Wie man Täuschungspolitik umdeutet

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Gestern habe ich einen Beitrag verfasst, in dem ich darauf hinwies, dass die neue Regierung sehr viel mehr Zeit dafür aufwenden muss, die in den Sachfragen widerstrebende Mehrheit in der Bevölkerung zu täuschen. Es wird nicht so einfach sein, eine Politik aus einem neoliberalen Guss durchzusetzen. Doch was ich Täuschungsstrategie nenne, beschreibt die regierungshörige Presse als Merkels Politik der kleinen Schritte.

In der Neuen Presse Hannover findet sich heute ein Kommentar von Andreas Herholz aus dem Berliner PR-Büro Slangen & Herholz. Darin beschäftigt er sich mit dem angeblich präsidialen Politikstil der Kanzlerin und der ihr entgegenschlagenden Kritik aus den eigenen Reihen.

„Kanzlerin Angela Merkel denkt offenbar gar nicht daran, mit ihrer neuen schwarz-gelben Mehrheit in die Reformoffensive zu gehen. Schließlich war sie mit diesem Angebot bei der Bundestagswahl 2005 nicht sonderlich erfolgreich gewesen. Merkel hat offenbar Gefallen gefunden an der Rolle der Präsidialkanzlerin.“

Ist schon irgendwie komisch. Jetzt, wo die Mehrheit in beiden Kammern der Legislative da ist, soll es auf einmal so schwierig sein, das eigene Programm umzusetzen. Man könnte ja an Zustimmung verlieren. Und ich dachte immer, die Deutschen haben sich Schwarz-Gelb gewünscht und schließlich auch gewählt. Frau Merkel muss doch nicht mehr auf die Befindlichkeiten einer Sozialdemokratie Rücksicht nehmen, sondern kann sich bequem im Machtsessel zurücklehnen. Merkel will aber nicht und Herr Herholz begründet das damit, dass ihr wirkliches Programmangebot vor der letzten Wahl kaum Erfolg hatte. Ach so. Und was soll das nun heißen?

„Harte Reformen würden ihrer Beliebtheit schaden. So setzt die Kanzlerin lieber weiter auf kleine Schritte.“

Beliebtheitswerte und das Verweilen im Ungefähren übersetzt der Berliner Qualitätsjournalist als Kleine Schritt-Politik. Man hätte jetzt auch sagen können, die will einfach nicht weiter auffallen. Stattdessen sieht Herr Herholz in dem „Weiter-So“ der Kanzlerin einen Beleg für die angebliche Sozialdemokratisierung der Kanzlerin.

„Schon regt sich gegen Merkels Weiter-so-Kurs Widerstand in den eigenen Reihen. Nicht nur der Parteinachwuchs ist enttäuscht, dass der Aufbruch weiter auf sich warten lässt und die Problembewältigung weiter aufgeschoben wird. Und Merkels Experiment, mit dem sie links von der CDU Wähler gewinnen will, wird gerade von der traditionellen Parteiklientel skeptisch beobachtet.“

Das ist wirklich unlogisch. Warum sollte die Kanzlerin Wähler gewinnen wollen? Die Bundestagswahl ist gelaufen. Die Mehrheitsverhältnisse sind doch nun klar, um nicht zu sagen, stabil, wie es die Neue Presse immer wieder behauptet hat, wenn es zu einer schwarz-gelben Mehrheit reichen sollte. Und nun tut man so, als müsse man noch jemanden überzeugen. Dabei geht es ganz konkret darum, die Mehrheit der Bevölkerung zu täuschen. Denn die wollen nun einmal nicht das, was schwarz-GELB in der Vergangenheit propagiert hat. Schauen sie sich die Ergebnisse zum Mindestlohn an. Eigentlich lehnen die Kanzlerin und Westerwelle das kategorisch ab, obwohl zwei Drittel der Bevölkerung und sogar der FDP-Wähler einen solchen für richtig halten. Symbolisch verbietet man nun per Gesetz sittenwidrige Löhne, obwohl diesbezüglich juristisch alles klar ist. Kommuniziert wird das aber als soziale Wohltat, weil man längst gemerkt hat, dass das Thema Mindestlohn nicht mehr ignoriert werden kann.

Merkel will die mit der SPD beschlossenen Mindestlöhne in einzelnen Branchen auch nicht revidieren. Warum eigentlich? Die FDP wäre bei einer Abschaffung sofort dabei und die neoliberale Weltanschauung wiederhergestellt. Doch darüber macht sich Andreas Herholz keine Gedanken. Frau Merkel ist in seinen Augen eben kein wandelnder Widerspruch mit Täuschungsabsicht, sondern vielmehr eine präsidiale Überkanzlerin für alle Deutschen, die allenfalls zum Expermimentellen neigt.

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Thema: Innere Sicherheit – Medien feiern Punktsieg für die FDP

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Also ich muss das mal auf die Reihe kriegen. Angeblich haben die Liberalen bei den Koalitionsverhandlungen einen Punktsieg gelandet. Und zwar beim Thema Innere Sicherheit.

Fassen wir da mal zusammen.

