Anstand und Moral?

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Gerade zieht der Bundeshorst durchs Land und gibt überall Interviews. Wahrscheinlich will er mal wieder auf sich aufmerksam machen bzw. seiner in die Kritik geratenen Kanzlerin beiseite springen. Am Samstag jedenfalls erschien in der Neuen Presse Hannover ein verkürztes Interview mit ihm unter dem Titel „Kapital muss den Menschen dienen“. Sie können das komplette Machwerk auch auf der Seite des Bundespräsidenten nachlesen. Darin verteidigt er die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung und beklagt sich über maßlose Manager, die sich zu weit von der Realwirtschaft und der Gesellschaft entfernt hätten.

Das Interview ist eigentlich keiner besonderen Erwähnung wert. Nur kann man daran wieder erkennen, wie die Verzahnung von politischer PR und den Medien funktioniert. Diesmal werden gleich drei angebliche Journalisten in Stellung gebracht, um den Anschein von journalistischer Objektivität zu wahren. Es sind Christoph Slangen, Andreas Herholz und Rasmus Buchsteiner, die so tun, als würden sie kritisch nachfragen. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es immer mehr Frager werden. Bisher reichten bei den NP-Interviews in der Regel zwei Pappnasen aus. Vielleicht erleben wir demnächst vier. Das hängt dann wohl von den kritischen Leserbriefen der NP-Leser oder aber auch der Leser der Passauer Neuen Presse ab, für die das Interview eigentlich gemacht worden war oder aber auch von den Lesern, die diesen Müll in den zahlreichen regionalen Tageszeitungen ebenfalls vorgesetzt bekommen haben. ;)

Warum erzähle ich das? Nun, das Interview hätte eigentlich überhaupt keiner Fragensteller bedurft, denn selbst die Fragen sind vordiktiert. Das ist angesichts der großen Verbreitung ein ziemlicher Skandal. Ein Beispiel:

Verschieben sich die Grundachsen der sozialen Marktwirtschaft in der Krise, ist ein neuer ordnungspolitischer Kompass notwendig?“

Hier werden einfach die Wortschöpfungen der politisch handelnden Personen übernommen und somit eine Vorlage für die entsprechend vorgefertigte Antwort geliefert.

Die soziale Marktwirtschaft vereinigt Freiheit und Verantwortung zum Nutzen aller. Das ist die eigentliche, kulturelle Leistung der sozialen Marktwirtschaft. Dagegen ist auf den Finanzmärkten eklatant verstoßen worden. Die Freiheit war hier praktisch schrankenlos geworden. In schrankenloser Freiheit aber steckt auch Zerstörungskraft. Deshalb muss es jetzt darum gehen, die Finanzmärkte wieder in die Schranken zu weisen, sie zu kultivieren. Im Grunde bestätigt die Krise das Kernprinzip der sozialen Marktwirtschaft. Die Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass dieses Prinzip auch auf die Finanzmärkte angewendet wird. Der Markt braucht Regeln und Moral. In keinem Fall kann unsere Zukunft in einer verstaatlichten Wirtschaft liegen. Dieses Modell ist historisch gescheitert. Privateigentum ist konstitutiv für Freiheit und Wohlstand für alle. Aber: Eigentum verpflichtet. Zum Wohle der Allgemeinheit. So will es unser Grundgesetz. Das ist gut so.

Weiter vorne spricht er davon, dass unter den bösen Managern eine Art von Selbstreflexion stattfinden solle. Von gesetzlich vorgeschriebenen Gehaltsobergrenzen halte er hingegen nichts. Hm. Also doch keine Regeln. Anstand und Moral kommen von ganz allein, wie es scheint. Das kann man gerade wieder beobachten. Die Postbank-Manager genehmigen sich eine Erhöhung ihrer Bezüge genauso wie der verurteilte Steuersünder Klaus Zumwinkel, der ganz legal seine Pensionszusagen in Höhe von 20 Millionen Euro einfordert.

