisiert worden sind und nun bei sommerlichen Temperaturen in die Geschäfte strömen werden, um ihr nichtvorhandenes Geld auszugeben. Ist der deutsche Wein inzwischen schon so schlecht oder kauft Brüderle auch bei Aldi ein? Egal. Brüderle meint ja, dass sich alles irgendwie von selbst stimuliert und die florierende Wirtschaft die Aussicht auf höhere Löhne eröffne und deshalb die Menschen in die Läden strömen werden, um ihr im Augenblick nichtvorhandes Geld auszugeben.

Selbst im Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute steht, dass sich der private Konsum im Jahr 2010 um -0,4 Prozent im Vergeleich zum Vorjahr entwickeln werde. Die Löhne würden weiter unter Druck stehen, so die Gutachter. Aber auch das ignoriert Rainer Brüderle.

Frühjahrsgutachten

Aber mal abgesehen von der irrigen Annahme, dass der private Konsum jetzt zum Konjunkturmotor werden würde, stimmt denn überhaupt die zweite Annahme Brüderles, dass die Arbeitnehmer infolge des Wachstums höhere Löhne erwarten können? Ein ganz klares Nein. Denn alle relevanten Tarifvereinbarungen sind bereits im Frühjahr geschlossen worden. Im Text der Gutachter heißt es dann auch (via NachDenkSeiten).

In den meisten Branchen liegen für dieses Jahr bereits Tarifabschlüsse vor. Diese lassen einen verlangsamten Anstieg der tariflichen Stundenlöhne um 1,5%erwarten. So stand der kürzlich im Metallbereich erzielte Abschluss im Zeichen der Beschäftigungssicherung und enthielt für dieses Jahr keine Tariferhöhung, sondern nur zwei Einmalzahlungen. Hinzu kommt, dass Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen es den Arbeitgebern ermöglichen, Leistungen in Krisenzeiten einzuschränken oder vereinbarte Erhöhungen zu verschieben. Da der Spielraum zur vorübergehenden Reduzierung der Arbeitszeit in den meisten Arbeitszeitkonten inzwischen ausgeschöpft sein dürfte, die gesamtwirtschaftliche Erholung nur schleppend verläuft und zudem mit einem weiteren Rückgang der Kurzarbeit zu rechnen ist, dürfte die Lohndrift stark negativ sein; die Institute rechnen mit einem Wert von –1,5 % womit sich insgesamt eine Stagnation der Stundenverdienste ergibt. Angesichts der prognostizierten geringen Preissteigerungen sinken die realen Lohnkosten je Stunde im Jahr 2010 somit um 0,7%und die Lohnstückkosten auf Stundenbasis um 0,9 % gegenüber dem Vorjahr.

Dazu kommt nun eine Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen, aus der hervor geht, dass rund 20,7 Prozent der Beschäftigten in Deutschland im Jahr 2008 einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle der Industrienationen erhalten haben (siehe Tagesspiegel).

Insgesamt seien 6,55 Millionen Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor tätig. Innerhalb von zehn Jahren sei die Zahl der Niedriglohnempfänger um 2,3 Millionen Menschen gewachsen. Besonders stark betroffen seien Minijobber, Beschäftigte unter 25 Jahren, Ausländer, Frauen, gering Qualifizierte und befristet Beschäftigte. Im Untersuchungszeitraum von 1995 bis 2008 habe sich der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland von 14,7 Prozent auf 20,7 Prozent erhöht, teilte das IAQ mit. „Kein anderes Land“ habe ein derartiges Wachstum des Niedriglohnsektors erlebt.

Deutschland sei international also das Land, in dem die Löhne am meisten zurückgegangen seien und der Niedriglohnsektor am deutlichsten zugenommen habe. Will Rainer Brüderle diesen Prozess etwa umkehren und zum Beispiel einen flächendeckenden Mindestlohn einführen, wie es das IAQ abschließend fordert? Wie soll man sich denn sonst die Zuversicht auf Seiten des Wirtschaftsministers erklären, der davon ausgeht, dass der private Konsum in diesem Jahr noch signifikant zunehmen werde?

