Schwarz-Gelb und die verfassungswidrige JobCenter-Konstruktion

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Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2007 geurteilt, dass die Bildung der Arbeitsgemeinschaften teilweise gegen das Grundgesetz verstößt. Bis Ende 2010 muss die Verwaltung durch den Gesetzgeber neu organisiert und Zuständigkeiten klar geregelt werden. Und was plant der Tigerentenclub in Bezug auf die beanstandete Mischverwaltung von Bund und Kommunen? Man will es sich ganz einfach machen und die Zusammenarbeit von Kommunen und Arbeitsagenturen bei der Betreuung der Langzeitarbeitslosen formal beenden. Damit entspräche man den Vorgaben der Verfassungsrichter. In Zukunft könnte es dann wieder so sein, dass die Empfänger von Arbeitslosengeld II zwei oder mehr Bescheide erhalten. Einen für die Grundsicherung von der Agentur für Arbeit und einen für die Kosten der Unterkunft von der kommunalen Verwaltung zum Beispiel.

Ein Rückschritt, findet der Paritätische Wohlfahrtsverband in seiner heutigen Pressemitteilung.

Als „faulen Kompromiss“ bezeichnet der Paritätische Wohlfahrtsverband die in den Koalitionsverhandlungen in Rede stehende Strukturreform bei Hartz IV. Der Verband warnt davor, das Prinzip der „Hilfen aus einer Hand“ und damit das einzig positive Kernstück von Hartz IV auf Kosten der Betroffenen aufzugeben.

„Die Wiedereinführung der getrennten Aufgabenwahrnehmung wäre das schlichte Eingeständnis, dass man sich nicht einigen konnte und an diesem Punkt in den Verhandlungen gescheitert ist“, so Geschäftsführer Werner Hesse. Würde der vorliegende Kompromiss umgesetzt, wäre das mit massiven Verschlechterungen für die Arbeitslosen verbunden. „Wenn sich dieser Vorschlag durchsetzt, geht der Ämterlauf wieder los und die Betroffenen stehen mit zwei oder mehr Bescheiden von verschiedenen Behörden da. Mit individueller Förderung und passgenauen Hilfen im Sinne einer nachhaltigen Arbeitsmarktpolitik hat das nichts zu tun“, kritisiert Hesse.

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Die Überlegungen zum Gebührenstaat nehmen Formen an

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Der Tigerentenclub in Berlin hat ein Problem, die Staatsfinanzen. Die sehen ja aus Sicht der FDP überraschend schlecht aus. Da aber die verprochenen Steuersenkungen unbedingt sein müssen, der Staat also auf noch mehr Einnahmen verzichten soll, stellt sich natürlich die Frage, wie man das kompensieren kann. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer fällt zunächst einmal raus, da das im Vorfeld immer wieder ausgeschlossen wurde. Doch eine andere absehbare Schweinerei nimmt immer deutlichere Konturen an. Der Gebührenstaat soll ausgebaut werden. Nachdem der Hannoveraner FDP-Mann Döring bereits eine PKW-Maut für die Benutzung von Autobahnen ins Spiel gebracht hat, soll nun auch das Steuerprivileg in der kommunalen Daseinsvorsorge gekippt werden.

Bisher müssen die öffentlich geführten Unternehmen, die in den Bereichen der Entsorgungswirtschaft tätig sind, keine Mehrwertsteuer abführen. Ein Vorteil gegenüber den privaten Mitbewerbern. Das wollen die Schwarz-gelben Schnösel nun ändern und der volle Mehrwertsteuersatz soll auch für die kommunalen Unternehmen gelten. Die BWLer von FDP und Union rechnen mit Steuermehreinnahmen in Höhe von vier Mrd. Euro. Durch die Hintertür würden sich dann aber auch die Gebühren für Abfall und Abwasser im Schnitt um 12 bis 20 Prozent erhöhen. Die Liberalen begründen den Schritt auch noch damit, dass somit gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt würden, die dafür sorgen, dass die Entsorgung effizienter und Gebühren nicht steigen würden.

Mal sehen, was sich der kranke Haufen noch alles einfallen lässt.

Quelle: Stern

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Eine private Zwangs-Pflegeversicherung

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Da hat sich der Tigerentenclub ja was Tolles ausgedacht mit der privaten Zwangs-Pflege-Zusatzversicherung. Arbeitnehmer sollen künftig einen Beitrag von ihrem Einkommen an eine private Versicherungsgesellschaft abführen, um für’s Alter vorzusorgen. Die Medien begleiten das Thema durchaus kritisch, aber unter völlig falschen Annahmen. Kritisiert wird nämlich nur der Bruch des Wahlversprechens „Mehr Netto vom Brutto“. In der Neuen Presse Hannover kommentiert heute Udo Harms. Sein Text trägt die bezeichnende Überschrift „Zwangsabgabe statt mehr Netto“. Darin stellt Harms fest, dass das bisherige Modell der Umlagefinanzierung bei Union und FDP auf wenig Gegenliebe stoße. Dort setze man statt dessen lieber auf Privatisierung und Kapitalbildung. Mit Blick auf die einseitige Zwangsabgabe für Arbeitnehmer fragt Harms dann aber:

„Rätselhaft bleibt, warum nicht einfach beide Seiten, Beschäftigte und Arbeitgeber, gemeinsam mehr zahlen sollen.“