Köhler spricht von gescheiterten vergangenen Modellen, die nie wieder Wirklichkeit werden dürften. Diese Wirklichkeit aber und dieser Bundespräsident liefern uns die Gewissheit, dass es weiterhin Menschen erlaubt sein wird, in großem Stil ihren ganz persönlichen Gewinn aus dem System zu ziehen. Und alles was dem obersten Deutschen dazu einfällt, ist ein Appell an die Moral derer, die auch mit der milden Bestrafung ihrer schweren Verbrechen weiter machen können wie bisher. Das ist nicht nur ignorant, sondern auch menschenverachtend. Denn auf der anderen Seite dürfen Leute wie Clement, Westerwelle und Mißfelder weiterhin gegen sozial Schwache trommeln und eine asoziale Mitnahmementalität in feinstem Nazideutsch und in volksverhetzender Weise beschreien, ohne dass es den Bundespräsidenten auch nur im Entferntesten interessieren würde.

Stattdessen diskutieren die drei Statisten und der Bundessparkassendirektor darüber, wie man die Verstaatlichungspläne der Bundesregierung in Bezug auf die HRE zu bewerten habe. In der Enteignung würde ja schließlich eine Gefahr für die geliebte „Neue Soziale Marktwirtschaft“ lauern.

Wir reden hier von der ultima ratio. Zuvor kommen viele Stufen, auf denen versucht wird, durch gemeinsames Handeln der Beteiligten und mit Staatshilfe eine Lösung zu finden. Ich verstehe den Gesetzentwurf der Bundesregierung als absolute Notmaßnahme, um eine für den marktwirtschaftlichen Geldkreislauf systemisch wichtige Bank zu retten und damit dem Allgemeinwohl zu dienen.

Auch das wird einfach hingenommen. Keine Nachfrage, welche systemisch relevante Aufgabe die HRE denn nun übernommen hat und ob diese nicht entbehrlich sei. Vielleicht weil dann rauskommen würde, dass die HRE von Anfang an eine Bad Bank Konstruktion war? Stattdessen darf Köhler in einer unverfrorenen Weise sagen, dass zunächst gemeinsames Handeln der Beteiligten (also derjenigen, die die Verluste zu verantworten haben) und mit Staatshilfe (also wir alle) Vorrang habe. Dieses Denken ist ASOZIAL, UNDEMOKRATISCH und VERFASSUNGSFEINDLICH.

Im Ergebnis müsste man sagen, dass dieser Bundespräsident sein Amt beschädigt, weil er lügt, arglistig täuscht und mit der Anheuerung von Mietmäulern wie Slangen, Herholz und Buchsteiner für die Verbreitung seiner politischen Propaganda sorgt. Also wenn sie mal ein beschädigtes Amt sehen wollen, gucken sie sich diesen Bundeskasper an.

Lesen sie doch spaßenshalber noch den Schwachsinn über Globalisierung und – ACHTUNG: neue Wortkreation – De-Globalisierung, mit der er einen angeblichen Rückschritt beschreiben will, den diejendigen anstreben würden, die seine neoliberale Grundidee für obsolet erklären. In dieser Antwort schwadroniert dieser Trottel und Hochstabler davon, dass gar die Verbreitung universeller Menschenrechte auf dem Spiel stünde. Damit will Köhler vergessen machen, dass es zur Druchsetzung von Menschenrechten eines permanenten Kampfes bedurfte – vor allem um die Lösung der sozialen Frage. Doch er will ja nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Politik, die er anschließend so rühmt, dafür verantwortlich zeichnet, dass das hart erkämpfte soziale wie auch ökonomische Gleichgewicht zerstört wurde.

Köhler will uns erzählen, dass Deutschland von der „Globalisierung“ profitiert hat. Das ist richtig, wenn er gleichzeitig dazu sagen würde, auf Kosten anderer Volkswirtschaften unter dem Motto – Beggar your neighbour, wie es Heiner Flassbeck kürzlich treffend formulierte.