  • Vorratsdatenspeicherung:
    Der Kompromiss lautet, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten vorläufig ausgesetzt wird. Ist das ein Punktsieg? D.h. doch, es werden munter weiter Daten gesammelt, nur halt später ausgewertet, wenn sich der Sturm etwas gelegt hat.
  • Online-Durchsuchungen:
    Der Kompromiss lautet, dass alles bleibt, wie es ist. Der Staat darf weiter schnüffeln. Das BKA-Gesetz bleibt wie es ist. Nur die von Schäuble üblicherweise in die Runde geschmissene Verhandlungsmasse wurde gestrichen. Ein Punktsieg?
  • Großer Lauschangriff:
    Da gibt es keinen Kompromiss. Die verstärkte Telefonüberwachung bleibt bestehen.
  • Staatliche Kontrolle der Internetseiten:
    Der Kompromiss lautet, dass das von der Leyen Gesetz für ein Jahr gestoppt wird. Danach soll es reformiert werden. Die angestrebten internationalen Regelungen zur Löschung kinderpornografischer Seiten kann man getrost unter Ulk verbuchen. Ein Punktsieg?
  • Berufsgeheimnisträger:
    Nur Anwälte sollen künftig stärker vor Abhörmaßnahmen geschützt werden. Bei Ärzten und Journalisten gibt es hingegen kein klares Ergebnis. Ein Punktsieg?
  • Einsatz der Bundeswehr im Inneren:
    Eine diesbezügliche Grundgesetzänderung wird es nicht geben. Eine Verfassungsänderung wäre ohnehin rechtlich sehr problematisch geworden. Außerdem erlaubt das Grundgesetz bereits jetzt schon den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Die Bedingungen dafür sind sehr deutungsoffen, um nicht zu sagen, Schäuble-freundlich. Denn Begriffe wie „Amtshilfe“, „Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall“ oder „Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung“ bedürfen der Auslegung und werden auch interpretiert, wie der Tornado-Einsatz beim G8-Treffen in Heiligendamm 2007 beweist. Damals kam die FDP auch zu dem Ergebnis, dass der Einsatz zwar politisch unklug aber dennoch verfassungskonform gewesen sei. Unter diesen Voraussetzungen ein Punktsieg?
  • Datenschutz:
    Er soll verbessert resp. reformiert werden. Bürgerfreundlicher, wie es heißt. Von einer Verankerung im Grundgesetz wie versprochen, liest man nix. Nach Bekanntwerden immer neuer Fälle von Datenmissbrauch, ist eine Überarbeitung der Datenschutzbestimmungen auch dringend geboten. Die Übermittlung von Fluggastdaten bleibt hingegen unangetastet. Damit dürfen weiterhin Kreditkarten- und Telefonnummern sowie die E-Mail-Adressen von Reisenden einfach so weitergereicht werden. Ein Punktsieg?

Dafür, dass die FDP mit dem Spruch angetreten ist,…

„Wir sind die einzigen, die zentrale Freiheitseinschränkungen der letzten Jahre wieder zurücknehmen werden.“ (siehe Youtube-Spot der Julis)

…sehen die bisherigen Ergebnisse eher mau aus. Ich kann da jetzt nichts von einem Punktsieg erkennen. Vielmehr sehe ich eine Konsenssoße, die es zwischen Union und SPD so auch gegeben hätte.

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Rekordrückgang bei gewerblicher Beschäftigung

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Das Statistische Bundesamt meldet:

4,4% weniger Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe im August 2009

Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) wirkt sich die aktuelle Schwäche der Gesamtwirtschaft immer deutlicher auf die Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland aus: Ende August 2009 waren in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes mit 50 und mehr Beschäftigten gut fünf Millionen Personen tätig. Das waren rund 229 000 Personen oder 4,4% weniger als im August 2008. Seit Januar 1995 ist der prozentuale Rückgang der Beschäftigtenzahl im Vergleich zu einem Vorjahresmonat noch nie so stark gewesen wie in diesem Monat.

Mal wieder ein herber Dämpfer für alle Konjunkturoptimisten im Tigerentenclub. Auch die Arbeitsstunden und die Entgeltsummen nehmen dramatisch ab. In der Langzeitabbildung wird deutlich, dass Arbeitsstunden und Bruttolohnsummen seit Juli 2008 stark zurückgehen. Eigentlich hätte die Bundesregierung auf Grundlage dieser Daten bereits handeln und gegensteuern müssen. Die aktuellen Zahlen zeigen jedenfalls, dass die bisher getroffenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur nicht ausreichen. Trotzdem empfehlen die Wirtschaftsinstitute in ihrem Herbstgutachten bereits den Ausstieg aus der aktiven Konjunkturpolitik. Das ist unverantwortlich!