Also entweder ist Rainer Brüderle ein Linker im Schafspelz oder aber er ist und bleibt die größte Regierungströte -vuvuzela, die Deutschland je gesehen hat. Ich will das abschließend noch nicht beantworten. :>>

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Auftritt Georg Schramm bei Mitternachtsspitzen

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Endlich auf Youtube abrufbar. Georg Schramms Referat über den Zorn bei den Mitternachtsspitzen. Auf der Suche nach dem Bösen, dem man mit Vernunft und Zorn begegnen müsse, findet Schramm eine Formulierung von John Maynard Keynes.

Schramm: Wer habgierig ist, dessen Wunsch nach mehr Geld und Besitz wird nicht dadurch gestillt, dass er in Erfüllung geht, der Wunsch. Nicht der Besitz, nein, der Erwerb stillt die Gier.

Keynes: Der Kapitalismus basiert auf der seltsamen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen, mit widerwärtigen Motiven, irgendwie für das Gemeinwohl sorgen werden.
(The General Theory of Employment, Interest and Money, zu deutsch Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, John Maynard Keynes, 1936)

Anschauen und genießen!

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Finanzmarktregulierung: Berlin mauert bei internationalen Vereinbarungen

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Wahrscheinlich werden es die meisten wieder nicht mitbekommen haben. Zu Hause tönt Frau Merkel immer, dass nur internationale Vereinbarungen die Finanzmarktregulierung voranbringen könnten und wenn es dann zu Beschlüssen kommen soll, mauert Berlin im Auftrag deutscher Banken.

Diese Woche trafen sich in Basel Vertreter von Notenbanken und Aufsichtsbehörden aus 27 Ländern, um über schärfere Eigenkapitalregelungen für Banken zu beraten. Im sog. Baseler Bankenausschuss sollte eine Auflage verabschiedet werden, die den Banken vorschreibt, stärkerer Kapitalpuffer für Krisensituationen zurückzulegen. Grundsätzlich sind sich darin alle Vertreter einig, nur die deutsche Bundesregierung sieht noch Klärungsbedarf und blockiert eine Einigung mindestens bis zum Jahresende.

Es geht nämlich um die Frage, was als Eigenkaptial gezählt werden darf. Während alle anderen Länder das ziemlich klar sehen und vorschlagen, dass das Kernkapital zu 80 bis 90 Prozent aus hartem Kernkapital – Aktienkapital und einbehaltenen Gewinnen – bestehen soll (siehe FTD), wollen die Deutschen auch andere Formen zulassen.

Offensichtlich ist es so, dass deutsche Banken relativ schlecht abschneiden würden, wenn die verschärften Eigenkapitalbedingungen des Baseler Bankenausschusses Anwendung fänden. Deutsche Bankhäuser führen zu ihrem Eigenkapital auch eigenkapitalähnliche Instrumente an. D.h. neben hartem Kernkapital, Aktien und Gewinnen zählen sie auch Kapital mit Anleihecharakter (siehe Joachim Jahnke). Etwa auch solches Kapital, welches z.B. der Steuerzahler durch den Finanzmarktregulierungsfonds SoFFin den Banken zur Verfügung gestellt hat.

Würden diese Einlagen nicht mehr zum Kernkapital hinzugerechnet werden dürfen, hätten deutsche Bankhäuser arge Probleme, eine Kernkapitalquote von 6 Prozent, die auch Genze in den Stresstests war, zu halten. Daher mauern die deutschen Bankster und damit auch die von ihnen abhängige Bundesregierung. Derweil darf Frau Merkel bestimmt noch das ein oder andere Mal verkünden, dass Bankenregulierung nur auf internationaler Ebene möglich sei.

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