Mit Lohnsenkungen und Standortpolitik wurde in und außerhalb der Eurozone ein riesiger Wettbewerbsvorsprung auf Kosten der eigenen Binnennachfrage herausgeholt. Jetzt können andere Länder nicht mehr mithalten und der vermeintliche Sieg des Exportweltmeisters hat sich in seine Niederlage verkehrt … Die Bundesregierung hat jetzt zehn Jahre „Politik für die Wirtschaft“ gemacht – und die Wirtschaft ist am Ende.

Köhler nennt diese weltwirtschaftlich wie auch volkswirtschaftlich schädliche und asoziale Politik einfach verharmlosend Arbeitsteilung und Austausch mit anderen, die er als Quelle des deutschen Erfolges anpreist. Das ist im Grunde eine Bankrotterklärung – seitens der Politik wie der ihr hörigen Medien. Unterm Strich ist das dann im höchsten Maße unanständig und unmoralisch. Aber vor allem antiaufklärerisch. Und das ist RÜCKSTÄNDIG.

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Die Hypo Real Estate wird verklagt…

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…und zwar von einer Tochter der BHF-Bank. (Quelle: SpOn) Da ja nun die Parlamentarier im Deutschen Bundestag anscheinend wenig Interesse zeigen, die Ereignisse um die HRE aufzuklären, klagen nun also andere Banken auf Schadenersatz. Ob das im Endeffekt gut für uns ist, die den Steinbrückschen Rettungsschirm für die HRE bezahlt und aufgespannt haben, bleibt zumindest fraglich. Denn sollte der BHF z.B. Schadenersatz zugesprochen werden, zahlt das nach gegenwärtigem Stand wer??? :roll:

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Hinweis: Kreutzers Paukenschlag

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Den aktuellen Paukenschlag von Egon W. Kreutzer sollten sie gelesen haben. Darin beschäftigt sich der Autor mit dem Thema Opel als Beispiel für die Planlosigkeit der Bundesregierung.

Sehr amüsant und entlarvend zugleich ist in diesem Zusammenhang die kontrastreiche Gegenüberstellung von angeblich „systemrelevanten“ Banken und einem der Definition nach „nicht systemrelevanten“ Autobauer.

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Wo bleibt der Untersuchungsausschuss?

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Der Verdacht liegt nahe, dass im Fall IKB und vor allem im Fall HRE, bewusst Entscheidungen zu Lasten der Steuerzahler getroffen wurden. So müsste dringend die Frage geklärt werden, warum Finanzminister Peer Steinbrück ausgerechnet ein paar Stunden, nachdem die Frist für die Haftung des Alteigentümers (Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG) für Verluste der HRE abgelaufen war, vor die Öffentlichkeit trat und das Aus des Immobilienfinanzieres verkündete.

Das müsse doch aufgeklärt werden, fordert Gregor Gysi im Deutschen Bundestag. Normalerweise müsse die Bundesregierung selbst einen Untersuchungsausschuss beantragen, wenn sie das Gefühl hätte, sie könnte sich dadurch rehabilitieren. Das sie es nicht tut, ist sehr merkwürdig, sagt Gregor Gysi vor fast leeren Rängen. Aber warum sollte es den Steinbrück im Besonderen auch Jucken? Schließlich war es eine breite Mehrheit aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen, die ihn ermächtigt hat, über eine Summe von rund 500 Mrd. Euro für den Finanzmarkt frei und ohne Kontrolle durch das Parlament verfügen zu dürfen.

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"Er hat die Welt süchtig gemacht!" ???