Der gemessene Rückgang bei den Einkommen hat Signalwirkung auf die Binnenwirtschaft. Da im verarbeitenden Gewerbe die Tarifbindung im Vergleich zu anderen Branchen recht hoch ist und demnach auch bessere Löhne und Gehälter gezahlt werden, muss sich der Absturz zwangsläufig beim privaten Konsum bemerkbar machen. Eine weitere Belastung der ohnehin schwächelnden Binnenkonjunktur ist somit abzusehen. Doch die Institute und der Tigerentenclub in Berlin sehen plötzlich wieder Spielräume für ihre Steuersenkungsträume. Man müsse halt nur richtig an anderer Stelle sparen.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch macht das im NP-Interview mit der Überschrift „Wir müssen 50 Milliarden sparen“ heute noch einmal deutlich:

„Steuererhöhungen sind definitiv ausgeschlossen. Daher muss es Einsparungen geben, um die notwendigen Gestaltungsmittel zu erhalten. Unser Ziel ist es, die Leistungsträger durch Veränderungen im Steuerrecht zu motivieren.“

Konjunkturprogramme und damit eine Motivierung zum Konsum sind kein Thema mehr. Denn…

„Wir können und dürfen die Schuldenbremse nicht außer Acht lassen und keine Schulden über die verfassungsrechtliche Grenze hinaus machen.“

Und während der Tigerentenclub gezielt an den Problemen dieses Landes vorbei diskutiert, rutscht die Wirtschaft mangels Nachfrage immer tiefer in die Rezession. Ein Umstand, der auf breite Ignoranz trifft.

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Neue Presse Hannover macht Werbung für private Pflegeversicherung

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Mal wieder Christoph Slangen, PR-Agent und Sparfuchsexperte der Neuen Presse Hannover. Er kommentiert in der heutigen Ausgabe eine Umfrage des Allensbach Instituts, wonach drei Viertel der Deutschen befürchten, dass sie im Pflegefall trotz Leistungen aus der Pflegeversicherung nicht ausreichend versorgt sein werden.

Jeder Zweite hat Angst vor dem Pflegefall

So lautet die Schlagzeile der Neuen Presse auf Seite 1. Im Text dann die verfängliche Passage, Danach fühlen sich drei von vier Deutschen für den Pflegefall finanziell nicht genug abgesichert. Aber nur zwölf Prozent sorgen zusätzlich zur gesetzlichen Pflegeversicherung noch privat vor.

Zwar weist die Neue Presse Hannover darauf hin, dass die Umfrage im Auftrag der Marseille-Kliniken durchgeführt wurde, verschweigt aber, dass es sich bei dieser Aktiengesellschaft um den Betreiber von Alten- und Pflegeheimen handelt. Der Leser erfährt auch nicht, dass die Chefin des Allensbach-Instituts Renate Köcher Aufsichtsrätin bei der Allianz-Versicherung ist und für den Finanzdienstleister MLP wirbt. Zufall?

Der kommentierende Christoph Slangen hat natürlich kein Interesse an den merkwürdigen Zufällen, die bei der Umfrage auftauchen, sondern macht das, was er immer macht. Er verkauft ein Produkt. So überschreibt er seinen Kommentar dann auch nicht mit einem kritischen Titel, sondern mit der Feststellung:

Gute Versorgung wird teurer werden

Damit macht Slangen nicht nur Werbung für die private Vorsorge, sondern auch für die sich abzeichnende Tigerente in Berlin, von der er schließlich zu leben scheint.

„Dass drei Viertel der Befragten fürchten, nicht ausreichend versorgt zu sein, spiegelt die Realität wider: Die Pflegeversicherung war nie eine Rundum-Leistung. Wer im Alter auf einen Heimplatz mit stationärer Versorgung angewiesen ist, muss zumeist privat Geld zuschießen, nur notfalls springt der Staat ein. Die neue schwarz-gelbe Koalition wird wohl auf mehr private Finanzierung setzen, um das derzeitige Versorgungsniveau in Zukunft zu halten. Die Pflege wird teuer für den Einzelnen.

So wird aus einer gekauften Umfrage und einem willigen PR-Agenten, der sich immer noch als Journalist bezeichnen darf, eine verzerrte Realitiät gezeichnet, die im Ergebnis Alternivlosigkeit vorgaukelt. Und die Neue Presse Hannover bietet eine Plattform für dieses korrupt manipulative Spiel. Dem Leser bleibt dann nur übrig, den Quatsch entweder zu schlucken und zu glauben oder dank Immunisierung durch Aufklärung zu zweifeln und zu erkennen, dass hier eine Strategie der Meinungsmache verfolgt wird, die bestimmten Interessen folgt unter Missachtung journalistischer Prinzipien.

Diese Erkenntnis wird nicht verhindern, dass es zur Privatisierung der Pflegeversicherung unter Angabe falscher Sachzwänge kommen wird. Je mehr aber begreifen, dass sie durch eine Koalition williger Demagogen hinters Licht geführt werden, desto größer auch der Widerspruch. Denn eins ist klar. Die neue Regierung wird mehr Zeit damit verbringen müssen, die in den Sachfragen widersprechende Mehrheit in der Bevölkerung zu täuschen, als sie das vorher tun musste. Und der Erfolg beim Aufdecken dieser Täuschungsmanöver wird zunehmen.

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Der Spiegel ist und bleibt ein neoliberales Propagandaorgan

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Lesen sie zunächst Sven Bölls Kommentar „Vergesst Weihnachten!“ Ein wirklich schlimmes Machwerk billiger Meinungsmache.

„Geschenke soll es geben, viele und große, darauf hat sich die neue Regierung geeinigt. Doch in Wahrheit müssten Union und FDP endlich die Staatsausgaben reduzieren – selbst wenn Arbeitnehmer, Rentner und Hartz-IV-Empfänger auf die Barrikaden gehen.

