Eine schöne Analyse der drei Landtagswahlen finden sie wie immer auf den NachDenkSeiten. Wolfgang Lieb begründet anhand der Ergebnisse einmal mehr die These, dass eine höhere Wahlbeteiligung nur dann erreicht werden kann, wenn auch politische Alternativen im Vorfeld angeboten werden.
„Die unterschiedlichen Wahlbeteiligungen sind ein Beleg für die These, dass die Wählerinnen und Wähler sich überall dort, wo sie eine realistische Chance für einen Politikwechsel sehen, mobilisieren lassen und vermehrt zur Wahlurne gehen.“
In Sachsen zum Beispiel gab es diese Alternative nicht. Die SPD dort ruhte sich auf der bisherigen Regierungsbeteiligung aus und fuhr eine Kampagne gegen schwarz-gelb. Selbst bot man aber nichts an, wie im übrigen auch die Bundes-SPD, die einen ähnlichen Wahlkampf betreibt, wie die SPD in Sachsen. Die Wahlbeteiligung sank demnach auch um sieben Prozent auf einen historischen Tiefstand von 52,2 Prozent.
Infolge dessen ist es auch nicht verwunderlich wenn die NPD abermals flächendeckend über die Fünf-Prozent-Hürde kommt. Denn je weniger Menschen zur Wahl gehen, desto höher schlägt sich der Stimmenanteil für die NPD im Endergebnis nieder. Auch darüber sollte die Wahlkampfführung der SPD in Sachsen einmal nachdenken. Schwarz-gelb nicht verhindert und der NPD zum Wiedereinzug verholfen – tolle Bilanz. An Sachsen kann man auch sehr schön sehen, wie es für Herrn Matschie in Thüringen enden kann, wenn er die Wähler nun betrügen sollte und Althaus zum Ministerpräsidenten wählt. In den Medien wird die Große Koalition für Thüringen bereits unter dem Stichwort „Ypsilanti-Falle“ ins Spiel gebracht.
Gestern habe ich ja schon den absurden Auftritt von Matschie zu beschreiben versucht, als ihm die Frage nach einem rot-roten Bündnis wieder und wieder gestellt wurde. Matschie betonte jedesmal, dass er das macht, was er vor der Wahl gesagt hat. Er will seine Inhalte umsetzen, die deckungsgleich zu jenen von Linkspartei und Grünen sind, aber keinen Ministerpräsidenten aus der Linkspartei wählen. So eine strategisch bornierte Haltung kapiert kein Mensch. Dennoch erklären Politikwissenschaftler wie Peter Lösche diese beknackte Ausgangslage so:
„Es kommt sehr auf die Koalitionsfindung in Thüringen an: Dort darf die SPD nicht in die Ypsilanti-Falle hineinlaufen. Eine Zusammenarbeit mit der Linken, ohne den Ministerpräsidenten zu stellen, hat die SPD dort ausgeschlossen. Ein Wortbruch wie in Hessen wäre schädlich für Frank-Walter Steinmeier.„
Schon wieder das Wortbruch-Gerede. Anstatt zu fragen, warum die SPD sich überhaupt solche Fußfesseln anlegen muss, wenn man gleichzeitig eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht mehr ausschließt, konstruiert der Wissenschaftler nun wieder eine Tugend aus dem bloßen Einhalten eines Versprechens, das in der Konsequenz die Umsetzung der inhaltlichen Ziele von SPD und Grünen gefährdet. Und damit auch die Option einer politischen Alternative. Laut Lösche würde ein absehbarer Verlust an Glaubwürdigkeit allein aus der Tatsache des Wortbruches entstehen, nicht aber daraus, dass die SPD wie auch die Grünen abermals ein Zustandekommen einer politischen Alternative verhindern, weil personelle Fragen wichtiger sind als inhaltliche.
Wolfgang Lieb ordnet übrigens die gestrigen Jubelschreie im Willy Brand Haus ähnlich ein wie ich:
„Die Beschönigung von Wahlergebnissen durch Müntefering und Steinmeier ist man seit der endlosen Kette von Wahlniederlagen inzwischen gewöhnt, der Jubel in der SPD-Parteizentrale über den gestrigen Wahlausgang kann angesichts der Fakten nur noch aus Wahnvorstellungen gespeist sein. Man feiert die Verluste der Union so, als habe man davon profitiert, und man verdrängt offenbar, dass man selbst nicht aus dem Tief herauskommt.
Offenbar ist das einzige Wahlziel der SPD nur noch die Verhinderung von Schwarz-Gelb. Schwarz-Gelb ist in Deutschland nicht gewollt posaunt Steinmeier hinaus und will daraus Honig saugen. Er unterschlägt dabei allerdings, dass eine Große Koalition aus CDU und SPD nach allen Umfragen noch viel weniger gewollt ist.“
So steht dann auch abschließend zu befürchten, dass die Bundes-SPD aus ihren wahnhaften Zustand nicht mehr erwachen wird. Die Bundestagswahl wird unter dem Eindruck der Alternativlosigkeit stattfinden. Denn jeder Mensch bei klarem Verstand weiß, dass die SPD ohne die linke Option nur die Große Koalition erreichen kann und das auch so will. Steinmeier spielt auf Platz, weil er die Linke auf Bundesebene nicht für koalitionsfähig hält. Unter anderem begründet die SPD-Führung das ja mit dem Nein der Linken zu Kriegseinsätzen und der Ablehnung des EU-Reformvertrags.
Wenn ihnen, liebe Leserinnen und Leser ein SPD-Wahlkämpfer mit dieser Begründung kommt, fragen sie ihn doch mal, was die Ablehnung von Kriegseinsätzen und des EU-Reformvertrages beispielsweise mit der Durchsetzung des Mindestlohnes zu tun hat. Den will die SPD doch unbedingt haben. Dafür bräuchte es aber keinen Koalitionsvertrag mit der Linkspartei, sondern einfach nur die Zustimmung der aktuellen Parlamentsmehrheit in den verbleibenden vier Wochen der Legislaturperiode. Mit der CDU wird es keinen Mindestlohn geben, sondern wie die SPD richtig auf ihren Wahlplakaten schreibt – Dumpinglöhne würden CDU wählen.
Warum, also zum Teufel, verabschiedet man keinen Mindestlohn im Bundestag? Es kann der SPD doch nun egal sein, ob sie Koalitionsbruch begeht und ein Gesetz beschließen, dass rund 70 Prozent der Bevölkerung wollen. Eine solche günstige Mehrheit für ihr Programm kriegen sie doch nie wieder…
AUG