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Zum Plusminus-Film Finanzkrise und der totale Kollaps

Ich habe mir den Plusminus-Film auch angesehen und finde ihn eigentlich nicht sehr überzeugend. Denn es wird darin die Aussage gemacht, dass die Entwicklung der Geldmenge ursächlich für die Krise sei. Das ist in meinen Augen falsch. Außerdem wird mit der Stigmatisierung Alan Greenspans (Zitat: „Er hat die Welt süchtig gemacht!„) davon abgelenkt, dass es eine kriminelle Art der Spekulation gab bzw. die Möglichkeit, dubiose Finanzprodukte zu kreieren, ein Kettenbriefsystem zu etablieren und Wetten mit diesen unsoliden Produkten zu betreiben. Dass zu erlauben, war eine bewusste politische Tat.

Die Zinssenkungen der FED in Krisenzeiten hat ja auch nichts damit zu tun, einen noch größeren Crash bewusst vor sich her geschoben zu haben oder zu verschleiern, sondern auf monetäre Krisen mit Hilfe von Geldpolitik angemessen zu reagieren. Etwas, was der Europäischen Zentralbank (EZB) bis heute ziemlich schwer fällt. Dass allein reicht aber nicht aus. Das ist der entscheidende Punkt. Wenn sich die Politik nicht ändert, und es keine Regeln für den Finanzmarkt gibt, wird weiterhin spekuliert werden und Krisen entstehen. Die Zinssenkung der FED auf Null oder der historisch niedrige Leitzins der Bank of England sind doch nur alarmierende Symptome eines maroden Systems, dessen Verteidiger sich schlicht weigern, es aufzugeben.

Ich kann auch nicht die Hysterie der beiden Experten im Film vor einer Inflation aufgrund des vielen Geldes verstehen. Das hat doch mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Wir haben gegenwärtig eine Rezession und sie wird schlimmer. Wir sollten uns daher mehr vor einer Deflation fürchten, d.h. vor einer Abwärtsspirale aus Preisen und wirtschaftlicher Entwicklung. Es wird ja aktuell auch wieder alles dafür getan, höhere Lohnabschlüsse zu verhindern. Woher soll dann also eine Inflation kommen? Von der Nachfrage auf keinen Fall. Es sei denn, man adaptiert das gescheiterte US-amerikanische Konsummodel.

In Deutschland ist die Binnennachfrage schwach und wird schwächer werden. Und was ist mit den USA? Auch da gibt es überhaupt keine Anzeichen, dass die Nachfrage wieder auf das Niveau vor der Krise steigen wird. Denn dort wurde die Lohnentwicklung durch Schulden ersetzt. Das gehört eben auch zum Verständnis der Krise hinzu. Die hohe amerikanische Nachfrageaktivität basierte eben genau auf dem Prozess, schwache Lohnentwicklungen und damit realen Verlust an Kaufkraft durch billige und z.T. kostenlose Kredite auffangen zu können. Doch wo sind die Lohnerhöhungen, die nicht bezahlt werden mussten, gelandet, wenn gleichzeitig die Produktivität unvermindert zugenommen hat?

Richtig –> in einer Form der Umverteilung von unten nach oben -> Zuwachs an Kapitaleinkommen, von dem ein Großteil eben nicht reinvestiert wurde, sondern im Finanzkasino landete, wo dann mit den verpackten Häuslekrediten und Konsumkrediten ein fröhliches Katz und Maus-Spiel betrieben wurde um die Frage, wer erkennt als erster, dass die Kredite nie bedient werden können.

Die Theorie der Geldschwemme ist also eher ein Scheingefecht. Es geht vielmehr um reale Ungleichgewichte, und zwar zwischen Einkommen einerseits und Volkswirtschaften andererseits.

Richtig ist, dass der Staat wiederum Steuergelder aufwendet, um die entgangenen Gewinne, also die realen Verluste der Zocker aufzufangen. Damit würde aber nur der Weg des weiteren Auspressens von menschlicher Arbeitskraft beschritten. Der Staat müsste das aber überhaupt nicht tun. Und da sind wir bei der Grundfrage oder auch Systemfrage. Warum lässt der Staat eine Bank wie die HRE z.B. nicht einfach Pleite gehen und garantiert stattdessen nur für die Einlagen der Konten, nicht aber für die Zockerei-Geschäfte außerhalb und innerhalb der Bilanz? Das wäre viel billiger. Auf der anderen Seite verlören dann aber die geschätzten shareholder, also die Besitzer der Bank nicht nur ihre Rendite, die nur auf Grundlage des Zockergeschäfts bezahlt werden kann, sondern auch ihre Anteile und damit die Aussicht auf einen Profit beim Verkauf selbiger.