Falsch, denn rätselhaft bleibt, warum es eine Privatversicherung sein muss. Was unterscheidet eine private Absicherung des Pfegerisikos von einer gesetzlichen? Das ist die entscheidende Frage, der sich die Redaktion der Neuen Presse mal wieder konsequent verweigert. Denn Harms dreht im Grunde nur die Lügenstory weiter, die der PR-Agent Christoph Slangen vor gut einer Woche geliefert hat (siehe hier). Am vergangenen Freitag hatte Slangen eine Allensbach-Umfrage im Auftrag der Marseille-Kliniken, eine Aktiengesellschaft, die Alten- und Pflegeheime betreibt, präsentiert, aus der hervorgeht, dass jeder Zweite Angst davor habe, später einmal zum Pflegefall zu werden. Ganz konkret wurde zum Umfrageergebnis folgender Satz gleich mitgeliefert:

„Aber nur zwölf Prozent sorgen zusätzlich zur gesetzlichen Pflegeversicherung noch privat vor.“

Slangen nutzte diese von wirtschaftlichen Interessen geleitete Umfrage, um Werbung für die private Pflegeversicherung zu machen und seine Leser auf kommende angeblich alternativlose Schritte der neuen Regierung einzustimmen. Er schrieb unter dem Titel Gute Versorgung wird teurer werden folgenden Absatz:

„Dass drei Viertel der Befragten fürchten, nicht ausreichend versorgt zu sein, spiegelt die Realität wider: Die Pflegeversicherung war nie eine Rundum-Leistung. Wer im Alter auf einen Heimplatz mit stationärer Versorgung angewiesen ist, muss zumeist privat Geld zuschießen, nur notfalls springt der Staat ein. Die neue schwarz-gelbe Koalition wird wohl auf mehr private Finanzierung setzen, um das derzeitige Versorgungsniveau in Zukunft zu halten. Die Pflege wird teuer für den Einzelnen.

Udo Harms beginnt mit derselben Botschaft seinen heutigen Kommentar:

„Drei Viertel aller Deutschen haben Angst davor, einmal ein Pflegefall zu werden. Und die meisten fühlen sich von der Politik allein gelassen. Jetzt will die neue Koalition handeln. Ihr Rezept: Die Arbeitnehmer sollen mehr privat vorsorgen. Die Grundeinsicht ist richtig: Die Pflegeversicherung wird langfristig nicht mit ihrem Geld auskommen. Da immer mehr alte Menschen immer weniger jüngeren Beschäftigten gegenüberstehen, ist klar, dass die Kosten stetig steigen werden – während die Einnahmen eher sinken.“

Hier sehen sie beispielhaft, wie unsere Medien Meinungsmache betreiben und gezielt manipulieren. Die Ergebnisse der Allenbach-Umfrage, die nachgewiesenermaßen eine unseriöse und damit falsche Quelle ist, fließen bei Harms als feststehende Fakten ein. Der Leser wird gar nicht mehr darüber aufgeklärt, sondern mit einer Scheinwahrheit konfrontiert.

  • Irreführung Nr.1: Private Vorsorge sei richtig, da die gesetzlichen Sozialsysteme kein Geld mehr hätten.
    Für die Pflegeversicherung stimmt das nicht. In den Kassen existieren gegenwärtig Überschüsse. Für das Jahr 2009 wird bisher ein Plus von einer halben Milliarde verzeichnet. Bis Ende des Jahres rechnet man mit 800 bis 900 Millionen Euro Überschuss. Die Rücklage würde dann 4,7 Mrd. Euro betragen. Mitten in der Wirtschaftskrise behauptet sich die gesetzliche Sozialversicherung. Gegenwärtig gibt es also kein Finanzierungsproblem.
  • Irreführung Nr.2: Die Bevölkerung wird immer älter. Weniger jüngere Menschen würden sehr viel mehr älteren Menschen gegenüberstehen, damit sei klar, dass die Kosten steigen und die Einnahmen sinken.
    Was ändert nun der angeblich „richtige Weg“ Privatisierung an der demografischen Entwicklung? Auch bei der privaten Versicherung werden Beiträge eingesammelt und umverteilt und zwar unter denselben demografischen Bedingungen. Das Demografieargument ist also eine totale Lachnummer und begründet überhaupt nicht, warum man von dem gesetzlich betriebenen und günstigen Umlagesystem auf ein renditegesteuertes Verteilungssystem umsteigen sollte. Wie Harms mit seiner Überschrift ja selbst beweist, steigen auch mit der privaten Zwangsversicherung die Beiträge. Wem nutzt also der Systemwechsel wäre die Frage, die sich einem Journalisten „zwangsläufig“ stellen müsste.

Udo Harms führt also ein Gefecht am eigentlichen Thema vorbei. Statt sich die Frage zu stellen, warum die kapitalgedeckte Vorsorge in einer Zeit sinnvoll sein soll, in der die Gesellschaft auf schmerzliche Weise erfährt, was es heißt, für eine Finanzkrise, die am Kapitalmarkt entstanden ist, bezahlen zu müssen, trällert Harms fröhlich weiter das Lied der Privatisierung der Sozialsysteme. Wahrscheinlich baut er auf die Regulierungsabsichten des Tigerentenclubs. Wissen sie, wann die da das erste Mal bei ihren Koalitionsverhandlungen darüber gesprochen haben? Gestern! Ergebnis? In Zukunft soll die Bankenaufsicht bei der Bundesbank konzentriert werden. Einzelheiten? Fehlanzeige.

Ausgerechnet bei der Bundesbank. Da erscheinen Thilo Sarrazins Äußerungen doch in einem ganz anderen Licht. Vielleicht ein Ablenkungsmanöver? Schließlich hätte Axel Weber, die Veröffentlichung des unsäglichen Interviews verhindern können, wie der Spiegel herausfand. Er tat es aber nicht. Warum nur?

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