Griechenland: Thomas Fricke legt nach

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Thomas Fricke von der Financial Times Deutschland findet in seiner Kolumne klare Worte gegen den Unsinn, der hierzulande über Griechenland verbreitet wird. Bereits vor ein paar Tagen wartete er mit Fakten gegen den Meinungsmainstream auf (siehe hier im Blog).

Quelle: FTD

„Da wird der „Niedergang“ des Landes beschworen, der Grieche per se zum Schummler und die gesamte Wirtschafts- und Finanzpolitik für „schlecht“ erklärt. Meist von Sesselkommentatoren, die sich bis vor Kurzem bestenfalls mit Ouzo auskannten. Und der Chefökonom der Europäischen Zentralbank ( EZB ) empfiehlt gleich mal durchweg sinkende Löhne. Hau ruck. Mit Gewissenhaftigkeit hat das ähnlich viel zu tun wie das Tricksen der Zahlenmeister aus Athen. Dabei spricht viel dafür, dass die Krise allein durch griechische Mentalitätsmängel kaum erklärbar ist. Manch europäischer Moralapostel scheint da eher davon ablenken zu wollen, dass er zum Desaster beigetragen hat.“

Genau und wie Spiegel Online meldet, hatte zum Beispiel die „systemische“ Bank Goldman Sachs ihre Finger im Spiel, als es darum ging, die Haushaltszahlen zu beschönigen. Warum wirft man Griechenland versagen vor und droht unverhohlen mit Sanktionen, während die federführende Bank unbehelligt weiter Gewinne scheffeln darf, nachdem sie ihre Verluste in der Finanzkrise sozialisieren durfte? Eine spanndende Frage, sicherlich auch für Ouzo saufende Sesselkommentatoren. :D

Aber Fricke schreibt noch mehr. Zum Beispiel weist er zurecht darauf hin, dass die Entwicklung Griechenlands bis zum Ausbruch der Krise nahezu als musterhaft angesehen wurde. Die jetzigen Unterstellungen und klischeehaften Zuschreibungen würden jeder Grundlage entbehren.

„Klar pflegen griechische Lohnzuwächse höher auszufallen als die Vereinbarungen braver deutscher Metallgewerkschafter. Das hat auch den Verteilungsspielraum hin und wieder gesprengt. Nur stiegen die Lohnstückkosten in den drei Jahren bis 2007 auch nicht schneller als in den USA, wo das Plus historisch eher moderat blieb. Sonst wären Griechenlands Exporte seit 1993 sicher nicht um real 150 Prozent gestiegen. Und die Zahl der Jobs wäre von 1998 bis 2007 nicht jedes Jahr um 1,3 Prozent gestiegen – bei angeblich überteuerten Arbeitskräften. Die griechische Arbeitslosigkeit fiel zwischen 2000 und Mitte 2008 um 40 Prozent, die strukturell bedingte Quote laut OECD seit 2005 um immerhin einen halben Punkt – und damit etwa so stark wie im Land der gelobten Agenda 2010.“

Doch die eigentliche Pointe liefert Fricke mit seinem kritischen Blick auf Deutschland, das mit seiner falschen Wirtschaftspolitik dazu beigetragen habe, dass Griechenland im Verdrängungs-Wettbewerb abgehängt wurde.

„Zu einem negativen Saldo gehören auch immer zwei Seiten: zum Beispiel eine deutsche, deren Protagonisten jahrelang alles darangesetzt haben, die eigene Wirtschaft durch Reform und Verzicht wettbewerbsfähiger als andere zu machen – und die sich jetzt wundern, dass die anderen nicht mehr wettbewerbsfähig sind und dann in Krisen stürzen.“

Der Vorwurf ist klar, deutlich und vor allem auch systemkritisch. Denn Fricke sagt im Grunde nichts anderes, als dass die bisherige Wirtschaftspolitik einzelner im gemeinsamen Wirtschaftsraum zu katastrophalen Folgen führe. Da stimme etwas an der Grundkonzeption nicht, wenn es wirtschaftspolitisch immer nur darum ginge, andere Ökonomien niederzukonkurieren. An die Adresse der EU-Kommission heiß es dann auch folgerichtig:

„Dazu gehört mehr: eine EU-Kommission, die aufhört, einen angeblich tollen Steuersenkungswettlauf zu predigen, den am Ende keiner bezahlen kann; eine Notenbank, die ihren Job auch darin sieht, überteuerte Wechselkurse zu verhindern; oder eine Bundesregierung, die aufhört, Moralapostel zu spielen, und stattdessen das naive Modell aufgibt, Deutschland via sinkende eigene Ansprüche auf Kosten anderer sanieren zu wollen.“

