Carstensens Eingeständnis: Er sei ein bisschen flott gewesen

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Ach wie süß. Der Peter Harry, der Bodenständige, der Knuddeltyp aus dem schönen Land Schleswig-Holstein. Kann so ein armer Töpel ein gerissener Lügner und Betrüger sein? Ja, aber natürlich. Lassen sie sich nicht täuschen. Ersmals gesteht Carstensen nämlich ein, bzgl. der Sonderzahlung an HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher etwas geflunkert zu haben. Bei Spiegel Online finde ich gerade folgende Passage:

Im Zusammenhang mit der umstrittenen Sonderzahlung an HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher hat Carstensen eingeräumt, er sei möglicherweise über eine Formulierung in dem Brief an Parlamentspräsident Martin Kayenburg (CDU) „ein bisschen flott hinweggegangen“, sagte Carstensen am Sonntag in Kiel.

In dem Brief hieß es, der Präsidialausschuss der Bank habe die Boni in Höhe von 2,9 Millionen Euro „mit vorherigem Einverständnis der Spitzen der Landesregierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein“ sowie den Spitzen der Regierungsfraktionen beschlossen. Carstensen sagte, er sei jedoch von Zustimmung der Fraktionsspitzen ausgegangen, weil er keine anderslautenden Signale gehabt habe.

Mit anderen Worten: Carstensen hat glatt gelogen und Ralf Stegner mit seinem Vorwurf recht, dass der Millionenbonus ohne Wissen der SPD gezahlt worden ist. Wie man also aus einem groben Fehlverhalten des Regierungschefs nun immer noch eine konstruierte Situation aufrecht erhalten kann, in der es so scheint, als sei die Kritik des Koaltionspartners am Alleingang des Regierungschefs Auslöser für eine Regierungskrise, ist doch absurd. Carstensen muss zurücktreten.

Das sieht übrigens auch der ehemalige Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) so. Er sagt, dass das Erzwingen einer Neuwahl am 27. September 2009 deshalb mit Nachdruck betrieben würde, um die Menschen über das tatsächliche Ausmaß der HSH-Nordbank-Krise zu täuschen.

Marnette: „Ich fürchte, die bereits gewährte Kapitalspritze wird nicht reichen. Die HSH wird auch die Garantiesummen von Schleswig-Holstein und Hamburg teilweise oder sogar ganz in Anspruch nehmen müssen“

Quelle: SpOn

Dennoch läuft die Medienkampagne auf Hochtouren. Infratest dimap will schon herausgefunden haben, dass eine Mehrheit der Schleswig-Holsteiner die vorzeitige Auflösung des Landtages befürworte. Ferner habe ein schwarz-gelbes Bündnis derzeit gute Chancen. Wenn jetzt gewählt würde, bekäme die CDU zwar weniger Zustimmung, aber die FDP reiße das mit einem Traumergebnis um die 15 Prozent heraus.

Das muss man sich mal vorstellen. Ausgerechnet die FDP soll es dann richten. Wolfgang Kubicki, Fraktionschef der FDP in Schleswig-Holstein, sagt zum HSH-Nordbank-Desaster.

„Das Problem der HSH-Nordbank ist in der Tat schlecht gemanagt worden. Das wäre mit der FDP nicht passiert.“

Quelle: Tagesspiegel

Das ist doch kein Management-Problem, sondern schlichtes Versagen. Es gab klare Vorgaben des SoFFin, die durch spezielle Landesvorgaben außer Kraft gesetzt wurden. Das ist eine bewusste Tat. Und die FDP will so etwas verhindern können? Da träfe man doch die eigene Klientel. Offenbar konnten ja nicht mal die Grünen in Hamburg etwas gegen das Vorgehen ihres Koalitionspartners CDU unternehmen. Kubicki fordert außerdem einen Untersuchungsausschuss nach einer Neuwahl.

