Beide stehen auf Platz eins der Sommerhitparade. Kein ungleiches Paar, wie es auf den ersten Blick scheint, sondern Produkte von Kampagnen und andauernder Meinungsmanipulation. Anfangen will ich mit der Schweinegrippe. Schon wieder, aber es muss sein. Am Freitag lief im ZDF-Mittagsmagazin ein ganzer Schwerpunkt zum Thema Schweinegrippe mit hysterischen Zügen. Da wurde über Fußball und Urlaub gesprochen. Das man nicht aus einem Sangriastrohhalm am Ballermann trinken oder nicht die Finger benutzen sollte, um den Aufzug zu holen und lieber in die Armbeuge husten respektive nießen sollte, um andere nicht zu gefährden. Untermalt wurde die Panikmache mit dem Chefideologen der Schweinegrippe vom Robert Koch Institut Jörg Hacker und Sätzen wie, Panikmache und Hysterie seien natürlich unangebracht.
Dann gab es aber auch noch ein Gespräch zwischen der Studiomoderatorin, deren Namen ich vergessen habe und einem Wissenschaftler, dessen Namen ich gerne für sie nachschaue. Professor Sucharit Bhakdi, Virologe an der Universität Mainz, hat dem ganzen Medienhype nüchtern die hysterische Note genommen.
„Wenn sie krank werden, werden sie halt krank und dann werden sie nach einer Woche wieder gesund!“, fügte er süffisant auf die wirklich dämlichen Fragen der Moderatorin an.
Wenn sie Lust haben, gucken sie sich die Sendung mal an. In der Neuen Presse Hannover ist es heute ganz schlimm. Rasmus Buchsteiner schreibt in seinem Kommentar bibbernd „Die Impfaktion kommt zu spät“. Panikmache pur.
„Doch breitet sich der Erreger weiter aus wie in den letzten Tagen, steht Deutschland vor einer Grippewelle von ungeahntem Ausmaß. Die geplante Impfaktion kommt zu spät, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Es ist daher wohl nur noch eine Frage der Zeit, dass die ersten Menschen auch hierzulande an der Krankheit sterben werden.“
Zunächst einmal stirbt an einer Grippe kein Mensch, darauf deutet allein schon die Tatsache hin, dass offizielle Stellen wie die WHO „Grippetote“ immer nur schätzen und nie genaue Zahlen angeben können. Die Menschen sterben an begleitenden Krankheiten, die infolge der Schwächung des Immunsystems leichter auftreten können, wie die Lungenentzündung. Die war zum Beispiel die Haupttodesursache bei den Menschen, die zwischen 1918 und 1920 der Spanischen Grippe zum Opfer fielen. Übrigens auch der Erreger A/H1N1. Es ist geradzu eine Volksverdummung wenn Journalisten schreiben, dass Menschen infolge einer Grippeerkrankung sterben könnten. Das war schon immer so. Jedes Jahr sind es Tausende. Man braucht nur die Schätzungen einmal nachschlagen. Das interessierte bisher nur keinen.
Dieses Jahr ist es mal wieder soweit. Die Schweinegrippe klingt nach Rinderwahn und Vogelgrippe wie eine logische Fortsetzung. Es passt auch so schön. Gerade jetzt in der Weltwirtwschaftskrise, in der alles nach unten rauscht, besteht die Gefahr, dass die Menschen möglicherweise enger zusammenrücken könnten. Dagegen muss man was tun. Mit der Schweinegrippe schafft man deshalb einen Schurken und zur Beruhigung der ängstlichen Masse liefert man den Helden gleich mit. Freiherr Karl Theodor zu Guttenberg. Unser neuer Held. Kometenhafter Aufstieg aus dem Nichts mit nichts und durch nichts. Einfach so.
Mit Guttenberg ist auf dem Gipfel betitelt Petra Rückerl heute ihren Leitkommentar auf Seite 1 der Neuen Presse Hannover. Und was dann kommt, lässt sich mit Schweinegrippe, Vogelgrippe und Rinderwahn zusammen gar nicht erklären.
„Man muss den smarten Baron aus Bayern nicht mögen. Pomade auf dem Kopf, manchmal eine Spur zu glatt, einer, dem man anmerkt, in welch gutem Stall er geboren wurde. Aber man kann ihn als einen Politiker achten, der seinen eigenen Kopf hat und sich eben nicht automatisch der Parteiräson unterwirft.