Es ist eigentlich bescheuert, diesen wirtschaftlich gebildeten Irrlichtern in Politik, Wissenschaft und Medien immer wieder erklären zu müssen, dass die Summe aller Bilanzen am Ende eine Null ergeben muss. Wenn man aber nun wie bekloppt dem deutschen Vorbild des Gürtel enger Schnallens folgt, um auf Kosten der eigenen Binnenwirtschaft Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, deren zweifelhafter Erfolg sich dann in Außenhandelsüberschüssen und Marktanteilen niederschlägt, fragt man sich doch zwangsläufig, wer am Ende die zunehmenden Schulden jener bezahlt, die über ihre Verhältnisse leben müssen, um die Überschüsse der Exportgiganten abzunehmen, während die Kaufkraft in den exportorientierten Ländern immer weiter zurückgedrängt wird.

Heiner Flassbeck schreibt dazu in seinem aktuellen Buch „Gescheitert – Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert“ sehr anschaulich:

„Noch mehr solide Gläubiger also braucht die Welt und noch weniger schlechte Schuldner. Wer aber nimmt die Kredite, die die Gläubiger vergeben wollen, wenn am Ende alle von den Deutschen gelernt haben und solide Gläubiger sind? Der Mond? Der Mars? Oder doch wieder die Amerikaner?“

Flassbeck hat Recht, wenn er von einem neoliberalen Tsunami spricht, der in den letzten 20 Jahren über die globalisierte Wirtschaft hinwegrollte und nahezu jeden kritisch ökonomischen Verstand wegspülte. Was für ein Drama. :'(

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Bei Hartz IV arbeiten sie alle zusammen

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Wenn sie noch daran zweifelten, dass wir in Wahrheit seit Ewigkeiten von einer ganz großen, kriminell zu nennenden, Konsenssoßen-Koalition regiert werden, bei der nur ab und zu und unter großem Getöse die Farbzusammenstellung wechselt, dann müssen sie sich mal die aktuelle Einigkeit zwischen Regierung und Opposition (namentlich SPD) bezüglich der angetrebten Verfassungsänderung bei der Hartz-IV-Verwaltung anschauen. Die gegenwärtige Mischverwaltung hat das Bundesverfassungsgericht vor geraumer Zeit klar für grundgesetzwidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgetragen, diesen Zustand bis Ende 2010 zu beenden.

Doch statt eine sachliche Diskussion zu führen, die vielleicht auch einen Beitrag zur Unsinnigkeit des gesamten Hartz-IV-Gesetzes hätte liefern können, kam lange nichts, bis der neuen Regierung plötzlich einfiel, dass man die gemeinschaftliche Betreuung einfach nur wieder aufheben müsse, um dem BverfG-Urteil zu genügen. In der Praqxis geht das natürlich nicht, weshalb man sich nun darauf geeinigt hat, die zweitleichteste Lösung zu nehmen. Verfassungsänderung. Diese Lösung funktioniert aber nur, wenn man im Bundestag eine zwei Drittel Mehrheit organisiert. D.h., Schwarz-Gelb allein kann so etwas nicht beschließen. Doch Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier bot schnell seine Unterstützung an.

Man könnte es auch zugespitzter formulieren. Die SPD-Führung macht mal wieder gemeinsame Sache mit dem hessischen Volksverhetzer und Hassprediger Roland Koch, der sein „erfolgreiches“ Modell der Optionskommunen für allgemeinverbindlich erklären möchte. Es ist wie zu Steinbrücks Zeiten. Der konnte in seiner Funktion als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident und später Bundesfinanzminister erwiesenermaßen auch besser mit Roland Koch zusammenarbeiten als mit seiner eigenen Partei. Politische Gegner sehen anders aus. Warum fusionieren SPD und Union nicht einfach?

Nun also Verfassungsänderung. Egon W. Kreutzer schreibt dazu heute in seinem Tagebuch:

„Manchmal wünsche ich mir einen Strafrechtsparagraphen, der besagt: Wer die Verfassung nachmacht, oder verfälscht, oder eine nachgemachte oder verfälschte in Umlauf bringt, oder ein verfassungswidriges Gesetz einbringt und/oder an seiner Verabschiedung mitwirkt, wird mit Gefängnis nicht unter 10 Jahren bestraft.“

Mit einem Kopfschütteln zitiert er dazu den Paragraphen 129 des Strafgesetzbuchs, in dem die wichtigen Stellen durch Kreutzer hervorgehoben sind.

Kriminelle Vereinigung

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