„Die FDP und die anderen Oppositionsfraktionen haben klargemacht, dass es unter jeder politisch denkbaren Konstellation, die nach einer Wahl ins Amt kommt, einen HSH-Untersuchungsausschuss geben wird.“

Wieso erst nach der nächsten Wahl? Irgendwie kann ich nicht daran glauben, dass es in solch einem Gremium um Aufklärung gehen könnte. Schon allein die Vorstellung, dass Lügenbold Carstensen mit Kubicki am 27. September freudestrahlend in die Kameras winkt und das klare Votum des Wählers für sich reklamiert, ist geradezu grotesk.

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Neue Presse Hannover: Interview mit einer "Optimistin im Börsendschungel"

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In der Wochenendausgabe der NP erscheint ein Interview mit der Geschäftsführerin der Niedersächsischen Börse zu Hannover Sandra Lüth. Sie ist Deutschlands erste Börsenchefin. Die 32 Jährige hält strengere Regulierungen der internationalen Finanzmärkte für weniger gut.

„Aktuell werden die alten Regulierungsgrundlagen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene in Frage gestellt. Der Wunsch besteht bei vielen Beteiligten, dass mit strengeren Regeln jeder zukünftigen Krise vorgebeugt werden kann. Dieses Ziel zu erreichen, ist aus meiner Sicht schwierig und vielleicht auch nicht realistisch.“

Aha. Also weiter wie bisher? Das fragen die drei Interviewer Chefredakteur Harald John, Politikchef Udo Harms und Redakteurin Inken Hägermann natürlich nicht. Aber man kann nicht sagen, sie hätten nicht versucht, irgendetwas Substanzielles über die Finanzmarktkrise von Frau Lüth zu erfahren. Hier einige Beispiele:

NP: In welchem Stadium der Krise bewegen wir uns?
Lüth: Ich bin kein Analyst, daher kann ich auch nur Meinungen zusammentragen, und die gehen derzeit sehr stark auseinander… Unterschiedliche Meinungen werden diskutiert, die ich mit Spannung verfolge. Ich bin gern ein optimistischer Mensch und hoffe natürlich, dass die Krise bald überstanden ist.
NP: Das schnelle Geld, die hohe Rendite, ist in Zeiten der Finanzkrise in Verruf geraten. Was denken Sie darüber?
Lüth: Wenn man dieser Krisenzeit überhaupt etwas Gutes abgewinnen kann, dann vielleicht das Hinterfragen von bestimmten Strukturen in der Finanzwelt, aber auch ein aufgeklärter Umgang mit Anlageprodukten. Ich habe aber die Befürchtung, dass viele auf der Suche nach Rendite ein mögliches Risiko verdrängen. Genau dessen müssen sich Anleger aber bewusst sein, dass eben hundertprozentige Sicherheit und höchste Rendite nicht zu vereinen sind…
NP: Es heißt häufig, dass eine der Hauptursachen der Krise die Gier der Banker und Börsenhändler gewesen sei.
Lüth: Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann aber sagen, dass unsere Börsen in jedweder Krisenzeit stets funktioniert haben…

In Sachen PR hat sie viel drauf, aber kann man nach diesem Interview wirklich behaupten, hierbei handele es sich um eine Optimistin im Börsendschungel. Eine Ahnungslose trifft es nach diesen Antworten doch eher?

Entsprechende Werbung darf natürlich auch nicht fehlen. Da ist mir eine Antwort besonders aufgefallen. Oben hat sie ja behauptet, dass es stärkerer Regularien an den Börsen nicht unbedingt bedarf und das vor allem die Anleger Schuld seien, dass sie ihr Geld verloren haben, weil sie halt das bestehende Risiko ausblendeten. Sie selbst habe auch ein geringes Lehrgeld zahlen müssen. Aber auf die Frage, wozu man eigentlich Regionalbörsen braucht, antwortet sie…

„Es gibt in Deutschland sieben Regionalbörsen, die miteinander wetteifern. Und Wettbewerb bringt für Anleger Vorteile. Die Börsen Hamburg und Hannover sind besonders innovativ, wenn es darum geht, Mehrwerte für Anleger zu schaffen. So haben wir 2002 an der Börse Hamburg den Fondshandel etabliert. Privatanleger können sekundenschnell Fonds kaufen oder verkaufen – und dies ganz ohne Ausgabeaufschlag.

