Trotzdem frohe Weihnachten

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Wenn man sich die schwarz/gelbe Regierungskoalition im Augenblick so anschaut, glaubt man gar nicht, dass morgen Ruhe und Besinnlichkeit Einzug halten sollen. Die ursprünglich als Traumehe beworbene Liaison zwischen Union und FDP scheint nie wirklich existiert zu haben. Da zankt man sich vor dem Feste, dass es nur so raucht. Und wie vorhergesagt, trauen einige den gerade verabschiedeten Steuersenkungen und ihren propagierten Wirkungen nicht mehr über den Weg. Alles quatsch meinen die Liberalen und setzen in Sachen Sparvorschläge noch einen drauf.

Statt die Sozialbeiträge anzuheben, wie aus Unionskreisen einerseits zu hören war und andererseits wieder dementiert wurde, meint Entwicklungshilfeminister und liberaler Durchblicker Dirk Niebel doch im ernst, nicht mal eine Woche nach der durch den Bundesrat beschlossenen Senkung der Mehrwertsteuer für Hoteliers, dass man ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf ihren Sinn hin überprüfen müsse. Unter dem Ausruf, der Staat habe Geld wie Heu, er gebe es nur an falscher Stelle aus, ringt der verhinderte Abwicklungsminister nicht nur um Aufmerksamkeit, sondern auch um den Preis des dümmsten Phrasendreschers 2009.

Na ja, was soll man zu den Streitereien um die Bewältigung des öffentlichen Defizits noch sagen? Inzwischen geht in der Diskussion alles durcheinander. Die alte Floskel linke Tasche, rechte Tasche trifft den Sachverhalt schon lange nicht mehr. Man muss sich das mal vorstellen. Die Regierung erwägt die Erhöhung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages, um Entlastungen auf der Steuerseite finanzieren zu können. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag Norbert Barthle meint, dass dadurch der Milliardenzuschuss für die Arbeitsagentur ab 2011 aus dem Etat des zuständigen Ministeriums wegfallen könnte und schon gäbe es wieder Handlungsspielraum für den rollenden Taschenspieler Schäuble.

Bei diesen Überlegungen spielt natürlich überhaupt keine Rolle, ob im Jahr 2011 noch genug Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und ein entsprechend hohes Bruttogehalt verdienen, um soviel in die Sozialkassen einzuzahlen, dass der Bund seinen Steuerzuschuss zurückziehen kann, den er ja jetzt nicht nur zahlt, weil die Beiträge viel zu niedrig sind, sondern vor allem auch, weil er mit dem Kurzarbeitergeld das Verdecken von Arbeitslosigkeit finanziert. Andersherum hat es auch überhaupt keine Auswirkungen, wenn einige so tun, als würde die Beschäftigungsquote einzig und allein von der Höhe der Sozialbeiträge abhängen. Das ist ja Unfug.

Die Wirtschaft lahmt ja nicht wegen zu hoher Abgaben, sondern wegen einer globalen Nachfragekrise. Ich kann daher gar nicht verstehen, worauf diese Chaostruppe in Berlin eigentlich hinaus will. Nach deren Verständnis kann Deutschland nur mit dem Exportgeschäft Wachstum erzeugen. Und dafür müsse die Wettbewerbsfähigkeit ständig verbessert werden. Unter anderem versteht man darunter eine Lohnsenkungspolitik, nichts anderes bedeutet ja die Senkung der sog. Lohnnebenkosten. Das ergibt aber nur dann einen neoliberalen Sinn, wenn eine tatsächliche Nachfrage nach deutschen Waren und Dienstleistungen im Ausland besteht oder zu erwarten ist.

Doch schaut man auf die ehemalige Lokomotive der Weltwirtschaft USA, die in der Vergangenheit so viel konsumiert hat, dass Deutschland trotz lahmender Binnenkonjunktur prächtig verdienen konnte, sieht es zappenduster aus. Mit…

Amerikanische Haushalte und Unternehmen schneiden ihre Nachfrage zurück: Die Lokomotive der Weltwirtschaft auf dem Abstellgleis

…überschreibt Joachim Jahnke einen seiner jüngsten Blogeinträge und spricht darin von einer deutlichen Verlagerung des ausgeprägten amerikanischen Konsums hin zum Sparen. Zum ersten Mal seit 60 Jahren falle die Verbraucherschuld.

„Die Kreditkartenunternehmen haben den Kredit bereits um 1,6 Billionen Dollar verkürzt. Grund sind vor allem die Ausfälle, die sich mit nahe 7 % auf dem höchsten Niveau aller Zeiten bewegen und mit wachender Arbeitslosigkeit weiter zunehmen werden.