Notfalls auch mit Waffengewalt? Wenn der Bürgerkrieg ausbricht, wissen wir, auf welcher Seite Frontberichterstatter Böll stehen wird. :roll:

„Deutschland braucht mehr Ehrlichkeit in der Finanzpolitik“

Nein, Deutschland braucht mehr Aufklärungsarbeit, um vor allem die Rolle des Spiegels im System der Meinungsmache offenzulegen.

„Mehr als eine Billion Euro Schulden hat der Bund bereits – und im kommenden Jahr könnten im Extremfall nochmals bis zu 100 Milliarden Euro dazukommen. Das liegt auch an der Finanzkrise – aber nicht nur. Selbst wenn der Bund ab 2011 jedes Jahr zehn Milliarden Euro seiner Schulden tilgen würde, wäre er erst nach 110 Jahren damit fertig. Das entspricht fast vier Generationen.“

Finanzstaatssekretär Asmussen zu der These, es läge nicht nur an der Finanzkrise, und der muss es ja schließlich wissen:

„Wir sind weit von einer Normalisierung entfernt.“ „Es ist weiterer Kapitalbedarf in Banken absehbar.“

Quelle: Süddeutsche

Doch zurück zu Sven Böll:

„Zu dieser neuen Ehrlichkeit würde auch gehören, mit der Lebenslüge aller Parteien aufzuhören, in der Vergangenheit sei bereits ernsthaft gespart worden.“

Diesen Satz werden wir demnächst öfters hören, garantiert. Über die Absenkung der Staatsquote auf ein historisches Tief kein Wort. Der Anteil der Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden an der Wirtschaftsleistung lag im Jahr 2008 bei 25 Prozent (ohne den Anteil der Sozialsysteme) und damit auf dem Niveau der 60er Jahre. Böll und andere werden einfach behaupten, Eichel und Steinbrück hätten nie wirklich gespart und sie begründen das dann so:

„Zwischen 1998 und 2008 stiegen die jährlichen Ausgaben der Bundesregierung von gut 233 auf rund 282 Milliarden Euro – das ist ein sattes Plus von weit mehr als 20 Prozent und nicht gerade ein Synonym für „den Gürtel enger schnallen“.“

Etwas Dümmeres gibt es ja wohl nicht. Wer nominal mit real verwechselt und es unterlässt die Ausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt zu betrachten, hat echt einen an der Waffel und gehört in die Bild-Zeitung entsorgt. Die nominalen Ausgabensteigerungen sagen für sich genommen überhaupt nichts aus und schon gar nicht, wenn man einen willkürlichen Zeitraum ohne Bezugsgröße wählt. Herr Böll hat auch noch nie etwas davon gehört, dass die realen Spareinschnitte der Minister Eichel und Steinbrück ursächlich dafür sind, dass die Ausgaben in jenem Bereich stark ansteigen, die Herr Böll in der Folge nun endlich „ehrlich“ kürzen will. Das systematische Aushungern des Staates durch prozyklische Sparpolitik wirkte als Konjunkturbremse, was wiederum dazu führte, dass die öffentlichen Etats erstens unter Einnahmeausfällen zu leiden und zweitens einen Anstieg ihrer Sozialbudgets zu verkraften hatten.

Dennoch lag die Staatsquote mit dem Anteil der Sozialsysteme im Jahr 2008 bei 43,9 Prozent, dem niedrigsten Stand seit 1990. Im Jahr 2003 betrug die Staatsquote noch 48,5 Prozent. Wie kann das sein, wenn angeblich nicht gespart wurde? Fakt ist, die Ausgaben des Staates stiegen langsamer als das Bruttoinlandsprodukt. Böll will aber nur den wachsenden Haushalt zur Kenntnis nehmen, daraus eine dramatische Entwicklung aufzeigen und somit versuchen, den Leser in grober Weise zu täuschen.

„Das Motto der neuen Koalition dürfte deshalb nicht Volksbeglückung heißen, sondern müsste „Sparen – aber diesmal ernsthaft“ lauten.

Der Bundeshaushalt hat in diesem Jahr ein Volumen von 290 Milliarden Euro. Zieht man davon die Ausgaben ab, die wie die Zinszahlungen (14 Prozent des Volumens) nicht verhandelbar sind oder echte Investitionen bedeuten – etwa Verkehr und Bildung, die rund 13 Prozent des Haushalts ausmachen -, bleiben rund 210 Milliarden Euro übrig. Abzüglich der Personalausgaben, die nur langfristig Sparpotentiale bieten, sind es dann nur noch gut 180 Milliarden Euro. Darunter fallen die Budgets für Entwicklungshilfe, Verteidigung, Familien und so weiter. Und vor allem die Ausgaben für Soziales: Die summieren sich auf fast 130 Milliarden Euro.

Wer also ernsthaft sparen will, kommt am Sozialbudget nicht vorbei.“

Es gibt also Haushaltsgrößen die nicht verhandelbar sind und welche die es sind. So einfach ist die Rechnung. Es spielt für Böll überhaupt keine Rolle, woher die Schulden stammen, nur dass die Zinszahlungen aufgebracht werden müssen. Und dafür muss das Sozialbudget gekürzt werden. Deutlicher kann man nicht sagen, dass die Krise von den Schwachen in dieser Gesellschaft finanziert werden müsse. Unglaublich! In seiner geistigen Beschränktheit kommt Sven Böll gar nicht auf den Gedanken, mal zu fragen, von wem sich der Staat das Geld leiht und wie viel diese Geldgeber eigentlich auf der anderen Seite selbst zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen, außer dass sie Kredite geben und gute nicht verhandelbare Zinsen dafür erhalten, die sie dann wiederum an den internationalen Finanzplätzen verzocken können.