Jetzt hätte bloß noch die Bemerkung, „ganz ohne Risiko“, gefehlt. Sie schwärmt dann noch von provisionsfreien Aktienkäufen bis 5000 Euro und quittiert diese in ihren Augen attraktive Handelsbedingung mit den Worten:

„Ein klarer Kostenvorteil!“

Sind klare Kostenvorteile nicht Auslöser der Krise? Na ja, warum sollte das überhaupt jemanden auf dem Parkett interessieren. Was zählt, ist der Index. Deshalb fragt die NP auch nach einer Prognose der Expertin, wie hoch denn der Dax am Ende des Jahres stehen würde. Die Antwort ist toll.

„Hmmm. Wenn man bedenkt, dass an der Börse auch Stimmungen und Erwartungen „gehandelt“ werden, bin ich verhalten optimistisch und hoffe, dass der Dax-Stand höher sein wird als heute.“

Ich als Leser frage mich da immer wieder, was die Höhe des Daxes für eine Aussagekraft hat, wenn nicht die über blühende Geschäfte der Spekulanten. Heute ist bekannt, dass die Vervierfachung des Dax-Wertes zwischen 1995 und dem März 2000 überhaupt nicht mit dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Einklang zu bringen war. Schon damals hat man sich ordentlich verzockt und die rot-grüne Regierung musste bereits im Jahr 2003 über die Bildung einer Bad-Bank nachdenken. Die HypoVereinsbank verlagerte im gleichen Jahr ihre schlechten Risiken auf die neu gegründete Hypo Real Estate aus, die einige Stunden nach dem Ablauf der Haftungspflicht für den Alteigentümer HypoVereinsbank am 29. September 2008 durch den Finanzminister Peer Steinbrück eine Ausfallbürgschaft versprochen bekam, für die der Steuerzahler aufzukommen hat.

Mit der Agenda 2010 Politik vollzog man in meinen Augen das größte Geldbeschaffungsprogramm der Geschichte für das Finanzmarktkasino. Unter dem Motto des ökonomischen Sachzwanges wurde eine Politik betrieben, die es zulies, dass die Gewinne aus der Produktivitätssteigerung nicht mehr in Form von Lohn- und Gehaltssteigerungen oder Investitionen zurück in den Wirtschaftskreislauf flossen, sondern auf dem Parkett der großen Finanzplätze landeten, zu dem Deutschland nach Auffassung Steinbrücks unbedingt gehören sollte. Mit dem Riesterrentenquatsch spühlte man der Versicherungsbranche noch weitere Milliarden zu.

Angesichts dieser Fakten ist es gerade zu ein Skandal, wenn sich eine 32 Jährige Börsenchefin hinsetzt und über Bauchgefühle und den richtigen Riecher philosophiert wenn es um die Anlageentscheidung geht oder die simple Formulierung raushaut:

„Aber das ist Börse: Jederzeit ist ein Auf und Ab möglich. Letztendlich kann niemand für einen bestimmten Tag einen bestimmten Kurs für das Wertpapier voraussagen – was auch gut ist.“

Die vielen Riestersparer in der Republik wird so eine schlichte Sicht er der Dinge sicher beruhigen. Das Börsenparkett als Spielfläche für immer jüngere Zocker, die es offenbar anturnt im Auf und Ab der Indizes einen besonderen Kick zu erleben. Zum Ausgleich geht man dann ein wenig Joggen.

„Schuhe an und los. Das ist ein sehr schönes Hobby, es macht den Kopf frei und die Gedanken etwas lockerer. Im kommenden Jahr möchte ich einen Halbmarathon hier in Hannover laufen.“

Na dann viel Erfolg.

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