Konjunktur: Mal wieder ein Sondergipfel im Kanzleramt

Geschrieben von:

Sie haben es vielleicht aus den Nachrichten vernommen. Im Kanzleramt tagt eine illustre Runde aus Bankern, Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaftern, die zusammen mit der Kanzlerin einen Weg suchen, um die viel zitierte „Kreditklemme“ zu überwinden, die angeblich unsere konjunkturelle Entwicklung bremse. Mal abgesehen von den abenteuerlichen Konstruktionen, die da besprochen werden, um die Banken dazu zu bewegen, das ihnen durch die Regierung großzügig überlassene Steuergeld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpem anstatt wieder damit zocken zu gehen – man bräuchte die Institute ja einfach nur zu zwingen – so stellt sich doch die Frage, ob die Wirtschaft überhaupt einen Bedarf an massenhaften Krediten hat.

Ich sehe nämlich keinen. Im Gegenteil. Die deutsche Wirtschaft hat noch immer das Problem einer globalen wie auch nationalen Nachfrageschwäche biblischen Ausmaßes gegenüberzustehen. Und das bedeutet nach wie vor Überkapazitäten, die eher abgebaut werden müssten. Wieso sollte ein Unternehmer gerade jetzt investieren, wenn er genau weiß, dass er seine produzierten Güter nicht absetzen kann? Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, der immerhin eine Schlüsselindustrie repräsentiert, meldet heute, dass die Auftragseingänge im Oktober 2009 um 29 Prozent unter dem Vojahreswert lagen. Auf dem deutschen Schienennetz wurden von Januar bis September 2009 etwa 20 Prozent weniger Güter transportiert, als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum (siehe Meldung destatis heute). Die Entwicklung des privaten Konsums zeigt ebenfalls weiterhin nach unten, wie das statistische Bundesamt gestern meldete (siehe hier im Blog).

Meiner Meinung nach kann es doch jetzt nicht vordergründig darum gehen, eine mehr oder weniger vorherrschende Kreditklemme zu beseitigen, sondern endlich mit einer aktiven intervenierenden Wirtschaftspolitik zu beginnen, die nicht wie aktuell beabsichtigt, auf unsinnige Steuersenkungen setzt und damit dafür sorgt, den Staat noch weiter auszuhungern, was sich am Ende wiederum in Ausgabenkürzungen nierderschlagen wird, sondern die auf eine massive Erhöhung der öffentlichen Ausgaben setzt, um die beinahe schon chronische binnenwirtschaftliche Wachstumsschwäche endlich zu überwinden. Dazu ist es auch unabdingbar, die Einnahmesituation des Staates durch Steuererhöhungen an richtiger Stelle zu verbessern. Das IMK (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung) schreibt dazu:

Die notwendige erhebliche Ausweitung und Verstetigung der öffentlichen Investitionen und Ausgaben für Bildung und in ökologischen und sozialen Bereichen bedürfte zunächst insgesamt einer dauerhaften Verbesserung der staatlichen Einnahmenbasis. Hierzu wären aber tendenziell Steuererhöhungen, und nicht Steuersenkungen, notwendig.
Die Steuerpolitik sollte überdies so ausgestaltet sein, dass Auswüchse in der Einkommens- und Vermögensverteilung korrigiert werden. Wie die OECD (2008) jüngst feststellte, haben in den Jahren 2000 bis 2005 in Deutschland Einkommensungleichheit und Armut stärker zugenommen als in jedem anderen OECD Land. Dies erklärt auch die schwache Entwicklung des privaten Konsums, da die oberen Einkommensgruppen in Deutschland sehr hohe Sparquoten aufweisen und die unteren und mittleren Einkommensgruppen ihre schwache Einkommensentwicklung – anders als etwa die US-amerikanischen Haushalte – bisher nicht durch ausufernde Kreditaufnahme kompensiert haben.

Es kann natürlich auch sein, dass die Regierung mit ihrem Gipfeltreffen beabsichtigt, die Verschuldungsmöglichkeiten klammer Konsumenten analog zu den gescheiterten amerikanischen Verhältnissen zu erleichtern. Dann würde das mit der „Kreditklemme“ tatsächlich einen widerlichen Sinn ergeben. Über Lohnsteigerungen, neue sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze und Arbeitsplatzsicherheit redet ja schon lange niemand mehr.