Denn klar ist ja wohl, dass nach diesem von Böll beschriebenen Haftungsmuster, der vermögende Kreditgeber ein tolles Geschäft macht. Vor, während und noch lange nach der Krise, bis die Ausgaben im Sozialbereich irgendwann auf Null gedrückt worden sind. Dabei geht es dann auch nicht um ein Generationenproblem, sondern um eine Verteilungsschieflage in jeder Generation. Denn nicht nur die Schulden werden an die nächste Generation weitergegeben, die Forderungen ja auch. Auch das vergisst Herr Böll. Es wäre mal an der Zeit, zu begreifen, dass die Kosten der Krise auch von jenen aufgebracht werden sollten, die sie erstens verursacht und zweitens von ihr profitiert haben. Was ist mit der Vermögens-, Erbschafts- und Spitzensteuer? Warum holt sich der Staat nicht das Geld zurück? Weil es dann die angeblichen Leistungsträger der Gesellschaft träfe?

Man könnte jetzt noch mehr zu dem Müllkommentar von Böll sagen, aber ich lass es und komme lieber zu einem zweiten Bericht im Spiegel über das angeblich so positive Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher. Darin findet sich folgender Satz:

In ihrer Prognose, die an diesem Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde, gehen die Institute außerdem nur noch von einer 5,0-Prozent-Rezession in diesem Jahr aus. Vor Monaten wurde ein tieferer Absturz erwartet.

So als ob Minus fünf Prozent kein tiefer Absturz wären. Schlimm ist aber, dass die Koalitionäre in Berlin nun diese Fantasiezahlen für nächstes Jahr nehmen und glauben, da wären Spielräume für ihre Steuersenkungsversprechen. Das ganze Gutachten scheint politisch motiviert. Denn zwei Aussagen lassen sich einfach nicht in Einklang bringen:

  1. Dazu kommen Gefahren, die die aktuelle positive Prognose noch revidieren könnten. Als eines der größten Risiken betrachten die Institute, „dass neue Erschütterungen des internationalen Finanz- und Bankensystems keineswegs ausgeschlossen sind“.
  2. Außerdem halten sie es für geboten, schon jetzt über Strategien zu entscheiden, wie die außergewöhnlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise beendet werden sollen. „Beginnen sollte man mit dem Abbau des strukturellen Defizits im Jahr 2011, wenn sich die Konjunktur stabilisiert haben dürfte“, lautet die Empfehlung.

Dem Spiegel als neoliberales Kampfblatt ist das natürlich keine kritische Anmerkung mehr wert. :roll:

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Neuer Wirbel um den "Lügenbold" Horst Köhler

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Und zwar sprach der Herr Bundespräsident am letzten Freitag anlässlich des Festaktes „20 Jahre Friedliche Revolution“ in Leipzig. Sie können die Rede auf der Seite des Bundespräsidenten hier nachlesen. Darin äußert er folgende Passage:

„Vor der Stadt standen Panzer, die Bezirkspolizei hatte Anweisung, auf Befehl ohne Rücksicht zu schießen. Die Herzchirurgen der Karl-Marx-Universität wurden in der Behandlung von Schusswunden unterwiesen, und in der Leipziger Stadthalle wurden Blutplasma und Leichensäcke bereitgelegt.“

Neben dieser schwachsinnigen Aussage steht mittlerweile ein Sternchen. Folgt man dem Sternchen bis ans Ende der Rede, so steht da:

Die mit * gekennzeichneten Aussagen zur Bereitstellung von Panzern, Blutkonserven und Leichensäcken sind der zweibändigen Studie „Die Friedliche Revolution. Aufbruch zur Demokratie in Sachsen 1989/90“ von Michael Richter entnommen. Sie ist 2009 als Sonderdruck von der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung Dresden herausgegeben worden.

Der Autor hat nach der Rede des Bundespräsidenten in einem Interview geäußert, er habe für diese Angaben noch keine ausreichenden Belege, es sei weitere Forschung nötig.

Dass es überhaupt zu dem Sternchen kam, ist der Zeitung „Junge Welt“ zu verdanken, die am 12.10.2009 mit der Schlagzeile titelte „Köhler lügt“, siehe hier und die falschen Behauptungen zum Thema machte. Darauf reagierte dann am Dienstag das Springergeschütz Welt mit dem Titel „Linke attackieren Bundespräsidenten“, siehe hier. Darin betätigt die Welt indirekt den Vorwurf der Jungen Welt.

