Die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in bestimmten Alltagssituationen hat weder etwas mit einer Gehorsamkeitsübung zu tun, wie viele Kritiker meinen, noch ist die Befolgung der Regeln ein Ausdruck von Solidarität. Das Tragen von Masken erscheint eher wie ein Ritual, eine Art Formalismus, an dem man sich gemeinschaftlich erfreut oder dem man sich ebenso leicht entledigt, wenn niemand guckt.
Die Alltagsmaske ist ein großer Zankapfel. Vor allem wird die Frage ihrer Wirksamkeit diskutiert. Entweder sei das eine oder auch das andere durch Studien klar belegt. Man kann sich für eine Seite entscheiden und ist dann wahlweise ein „Zeuge Drostens“ oder ein „Covidiot“. Wirklich hilfreich ist die Debatte aber nicht, da es bei dem Gebrauch der Masken im Alltag gar nicht darauf ankommt, ob sie wirksam sind oder nicht.
In der Regel halten sich alle Menschen an die Vorgaben. Sie tragen eine Mund-Nasen-Bedeckung, wenn es verlangt wird, also beim Einkaufen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dort wo die Maske nicht erforderlich ist, verschwindet sie schnell wieder, in der Hosentasche z.B. oder sie wird lässig unterm Kinn getragen und nur bei Bedarf nach oben geschoben. Niemand sorgt sich um die Empfehlung, dies lieber nicht zu tun oder die Hände zu waschen, nachdem man die Maske berührt hat.
Es geht nur um das sichtbare Zeichen der Konformität. Man befolgt diese allgemein gültige Vorgabe und will es auch zeigen. Beim Händewaschen ist man dagegen in der Regel allein. Mit einem Akt der Gehorsamkeit hat das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes nun wiederum nichts zu tun. Im Gegenteil. Da es alle machen, stellt sich das Gefühl ein, das Richtige zu tun. Über die wechselseitige Akzeptanz des Rituals entsteht wiederum Gemeinschaft, die eine Form von Sicherheit bietet, aber keine Solidarität mit Blick auf den Schutz der Gesundheit von Menschen bedeutet, die zu den Risikogruppen gehören. Sie zu schützen, erfordert ganz andere Maßnahmen. Zum Beispiel ein Ende der Praxis, ältere pflegebedürftige Menschen nach einem Aufenthalt im Krankenhaus möglichst rasch aus Kostengründen zur weiteren Genesung ins Pflegeheim zurück zu überweisen.
Da es sich beim Maskentragen lediglich um ein Ritual in der jeweiligen Gemeinschaft handelt, kann die sich auch darauf verständigen, es einfach bleiben zu lassen, wenn keiner guckt. Mit Ausnahme der Chefetage des FC Bayern München haben das auch viele verstanden, die im privaten oder geschäftlichen Umfeld genau so handeln, wenn die Kameras ausgeschaltet sind. So ist auch zu erklären, warum es ein breite Mehrheit für das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes gibt sowie einen erbitterten Kampf um die Wirksamkeit. Es spielt nicht wirklich eine Rolle. Es geht nur um das sichtbare Ritual, das die einen akzeptieren und die anderen wurmt. Deshalb fordert die bayerische Staatsregierung auch eine Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen, obwohl doch die privaten Feiern als Problem identifiziert worden sind.
Bildnachweis: André Tautenhahn
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.