Was wäre also daran schlimm? Was wäre zudem daran schlimm, Profiteure wie Flowers noch zusätzlich zur Kasse zu bitten. Wenn schon nicht strafrechtlich, dann doch bitte steuerrechtlich? Das eigentliche Bankgeschäft, nämlich Kredite zu vergeben, die in den realen Wirtschaftskreislauf fließen, kann der Staat auch allein bewerkstelligen. Dafür braucht es keine private Bank. Die hatten ihre Chance, würde ich sagen.

Und wenn ich mir die filmische Darstellung von Alan Greenspan noch einmal genauer anschaue, mir den Schuldvorwurf der Redaktion an den ehemaligen Notenbankchef der FED erneut vor Augen führe und die These von der Geldschwemme darüber lege, komme ich nicht an der Feststellung vorbei, dass es sich hierbei auch um eine plumpe Bedienung antisemitischer Ressentiments handelt. Ist Alan Greenspan am Ende nur Schuld, weil er Jude ist? Ich hoffe nicht, dass diese Überlegung bei den Urhebern des Beitrags Antrieb war.

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Nachtrag: Zu Kaufrausch in Hannover

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Am 27.02.2009 berichtete die Neue Presse Hannover unter der Überschrift

Von wegen Krise – Hannover kauft!

darüber, dass die Kauflaune der Deutschen nach wie vor ungebrochen und sogar besser sei, als vor einem Jahr. Unter Berufung auf den Mist der GfK, zog man los, um Hannovers Händler zu befragen. Es wird gejubelt, hieß es da und heftig konsumiert. Der Bericht war damals schon allein deshalb grotesk, weil auf Seite 1 derselben Ausgabe die fette Überschrift prangte

Nebenkosten: Schock für Mieter

 

Nun hat das Statistische Bundesamt Zahlen zum Einzelhandelsumsatz des Monats Januar veröffentlicht. Demnach lag der Umsatz real um 1,3 Prozent niedriger als im Januar 2008. Im Vergleich zum Dezember 2008 ging der Umsatz um real 0,6 Prozent zurück. Damit wird die Messraterei der GfK erneut als Unfug entlarvt und deutlich widerlegt. Es gibt nach wie vor keinen nennenswerten Konsum und HEFTIG ist der schon gar nicht.

Was denkt sich der Chefredakteur Harald John überhaupt dabei, so ein manipulatives Geschreibsel Tag für Tag zuzulassen? Ich möchte zu gerne wissen, was da in der Redaktionskonferenz besprochen wird. Entweder sind die wirklich alle so bescheuert und merkbefreit da oder diese Kampagnen zur Verwirrung der eigenen Leserschaft sind Absicht. Wahrscheinlich hält man die eigenen Leser sogar für blöd.

Gestern meldete das Blatt relativ klein die Nachricht, dass im Monat Februar deutschlandweit rund 700.000 Anträge auf Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit eingegangen seien. Niedersachsen sei besonders betroffen. Heute dann das Thema des Tages. 100.000 Kurzarbeiter allein in Niedersachsen. Das bedeutet real Einkommensverlust für die betroffenen Beschäftigten. Wie man da nur darauf kommen kann, dass der Konsum gut sei oder gar heftig, bleibt das Konferenzgeheimnis der Neuen Presse. Jedenfalls kann Logik, Sachverstand oder journalistisches Können nichts damit zu tun haben.

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Vorrat an Gemeinsamkeiten sei aufgebraucht?