Hintergrund sind einige tatsächlich sachlich unzutreffende Sätze, die der Bundespräsident am vergangenen Freitag in seiner Festansprache zum 20. Jahrestag der entscheidenden Montagsdemonstration in Leipzig gesagt hatte:

Doch der „Irrtum“ des Herrn Bundespräsidenten wird ihm nicht als Vergehen oder gar Lüge angekreidet, vielmehr nutzt die Welt den Vorfall aus, um die Berichterstattung der jüngeren Welt zu beschimpfen. Dabei wäre es viel interessanter gewesen, zu erfahren, welche Rolle Horst Köhler und seine Partei selbst in den Wendejahren spielte. Dazu hat sich der Blogger Lux Gedanken gemacht, siehe hier. Unter dem Titel „Hört eine Lüge auf, Lüge zu sein, wenn sie anders bezeichnet wird?“ beschreibt er sehr schön die Geschichte, wie sie sich für Köhler und die CDU darstellte.

„Was tat Köhler damals am 9. Oktober 1989? Wie war sein Verhältnis zur Bürgerrechtsbewegung in der DDR und vor allem, wie nutzte er seine bereits damals gehobene Stellung im Verhältnis zu dieser Bürgerrechtsbewegung? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, weil ich nicht so vergesslich bin, wie der große Rest des Volkes, daß die Partei Köhlers, namentlich die CDU, die Bürgerrechtsbewegung in der DDR erst sehr spät entdeckte. Faktisch erst, als das Ende der DDR sich bereits unausweichlich abzeichnete.

Köhler sprach auch kein einziges Wort darüber, welche Rolle er damals als höchster Regierungsbeamter, nämlich als zuständiger Staatssekretär für die sog. Treuhandanstalt*, spielte. Er war maßgeblich am organisierten Raub, an Milliardenbetrügereien zum Schaden der Deutschen in Ost und West beteiligt. Er war dafür zuständig, daß Millionen ihre Arbeit verloren, die funktionierende Wirtschaft vernichtet wurde, ja selbst ernstzunehmende westliche Unternehmer keinen Zugang zu Treuhandgeschäften erhielten, zum Zwecke, daß diese Geschäfte der menschlichen Heuschreckenplage, der Profitgier, allein zu dienen hatten. Es war nicht allein die Profitgier, sondern auch das ideologische Ansinnen, daß NICHTS, aber auch gar nichts von dem übrigbleiben durfte, für das die Menschen in Leipzig auf die Strasse gegangen sind!“

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Mein Beitrag zum Blog Action Day 2009

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Thema ist ja Klimawandel: www.blogactionday.org

Die globale Erwärmung wird von einem globalen Besäufnis in den Schatten gestellt. Volker Pispers zum politischen Geschehen.

Übrigens: Der Spiegel gibt der künftigen Bundesregierung Spartipps mit auf den Weg, um aus der Schuldenfalle zu kommen. Unter anderem sollten die Subventionen für die Solartechnik gekürzt werden. Da sieht man mal wieder, welche Flaschen in den Redaktionen hocken. Denn im Jahr 2008 erzielte Deutschland solare Steuereinnahmen in Höhe von drei Milliarden Euro. Der Subventionsaufwand betrug aber nur zwei Milliarden Euro. Quelle: Bundesverband Solarwirtschaft

Zu den Steuereinnahmen kommen weitere volkswirtschaftliche Effekte, die nach Einschätzung der Solarindustrie von Kritikern oft unberücksichtigt bleiben. So summiert sich nach Berechnungen des Ingenieurbüros für neue Energien der volkswirtschaftliche Nutzen durch vermiedene Importe von Gas, Kohle und Uran bis 2030 auf über 100 Milliarden Euro. Hinzu kommen in diesem Zeitraum vermiedene Klimaschadenskosten von rund 35 Milliarden Euro.

Man kann so etwas auch als Konjunkturprogramm bezeichnen, wenn der Einsatz von Steuergeld dazu führt, dass ein neuer Wirtschaftszweig sich entwickelt und im Ergebnis Steuermehreinnahmen zu Buche schlagen. Für die BWL-Absolventen in den Redaktionen und die Dummköpfe in den Parteien spielt das natürlich keine Rolle. Da zählt nur Schuldenuhr und die Frage, was kann ich kürzen. Spricht man in diesem Zusammenhang eigentlich noch von der Klimakanzlerin?

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Zur wirtschaftlichen Lage – und ein Ausblick

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„Wir können nicht mehr in die Ära zurückkehren, in der die Chinesen und Deutschen oder andere Staaten uns einfach nur alles verkaufen, wir dagegen einen Haufen Kreditkarten-Schulden oder Hypotheken aufnehmen, aber ihnen nichts verkaufen.“

Das sagt US-Präsident Barack Obama. Doch viel entscheidender wird sein, wie unsere neue Bundesregierung darauf reagieren wird. Auf dem letzten G20-Gipfel hat sich Frau Merkel ja verpflichtet, für Deutschland eine Stärkung der Binnennachfrage anzustreben. Damit kann sie vielleicht die internationale Gemeinschaft täuschen aber nicht uns. Denn wir wissen, was Frau Merkel unter einer Stärkung der Binnennachfrage versteht. Steuersenkungen nach dem Motto, mehr Netto vom Brutto. Und sonst der feste Glaube an die Wirkung solcher Schwachsinnsprogramme.

