Verteidigungsminister Freigeist zu Guttenberg rudert angeblich zurück. Im deutschen Bundestag sagte er heute zum Angriff von Kunduz:
Aus heutiger Sicht war der Einsatz militärisch nicht angemessen.
Er sagte aber auch dies:
Oberst Klein ist von der militärischen Angemessenheit ausgegangen. Dafür hat er mein volles Verständnis.
Wie kann das denn sein, fragen sie sich vielleicht? Wenn doch nun klar ist, dass der Angriff auf zwei Tanklastzüge in Afghanistan, von denen nachweislich auch keine Gefahr ausging, weil sie in einem Flußbett halb versunken waren, unangemessen war, dann kann man doch den verantwortlichen Kommandeur nicht in Schutz nehmen und behaupten, dass seine spezielle Einschätzung der Lage zwar objektiv falsch gewesen sein mag, aber subjektiv gesehen wieder richtig? Wenn sie da jetzt nicht mehr hinterher kommen, dann liegt das nicht an ihnen, sondern an einem Vermittlungsproblem der Bundesregierung.
Die hat nämlich die deutsche Bevölkerung noch nicht richtig über den Umbau und die Neuausrichtung der Bundeswehr informiert. Bisher gehen sie wahrscheinlich auch noch davon aus, dass es sich bei der Truppe um eine reine Verteidigungsarmee handelt, die ab und zu auch mal bei einem Auslandseinsatz unterstützend eingreifen darf. Aber da sind sie ja nicht mehr up to date. Die zentrale militärische Aufgabe liegt für die Bundesregierung in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Gerade eben lese ich wieder, dass „Mutti“ Iran mit härteren Sanktionen droht. Sie können sich vielleicht erinnern, bei ihrer Rede vor dem amerikanischen Kongress hat sie das auch schon getan und mit harten Worten an die Adresse von Teheran donnernden Applaus bei den Amis abgeräumt.
Doch zurück zur Bundeswehr. Die soll nicht mehr verteidigen, sondern primär bekämpfen. Das ergibt sich zwingend aus der strategischen Partnerschaft von EU und NATO. Und der NATO wiederum geht es nicht primär um die Verteidigung der eigenen Grenzen und der darin lebenden Menschen, sondern um die Sicherung des Zugangs zu den Rohstoffen und Märkten dieser Welt, von denen die NATO-Wirtschaften so abhängig sind. Es geht nicht mehr um Menschenrechte, sondern um Schürfrechte. Volker Pispers bringt das sehr treffend auf den simplen Satz:
„Wir schützen nicht mehr das, was uns gehört, sondern wir schützen jetzt auch das, was wir gerne hätten.“
Vielleicht können sie nun auch verstehen, warum Frau Merkel Iran droht und warum Freigeist zu Guttenberg sagt, dass das Verhalten des Bundeswehr-Oberst verständlich war. Der hat ja nur seinem Auftrag entsprechend gehandelt. Nämlich die Sicherung von Ressourcen, die wir gerne hätten. Auch Frau Merkel widmete diesem Thema ja einen verräterischen Absatz in ihrer ansonsten belanglosen Regierungserklärung vom 10. November 2009:
„Mehr noch: Wir alle müssen verstehen, dass es um weit mehr geht als nur um die Bewältigung der Folgen der Krise in unserer eigenen Volkswirtschaft. Nein, die Karten werden weltweit neu gemischt. Das und nichts anderes ist die Dimension der Krise. Weltweit werden die Karten neu gemischt. Da gibt es eben keine angestammten Marktanteile und Positionen. Wer wird sich den Zugriff auf Rohstoffe und Energiequellen sichern? Wer lockt Investitionen aus anderen Teilen der Welt an? Welches Land wird zum Anziehungspunkt für die klügsten und kreativsten Köpfe?“
Frau Merkel und ihre Bundesregierung sehen sich als Teilnehmer an einem Kartenspiel, bei dem es darum geht, die Welt neu aufzuteilen mit Hilfe von „Battlegroups“, schnellen Eingreiftruppen und Marschflugkörpern. Wenn dabei Unschuldige ihr Leben verlieren, wird zunächst geleugnet, um dann nach und nach die unangenehme Kost öffentlich zu verdauen.
O-Töne von Bundeskanzlerin Angela Merkel:
«Ich möchte zuerst zu dem Vorfall in Kundus deutlich machen, dass es der Bundesregierung und mir persönlich darum geht, dass jetzt schnell ein Nato-Untersuchungsteam bereitgestellt wird, dass umfassend und zügig aufklärt, wie die Zusammenhänge dort sind, und auch aufklärt, ob es zivile Opfer gegeben hat. Wenn es zivile Opfer gegeben hat, dann würde ich das natürlich zutiefst bedauern.» (Am 6. September beim Besuch des britischen Premiers Gordon Brown.)“
«Über zivile Opfer gibt es widersprüchliche Meldungen. (…) Unschuldig verletzte und zu Tode gekommene Menschen, auch und gerade infolge deutschen Handelns, bedaure ich zutiefst. (…) Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls (…) ist für mich (…) ein Gebot der Selbstverständlichkeit. (…) Ich stehe dafür ein, dass wir nichts beschönigen werden, aber ich stehe genauso dafür ein, dass wir Vorverurteilungen nicht akzeptieren werden. (…) Ich verbitte mir das, und zwar von wem auch immer, im Inland genauso wie im Ausland.» (Am 8. September in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag.)
«Wir können dann unsere Bewertung geben, wenn klar ist, wie die Abläufe waren. Dazu wird vor allem die Untersuchung der NATO beitragen, die alle internen Abläufe transparent macht.» (Am 16. September im «Hamburger Abendblatt»)
«Ich habe immer (…) darauf gedrungen, dass volle Aufklärung da ist. Insofern hat der jetzige Bundesverteidigungsminister (Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)) natürlich meine volle Unterstützung, wenn er sozusagen aufklärt, was vielleicht noch aufzuklären ist und auch die notwendigen Konsequenzen trägt und vollzieht. Der frühere Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wird heute Abend noch eine Erklärung abgeben, und ich habe natürlich vollstes Vertrauen zu ihm, dass er dies genau im gleichen Geiste machen wird, dass Verantwortung in Afghanistan bedeutet, dass wir auch auf volle Transparenz dringen.» (Am 26. November auf die Frage, ob sie noch zu Jung stehe.)
«Sie wissen, dass wir jetzt durch den Bundesverteidigungsminister eine Phase haben, in der noch einmal eine Neubewertung erfolgt. (…) (Es muss) ganz deutlich gemacht werden, (…) dass es ein Bedauern darüber gibt, dass in Folge deutschen Handelns zivile Opfer – damals war diese Sache noch nicht völlig klar – zu beklagen sind, und dass Deutschland dafür die Verantwortung übernimmt.» (Am 1. Dezember beim Besuch des pakistanischen Ministerpräsidenten Yousuf Raza Gilani)
Quelle: greenpeace-magazin
DEZ