0

"Ein Fall von organisierter Verfassungskriminalität"

Geschrieben von:

So zitierte Kabarettist Georg Schramm gestern zustimmend Klaus Bresser, den Vorgänger des aktuellen und dank Roland Koch bald der Geschichte angehörenden ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender. Bravo-Rufe aus dem handverlesenen B und C-Promi Publikum im Berliner „Tipi“-Zelt, nur einen „Steinwurf“ vom Kanzleramt entfernt, anlässlich der Galaveranstaltung zum 25 Jährigen Bestehen des Senders 3sat. Ich wies gestern bereits darauf hin.

Dabei war die Wiederholung der Bresserschen Formulierung und im Zuge dessen die spontane Reaktion des Publikums nicht die entscheidende Szene, an die man sich erinnern sollte, sondern die Kritik Schramms an allen Beteiligten. ZDF-Intendant Schächter warf Schramm vor, nicht erkannt zu haben, dass es in einer Parteiküche (da war wohl eindeutig die ZDF-Redaktion als Ganzes gemeint) eben nur einen Chef-Koch geben könne, dem die Kellner zu gehorchen haben. Dass man aber bei einer durchaus gut gemeinten inneren Opposition, wie es Schächter tat, aus den eigenen Reihen angeschossen wird und sein Dasein fortan als lame duck fristen muss, hätte klar sein müssen.

Also ich verstehe Schramm diesbezüglich so, als wollte er uns nicht nur eine weitere Kritik an Koch zum Besten geben, sondern vor allem darauf hinweisen, dass konkrete politische Interessenlagen schon längst in den öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten fest verankert sind. Er hätte zum Beispiel gern Nikolaus Brender einmal persönlich kennen gelernt, weil ihm seine Art, wie sie allseits beschrieben wird, sehr sympathisch sei. Auch wies Schramm darauf hin, dass uns mit Peter Hahne aus dem Hauptstadtstudio ein Hofberichterstatter der Kanzlerin blühen könnte (Kollege Peter Frey im Publikum wurde dabei übrigens ganz rot) und Klaus Wowereit sowie Kurt Beck warf er vor, dass sie nicht von ihrem Recht Gebrauch machen würden, den ganzen Vorgang vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen.

In diesem Zusammenhang muss man dann auch Schramms Einleitung verstehen, bei der er über den Sender 3sat nachdachte und ihn als Heimstatt für die Verwirrten und Verirrten abends vor dem Fernseher bezeichnete. Ohne beißenden Unterton wies er darauf hin, dass zahlreiche Kabarettisten, Schramm eingenommen, dem Sender viel zu verdanken haben. Die Kleinkunst habe seit 20 Jahren einen festen Programmplatz. Die verantwortlichen Intendanten aber, trügen aktuell besorgte Mienen, wenn sie selbst an das Gemeinschaftsprojekt 3sat denken. Dem Sender drohen Kürzungen bei den Zuweisungen der beteiligten Anstalten. Schramm sagt das nicht offen, er deutet es aber an.

Auf dem gestrigen Jubiläum wurde jedenfalls deutlich, dass das ZDF künftig weniger Geld zum 3sat Etat beisteuern will. Für Intendant Schächter steht sein neuestes Kind in der Familie, der Digitalsender zdf_neo, eben höher im Kurs und damit auch der kranke Wettbewerb mit dem Privatfernsehen um Quoten und Zielgruppen. Und da hätte Schramm, wenn er denn noch Zeit gehabt hätte, den Kreis sicherlich auch noch deutlicher geschlossen, wie er es bei seinem grandiosen Auftritt beim „Kabarett-Fest mit Urban Priol & Freunden“ im Jahr 2008 tat (siehe unten). Das Privatfernsehen mit seinem Gedudel wurde auch vor über 20 Jahren auf Betreiben der christlichen Union und gegen den Willen der SPD eingeführt, mit der Begründung, die kulturelle Vielfalt in diesem Land zu verbreitern.

Doch nun muss man mit ansehen, wohin das geführt hat. Bei den Privaten gibt’s Dünnhungern mit Heidi Klum und Dreckfressen mit Dirk Bach und bei den Öffentlich-rechtlichen sorgt nun Roland Koch ganz offen dafür, dass über die bereits abgeschlossene systematische Volksverblödung das sehr erfolgreich arbeitende italienische Modell Berlusconi gestülpt wird, um sicherzustellen, dass es bei der beabsichtigten Verblödung der Massen auch bleibt. Das ist wichtig für’s Wachstum der DAX-Konzerne. Wie genau, das erklärt ihnen Georg Schramm im Folgenden persönlich.

„Wir brauchen Idioten, sonst frisst keiner das Gammelfleisch!“

1