Begleitet wird die Frau Bundeskanzlerin von den positiven Meldungen der Wirtschaftsforschungsinstitute, die schon wieder Wachstumsprognosen verkünden. Man fragt sich nur, woher das Wachstum kommen soll, wenn alle Anzeichen weiterhin auf Absturz hindeuten. Der für Frau Merkel und Konsorten noch immer so wichtige Export lahmt weiterhin. Im August sanken die Ausfuhren im Vergleich zum Juli 2009 wieder um 1,8 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr klafft immer noch ein riesiges Minus von 20 Prozent. Von Aufschwung also keine Spur. Nicht einmal Schadensbegrenzung wäre hier als Formulierung angebracht.

Die Binnenkonjunktur lahmt ebenfalls und das nicht erst seit gestern. Die Umsätze im Einzelhandel gehen kontinuierlich zurück. In diesem Jahr gibt es bereits ein Minus von real 2 Prozent. Im August sanken die Umsätze deutlich um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat (siehe hier). Von Aufschwung also keine Spur. Der volkswirtschaftliche Schaden durch das Unterlassen einer vernünftigen Konjunkturpolitik vergrößert sich weiter. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Arbeitslosigkeit nach Auslaufen des Kurzarbeitergelds im nächsten Jahr steigen wird. Die Zahl der Überstunden ist um 27 Prozent bereits auf einen historischen Tiefstand gefallen (siehe hier).

In der für die Konjunkturmessung so wichtigen Branche Maschinenbau brechen die Umsätze auch im August 2009 weiter ein. Ein Minus von 33,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Auftragseingänge ebenfalls deutlich im Minus mit 43 Prozent. Entspannung also auch hier nicht in Sicht. Dafür steigt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen. Im Juli 2009 um 9,3 Prozent. Das bedeutet vor allem für die Banken wieder großes Zittern, wenn Kreditausfälle sich häufen. Ich möchte an dieser Stelle nicht wissen, ob da schon wieder fein geschnürte Pakete mit verbrieften Inhalten rund um den Globus sausen und die Taschen der Zocker füllen. Wussten sie, dass Banker in Amerika dieses Jahr Rekordgehälter kassieren, trotz Krise (siehe hier)?

Alles in allem trübe Aussichten, wenn nicht sogar katastrophale. So als ob uns das Schlimmste noch bevor steht. Vor allem bei dieser neuen Bundesregierung, die bereits jetzt mehr Wert auf PR-Auftritte legt, als Lösungsvorschläge ernsthaft zu dikutieren. Eben höre ich eine Meldung, in der über Verbesserungen für Hartz IV-Empfänger gesprochen wird. Geht’s noch? Die Erhöhung des Schonvermögens ist schon seit Beginn der Koalitionsverhandlungen ausgemacht und erst jetzt hat die PR-Abteilung die passende Meldung für die Redaktionen geliefert? Dabei hat das Ganze überhaupt nichts mit einer Verbesserung zu tun, weil es erstens kaum einen betrifft und zweitens nur dazu dient, einen Vorwand zu erhalten, um weitere Leistungen mit Verweis auf das höhere Schonvermögen künftig einsparen zu können.

Offensichtlich trägt der Vorstoß auch der abzusehenden Lage auf dem Arbeitsmarkt Rechnung. Die Bundesregierung plant mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und reagiert präventiv anstatt aktiv etwas dagegen zu unternehmen. Damit wird auch deutlich, dass Frau Merkel und Herr Westerwelle nicht die Absicht verfolgen, mit Konjunkturpolitik auf eine weitere Verschärfung der Wirtschaftskrise zu antworten. Man sitzt es einfach aus.

PS: Zahlen und Fakten entnommen aus dem Informationsportal von Dr. Jahnke.

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Plusminus-Bericht über Parteispenden

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Der gestrige Bericht von Dr. Dietrich Krauß bei Plusminus über Parteispenden und die Verstrickungen von Politikern mit der Finanzindustrie würde ich mal als Sternstunde des Journalismus bezeichnen. Denn es wurde nicht nur aufgezählt von wem und wie viel gespendet wurde, sondern auch ein Zusammenhang zur betriebenen Politik hergestellt. Besonders gefallen hat mir der klare Hinweis von der Bremer Wirtschaftswissenschaftlerin Diana Wehlau, dass Spenden aus der Finanzbranche immer dann deutlich zugenommen haben, wenn Reformen anstanden, von denen dieser Sektor profitierte.

Wie zum Beispiel beim Thema Rente. Dass die Allianz AG zu diesem Zeitpunkt zwölf Mal mehr an alle Parteien spendete, die eine Rentenkürzung befürworteten, ist ein klarer Beweis dafür, wie die Menschen beim Thema Rente verschaukelt werden. Hier bestätigt sich auch, was Albrecht Müller von den NachDenkSeiten immer gesagt hat. Bei einem zu erwartenden Milliardenumsatz in der Versicherungsbranche durch Riester- oder Rüruprentenverträge ist es doch nur logisch, dass man im Vorfeld ein paar Millionen an „Scheinwissenschaftler“, PR-Agenten, Politiker und Parteien verteilt, um die nötigen politischen wie auch öffentlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Die Spendenpraxis beweist aber auch, dass die, im Bundestag von der Linken immer beklagte, Konsenssoße bei den anderen Parteien keine Einbildung ist. Warum auch sollten sich Union, SPD, FDP und Grüne ernsthaft mit dem Thema Rente auseinandersetzen, wenn ihnen das Erklärungsmodell samt Spendenquittung frei Haus geliefert wird? Interessant war auch zu erfahren, dass viele Abgeordnete im Deutschen Bundestag für die Finanzbrache tätig waren und sind.