Seine Rolle im Fall Opel, bei Karstadt und Quelle war für den Neuzugang beachtlich. Da ging es nämlich nicht um die vermeintliche Wählerklientel, sondern darum, Politik mit gesundem Menschenverstand zu machen. Steuergelder ohne Überprüfung verschleudern? Subventionsirrwegen weiterhin folgen? Der 37-Jährige stellt diese Politik in Frage wie ein großer Teil der Wähler übrigens auch.
Dass der Baron nun mit dem ersten Platz im Politbarometer geadelt wurde, hat sicher auch mit der unaufgeregten geraden Art zu tun, mit der er seinen Job macht. Davon könnte sich so mancher Kollege ein Stück abschneiden. Vor allem im Wahljahr.“
Eine Journalistin unter Drogen, die an geistiger Verwirrung leidet oder schlicht verrückt geworden ist? Ich weiß es nicht. Mit gesundem Menschenverstand lässt sich dieser irrationale Müll jedenfalls nicht erklären. Zu Guttenberg ist ein Produkt von permanenter öffentlicher Präsenz. In den letzten Wochen guckte mich das Gesicht von mindestens ein Dutzend Titelseiten an. Überall Interviews und großzügiger Platz in den Gazetten dieses Landes. Was war wohl zuerst da. Die Henne oder das Ei? Dass man derart über die Tatsache hinwegschreitet, dass zu Guttenbergs Zustimmung vor allem ein Ergebnis der eigenen PR-Arbeit für ihn ist, kann man ja noch verstehen. Aber dass man nicht mal mehr in der Lage zu sein scheint, die Fakten zu betrachten, stimmt sehr ängstlich.
Bis heute zum Beispiel hat die Neue Presse keine Korrektur ihrer Falschmeldung vom 10.02.2009 über den „Wilhelm“ im Namen des „von und zu“ vorgenommen. Wie zahlreiche andere Medien wurde diese Falschmeldung einfach ungeprüft weitergegeben. Ferner wird so getan, als sei das politische Wirken des Wirtschaftsministers besonders wertvoll, weil er sich gegen die Linie seiner Partei stellt. Dass dahinter ein parteitaktisches Kalkül stecken könnte, wird nicht in Erwägung gezogen. Auch wird so getan, als sei die Weigerungshaltung zu Guttenbergs im Fall Opel und Karstadt erstens vernünftig und zweitens auch im Sinne des Wählers gewesen. Beides ist grober Unfug. An Karstadt/Quelle konnte man sehr schön die Doppelstrategie der Union studieren und im Fall Opel die Konzeptionslosigkeit einer Regierung, die keine Ahnung hat, wie man auf eine Wirtschaftskrise diesen Ausmaßes überhaupt reagieren soll.
Noch immer wissen die Opelaner nicht wie es weitergeht. Es wird gerade wieder geprüft im Bundeswirtschaftsministerium. Vergessen scheint auch bereits das Fotoshooting in New York. Außer mit einem aufpolierten Image kam zu Guttenberg mit absolut gar nichts zurück. Ich finde ja, der Zoll sollte bei der Einreise von Politikern eine Freigrenze einführen wie das bei Waren der Fall ist. Bei Überschreitung eines bestimmten Imagequotienten sollte die betreffende Person umgehend zur Kasse gebeten oder noch besser dazu gezwungen werden, die Überschreitung der Toleranzgrenze eigenmächtig rückgängig zu machen.
Indem man zum Beispiel etwas aus seiner Vergangenheit, zu seinem Werdegang oder zu seinen Seilschaften verrät. Denn im Fall zu Guttenberg erfährt man aus den Medien kaum etwas darüber. Dort wird er immer noch als Mann mit Wirtschaftserfahrungen vorgestellt. Eine glatte Lüge. Das Magazin ZeitGeist-Online hat aus diesem Grund ein Dossier erstellt, das in einer Serie veröffentlicht wird. Auch wenn sie wie ich solche langen Texte nicht unbedingt mögen, in diesem Fall würde ich ihnen empfehlen, einen Blick hinein zu werfen. Im ersten Teil befasst sich Autorin Friederike Beck mit dem Werdegang zu Guttenbergs und seine Einbindung in Organsisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, seine Berufung in einen der wichtigsten Ausschüsse des Deutschen Bundestages, in den Auswärtigen Ausschuss, der die Regierung nicht einfach nur berät, sondern defacto Entscheidungen fällt. Hoch interessante Lektüre. Allemal besser als der Quatsch über die Schweinegrippe…
JUL