Das alles bedeutet für uns: Die USA sind noch längst nicht aus der Krise und damit kann auch der deutsche Export keine Entlastung aus dieser Richtung erwarten.

Aber was soll man sich darüber und über die anderen Schauplätze politischen Versagens vor Weihnachten noch aufregen? Wilfried Schmickler hat das am letzten Samstag bei den Mitternachtsspitzen im WDR-Fernsehen bereits toll erledigt. In diesem Sinne. Frohes Fest und besinnliche wie auch nachdenkliche Feiertage. Auch wenn’s schwer fällt. Die Weihnachtsansprache des Bundeshorsts liegt ja noch vor uns. Also tapfer bleiben… :wave:

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Zum Wort des Jahres: "Abwrackprämie"

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Gerade eben habe ich wieder ein FDP-Finanzgenie im Radio gehört, das zu den chaotischen Sparplänen der Regierung im kommenden Jahr befragt wurde. Vielleicht komme ich noch in einem anderen Beitrag zu diesem Thema. Jedenfalls führte das „Genie“ unter anderem aus, dass die Abwrackprämie eine unsinnige Geldverschwendung der letzten Regierung gewesen sei, um den Schwachsinn, den nun seine Partei in der Regierung zu verantworten hat, zu verharmlosen. Da seien 5 Mrd. Euro einfach verpulvert worden. Über Sinn und Unsinn der Maßnahme kann man streiten, doch der Vorwurf des Verschwendens von Steuergeldern ist mathematisch betrachtet zumindest zweifelhaft. Denn so wie es aussieht, hat der Staat mit der Prämie ein solides Geschäft gemacht.

Schaut man sich die aktuellen Daten des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) an, so entfielen von 1,3 Millionen Autos, die im Zuge der Abwrackprämie neu zugelassen wurden, 10,5 Prozent, also 136.500 Autos, auf die Modelle VW Golf und VW Jetta. Nimmt man sich nun die Preislisten zur Hand, wird man feststellen, dass die Neuwagen ab 15.000 Euro aufwärts zu haben waren. D.h. im Kaufpreis dieser Modelle ist ein Anteil der Mehrwertsteuer von mind. 2850 Euro enthalten gewesen – in den meisten Fällen eher mehr. Wenn sie jetzt nur mal die 2850 Euro nehmen und mit der Stückzahl der verkauften VW-Modelle multiplizieren, erhalten sie rund 4 Mrd. Euro Steuermehreinnahmen für den Staat aus allein 10,5 Prozent aller neu verkauften Autos. Und das im Vorraus. Die Abwrackprämie wurde ja erst nach dem Kauf erstattet.

Ich weiß, dass man volkswirtschaftlich gesehen ein größeres Ganzes sehen muss, jedoch widerlegt die einfache Rechnung oben das dumme Gerede vom Geldverbrennen. Die Bafa-Tabelle widerlegt aber auch die dumme Dudenhöfer-These (Deutschlands wissenschaftlicher „Auto-Papst“ oder einfach Mietmaul), wonach vor allem ausländische Billigautos wie der Dacia von der Abwrackprämie profitiert hätten.

Konjunkturprogramme haben einen Sinn und sie funktionieren, wie man an dem Einzelfall Abwrackprämie nachvollziehen kann. Warum man dieses Modell zur Stimulierung des privaten Konsums nicht auch auf andere Branchen ausgedehnt hat oder gar die Idee der Konsumgutscheine weiterverfolgt hat, bleibt eigentlich ein Rätsel. Warum schenkt man den Banken Milliarden, die das Geld entweder horten oder es tatsächlich ohne realwirtschaftliche Wertschöpfung an den noch immer unreglementierten internationalen Finanzmärkten verbrennen? Warum schenkt man das Geld den Hoteliers, die es einfach einstecken, ohne dass der Gast etwas davon haben wird?

Wenn ich immer das menschenverachtende Gelaber höre, dass Hartz IV Empfänger mehr Geld sofort in Alkohol und Zigaretten umsetzen würden, frage ich mich immer, wie viel eigentlich das obere Zehntel der Gesellschaft versäuft und verkifft, um zu verarbeiten, was der üppige Rest des eigenen unverdienten Vermögens an Rendite abwirft. Sehen sie dazu noch einmal Georg Schramms messerscharfe Analyse über den Aufschwung und den Hang zu neuen Wortschöpfungen:

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