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So schallt es uns heute unisono aus den Medien entgegen. Nach dem nächtlichen Treffen im Koalitionsausschuss gibt es nicht viel Konstruktives zu berichten. Es sieht so aus, als seien die Positionen der drei Parteien miteinander unvereinbar. Die Koalition neige sich ihrem Ende entgegen. Die Bundestagswahl sei nun erklärtes Ziel. Doch ist das wirklich so, wie man uns glauben machen möchte? Oder wird mal wieder schäbiges Theater vorgespielt? Symbole für die Masse.

Wer Ramsauer gehört oder in die Augen von Struck geblickt bzw. die akkustische Abwesenheit von Kauder wohlwollend zur Kenntnis genommen hat, wird sich vielleicht nach ein wenig Abstand gefragt haben, wo denn nun die Unvereinbarkeit in den Positionen der Koalitionäre liegen mag, die uns hier aufgetischt werden soll. Wo sind denn die politischen Entwürfe oder gar die Visionen, die in eine Auseinandersetzung gehen könnten?

Die SPD wedelt da mit ihrem Lieblingsthema Mindestlohn. Vor allem bei der Zeitarbeit. Doch ist das überhaupt noch glaubwürdig? Jahrelang hatte die SPD als Kanzlerpartei Zeit, einen Mindestlohn einzuführen. Stattdessen förderte Superminister a.D. Wolfgang Clement und die Rot-Grüne Bundesregierung die Zeitarbeitsbranche und öffnete dort die Tür zum Lohndumping. Für Clement übrigens ein lohnendes Geschäft. Er steht noch immer dem Adecco Institute zur Erforschung der Arbeit vor, das vom weltweit größten Anbieter für Personaldienstleistungen finanziert wird. Ferner war auch in dieser Wahlperiode die Möglichkeit greifbar, den immer wieder geforderten flächendeckenden Mindestlohn mit den Stimmen der Grünen und der Linkspartei zu beschließen. Doch man votierte offen gegen den eigenen Gesetzentwurf.

Wenn ich heute Steinbrück über die Spielregeln des Parlamentarismus reden höre, die man einhalten müsse, wird mir ganz schlecht. Die SPD-Bundestagsfraktion hat doch selbst dafür gesorgt, dass das Parlament an Ansehen und Bedeutung verloren hat. Da wäre die fingierte Vertrauensfrage 2005 zu nennen, die zum freiwilligen Abbruch der eigenen Kanzlerschaft führte oder eben die Spielchen im jetzigen Parlament, in dem eine SPD, die ihr Programm wirklich ernst nehme, es ohne weiteres umsetzen könnte.

Wenn man z.B. tatsächlich einen Mindestlohn wollte, wäre gerade jetzt der Zeitpunkt günstig, die eigene Politik mit einer anderen Mehrheit durchzusetzen. Denn gerade jetzt poltert ja auch die Gegenseite, dass die Zweck-Ehe im Grunde am Ende sei. Warum sich also treiben lassen und sechs Monate nichts mehr tun. Die Mehrheit ist doch da. Das wäre echter Parlamentarismus und vor allem GLAUBWÜRDIG. Wenn aber Herr Heil sagt, er hätte sich gestern mehr beim Thema Mindestlohn gewünscht, da kann man sich nur an den Kopf fassen. Er könnte ihn schon längst haben. Aber das ist überhaupt nicht gewollt! Und deshalb kann man auch nicht behaupten, die Gemeinsamkeiten wären aufgebraucht.

In Wahrheit teilen Union und SPD viele Gemeinsamkeiten. Wer sich die Krisenpolitik anschaut und vor allem den Umgang mit den gescheiterten deregulierten Finanzmärkten, wird verstehen, was gemeint ist. Sie brauchen sich dazu nur einmal den aktuellen Koalitionsvertrag anschauen, in dem die Förderung der Finanzmärkte und deren dubiose Produkte immer noch nachzulesen ist. Auf den Seiten 86 und 87 finden sich die Empfehlungen für innovative Finanzprodukte, Hedgefonds und Private Equity.