Gleichzeitig stellte Wehlau fest, dass immerhin zehn Prozent aller Volksvertreter, vor oder während ihrer Abgeordnetentätigkeit, für die Finanzbranche tätig waren. Im Finanzausschuss sogar 17 Prozent. Schließlich wurde die Versicherungs- und Investment-Lobby im Rahmen der Rentenreform 2001 zum ersten Mal als Sachverständige bei einem Sozialgesetz gehört. Am Ende wurde nicht nur wegen, aber ganz sicher im Sinne der Finanzlobby, Reformen vorgenommen: Die Ansprüche aus der gesetzlichen Rente wurden gekürzt und die private Vorsorge staatlich subventioniert.

Dass die Lobbyarbeit der Finanzbranche ziemlich erfolgreich war, ist mittlerweile für jeden spürbar: Da die Leistungen der gesetzlichen Rente drastisch gekürzt wurden, ist die private Altersvorsorge mittlerweile für jeden einzelnen zwingend notwendig, andernfalls droht Altersarmut.

Der letzte Satz stimmt nicht ganz. Auch mit privater Altersvorsorge droht Altersarmut. Nämlich immer dann wenn das gesetzliche Rentenniveau unter dem Niveau der Grundsicherung liegt, wie das bei vielen Geringverdienern im Alter der Fall sein dürfte. Dann werden die Ersparnisse aus der privaten Altersvorsorge, sofern vorhanden, mit der staatlichen Grundsicherung verrechnet, so dass der Betroffene umsonst privat vorgesorgt hat. Dieser Riester-Renten-Schwindel der Bundesregierung wurde bereits durch das Magazin Monitor in der Sendung vom 10.01.2008 aufgedeckt, im Übrigen ebenfalls von Dietrich Krauß (siehe alternativ auch hier).

Besonders gefreut hat mich dann natürlich der Nachweis einer Verbindung zwischen Guido Westerwelle und der Finanzbranche, den man dank aufmerksamer Internetbeobachter führen konnte, obwohl die entsprechenden Quellen offiziell gelöscht worden sind. Die Glückwünsche der Deutschen Vermögensberatung DVAG in ihrem Unternehmensblog an das Beiratsmitglied Westerwelle vom 28. September 2009 wurden durch Screenshots (siehe bei mir hier) gesichert und konnten gestern am Ende des Beitrags gezeigt werden. Dietrich Krauß hatte auch mich diesbezüglich angesprochen.

Die Gratulation hat die DVAG inzwischen überall löschen lassen und mit Plusminus sprechen will man auch nicht. Unsere Fragen will man noch nicht einmal schriftlich beantworten. Das zumindest hat man uns mitgeteilt. Zitat: „Erfahrungsgemäß gehen wir nicht davon aus, dass unsere Antworten irgendeine Relevanz auf den von Ihnen beabsichtigten Beitrag haben würden.“

Ob und wie die Wünsche der Finanzbranche in die Koalitionsverhandlungen einfließen, das lässt sich natürlich nicht nachweisen. Dass die Finanzwirtschaft für ihre Großzügigkeit aber leer ausgeht, scheint eher unwahrscheinlich.

Das Video zum Beitrag gibt es hier.

http://mediathek.daserste.de/daserste/servlet/content/3133486?pageId=487872&moduleId=432744&categoryId=&goto=1&show=

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Bundesbank zieht angeblich Konsequenzen aus Sarrazin-Äußerungen

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Als Konsequenz aus den Äußerungen Sarrazins, zieht die Bundesbank angeblich Konsequenzen (siehe n-tv). Ihr Skandal-Vorstand darf künftig nicht mehr mit Bargeld spielen. Super Entscheidung. Rausschmeißen stand wohl nicht auf der Sanktionsliste. Wahrscheinlich zu kompetent der Mann.

Da sieht man mal wieder, welche Schutzfunktionen eine ordentliche Ständeordnung in diesem Land zu leisten vermag. Die hässliche Sekretärin wird wegen des Verzehrs eines ihr nicht gehörenden Brötchens des Diebstahls bezichtigt und rausgeschmissen, damit eine junge und hübschere, dem Stand des Gechäftsführers entsprechende, Kraft auf den nun freien Posten befördert werden kann.

Und bei der Bundesbank dürfen hässsliche Vögel wie der Sarrazin fern ihres Aufgabenbereichs Hetzinterviews geben und das elitäre Selbstbewusstsein stolz dem Pöbel vor die Füße werfen. Und zur Strafe für das schäbige, aber offensichtlich nicht unwürdige Verhalten, entzieht man dem Vordenker in Rassenfragen einfach die Verfügungsgewalt über’s Geld.

Welcher Logik folgt das nun? Dem Spruch, Geld verdirbt den Charakter? Dann aber hätte es eine deutliche Reduzierung der Bezüge geben müssen, damit Herr Sarrazin bei einer Dose Ravioli vor dem Fernseher und einem Wollkragenpulover in der kalten Wohnung mal über sich und die Welt da draußen hätte nachdenken können.

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