Produktinnovationen und neue Vertriebswege müssen nachdrücklich unterstützt werden. Dazu wollen wir die Rahmenbedingungen für neue Anlageklassen in Deutschland schaffen. Hierzu gehören:

  • Die Einführung von Real Estate Investment Trusts (Reits) unter der Bedingung, dass die verlässliche Besteuerung beim Anleger sichergestellt wird und positive Wirkungen auf Immobilienmarkt und Standortbedingungen zu erwarten sind,
  • der Ausbau des Verbriefungsmarktes,
  • die Erweiterung der Investitions- und Anlagemöglichkeiten für Public-Private Partnerships,
  • die Überarbeitung der Regelungen für den Bereich Private Equity im Wege der Fortentwicklung des bestehenden Unternehmensbeteiligungsgesetzes in ein Private-Equity-Gesetz.

Das gilt alles noch. Es wurde auch kein Finanzmarktförderungsgesetz zurückgenommen. Stattdessen hat man sich nun auf eine Regelung bei den Manager-Gehältern geeinigt und glaubt, damit krisenbewusste Handlungsfähigkeit demonstrieren zu können. In Wahrheit aber, will man von der eigenen Verstrickung ablenken und ferner verschleiern, dass man auch in Zukunft möglichst wenig unternehmen will, die Fehler der Vergangenheit zu beheben. Da sind sich über die Parteigrenzen hinweg alle einig.

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Ergänzung: Studiengebühren

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Bitte lesen sie zum Thema Hochschulzulassung auch die heutigen Bemerkungen von Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten. Das Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen hat sich im Zuge der Föderalismusreform geändert. Die Parole lautete „Befreiung“ vom Staat. Jede Hochschule sollte sich ihre Studenten selbst aussuchen dürfen. Im Ergebnis erleben wir nun das blanke Chaos. Unbesetzte Studienplätze einerseits und viele Studierwillige ohne Zugang andererseits. Warum? Aufgrund des autonomen Auswahlverfahrens werden Studierwillige dazu gedrängt, sich an mehreren Hochschulen gleichzeitig zu bewerben. Logischerweise kann dann ein Bewerber u.U. auch mehrere Zusagen erhalten. Er wird sich aber in der Regel nur für ein Angebot entscheiden, was dazu führt, dass die anderen ebenfalls offen gehaltenen Plätze nicht in Anspruch genommen werden können und theoretisch neu vergeben werden müssen. Wie soll das ohne eine zentrale Vergabestelle funktionieren?

Das hätte man sich schon in dem Moment fragen müssen, als man diesen Unsinn von der unternehmerischen Hochschule beschlossen hat. Hat man aber nicht, weshalb die Bundesbertelsmannministerin Schavan nun eingreifen musste. Das tat sie wiederum nicht richtig. Denn abermals durfte sich die wirre Ideologie von der Hochschulfreiheit behaupten. Dennoch feiert die Politik die Einführung einer Internetbörse, die erst noch entwickelt werden muss und an der sich alle Hoschschulen freiwillig beteilligen können. Was soll das?

Wenn man zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Vergabe von Studienplätzen nur dann richtig funktioniert, wenn eine zentrale Koordinierung stattfindet, warum macht man die Teilnahme an einem solchen Verfahren dann nicht zur Pflicht? Mit der ZVS steht noch immer eine Behörde bereit, die die Vergabe von Studienplätzen wieder voll übernehmen könnte.

Aber darum geht es nicht. Wie ich gestern schon schrieb, ist das Wettbewerbsdenken an den Hochschulen vordergründig darauf ausgerichtet, die besten Köpfe im Konkurrenzkampf anzulocken. So als ob es ein großes Angebot gäbe, aus dem der Student oder die Hoschschule frei wählen könnte. Dafür muss dann eben auch viel öffentliches Geld für Imagekampagnen und Werbung rausgeschmissen werden, nur um davon abzulenken, dass dieser angebliche Markt überhaupt nicht funktioniert, auch weil ein Großteil von Studierwilligen durch die Gebührenhürde schlicht ausgesperrt wird.

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Nochmals Studiengebühren

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Die Pläne des Präsidenten der Universität Hannover Erich Barke angesichts des Rückgangs an Erstsemestern, mehr Werbung für den Hochschulstandort Hannover zu machen, stoßen nicht nur bei mir auf Kritik. Offenbar ist man sich weitgehend darüber einig, dass die rückläufige Zahl an Neueinschreibungen weniger mit der Frage des Marketings bzw. der Öffentlichkeitsarbeit zu tun hat, als vielmehr von anderen Faktoren abhängig ist. Darunter zum Beispiel die Studiengebühren, die bei der Entscheidung für die Aufnahme eines Studiums von herausragender Bedeutung sind.

In diesem Zusammenhang bedient sich die Neue Presse Hannover heute einer Studie des Hochschul-Informations-Systems Hannover (HIS). Danach haben sich für das Wintersemester 2007/2008 „31 Prozent der deutschen Studienanfänger unter anderem aufgrund der Studiengebührenfreiheit für ihre aktuelle Hochschule entschieden.“

Daraus schließt der Autor, dass es somit nahe liege, dass Studiengebühren auch an der Uni-Hannover zum Rückgang der Erstsemester beigetragen haben könnten. Doch die Studie relativiert und somit auch der Verfasser des Artikels. Denn laut HIS spielte bei Studienanfängern „in den Ingenieurswissenschaften, im Bereich der Mathematik und Naturwissenschaften die Gebührenfreiheit an einer Uni eine eher untergeordnete Rolle – genau aber in diesen Studienfächern, zumindest in Mathe und Physik, ist die Nachfrage an der Leibniz-Uni aktuell eher schwach.“

„Für sieben Prozent der Studienanfänger war dabei die Tatsache, dass an ihrer Hochschule keine Studiengebühren erhoben werden, das entscheidende Auswahlkriterium.“

Damit soll es so aussehen, als spielten Studiengebühren generell bei der Entscheidung eine untergeordnete Rolle und andere Gründe „wie zum Beispiel die Nähe zum Heimatort sowie der gute Ruf und Ausstattung der Hochschule, Vielfalt der Lehrangebote und überschaubare Verhältnisse“ seien viel wichtiger. Und „genau an diesen Punkten möchte Uni-Präsident Barke ab Sommer auch ansetzen.“

Damit ist der Schwenk hin zur PR-Unterstützung des Uni-Präsidenten bei seinem Vorhaben einerseits und der Landesregierung, die die Studiengebühren zu verantworten haben, andererseits erneut gelungen. Denn eigentlich ist diese Studie in ihrer Interpretation unbrauchbar! Eine Studie, die in Bezug auf Studiengebühren gar nicht diejenigen nach ihren Gründen befragt, die sich gegen ein Studium entschieden haben, liefert unterm Strich nur ein Zerrbild der Wirklichkeit, das den Befürwortern von Studiengebühren prima in den Kram passen dürfte. Dabei ist das Ergebnis, dass bei denjenigen, die sich eingeschrieben haben, die Gebühren nun nicht für so wichtig erachtet wurden, einfach banal.

Hier zeigt sich im Grunde, dass es im Wettbewerb um den Studenten nur darauf ankommt, diejenigen vom Markt abzugreifen, die sich ein Studium auch wirklich leisten können und wollen. Die mit öffentlichem Geld finanzierte Werbekampagne zielt insofern auch in Wirklichkeit auf eine bestimmte Zielgruppe oder besser gesagt – Klientel. Die große Masse darf sich indes gar nicht angesprochen fühlen. Für die reicht dann der Hinweis auf mickrige Stipendienprogramme und günstige Kredite, die, wie ein hessisches Gericht vor kurzem völlig realitätsfremd entschied, auch sozialverträglich seien.

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