…diese konsequent durchzuhalten fällt zunehmend schwerer. Nachdem Udo Harms schon gestern einen ziemlichen Bock zum Thema Konjunkturpaket II geschossen hat, meldet er sich heute wieder auf Seite 1 mit einem Leitkommentar zu Wort. Diesmal zu den Arbeitsmarktdaten.
„In den vergangenen Monaten hat sich der Arbeitsmarkt sehr robust gezeigt, […] Der Job-Boom ist vorbei. Beunruhigend ist nicht nur der aktuelle Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Auch die Kurzarbeiter-Zahlen sind drastisch hochgeschnellt. Viele Firmen haben ihre Mitarbeiter zudem in Zwangsurlaub geschickt. Und zehntausende Leiharbeiter mussten Ende des vergangenen Jahres gehen. Inzwischen geraten auch Zeitarbeitsfirmen in Not.“
Wie kann man eigentlich schreiben, der Arbeitsmarkt sei robust gewesen, wenn man gleichzeitig zur Kenntnis nehmen muss, dass nun vor allem zehntausende Leiharbeiter auf die Straße gesetzt werden und damit auch Zeitarbeitsfirmen in Not geraten? Schöner kann man eigentlich nicht das Scheitern der sog. „Reformen“ beschreiben. Denn die entlassenen Leiharbeiter kriegen ja nicht mal das verlängerte Kurzarbeitergeld, sondern die sichere Gewissheit, zeitnah in Hartz IV zu landen. Wie kann man also von einem vorausgegangenen Job-Boom sprechen, wenn Harms weiter unten über die Verlängerung des Kurzarbeitergelds schreibt, dass diese Maßnahme im Grunde nur Arbeitslosigkeit verdecke? Hat denn dann Leiharbeit keine Arbeitslosigkeit verdeckt und die Statistik geschönt?
Aber Harms vergisst natürlich auch wieder bewusst eine Menge wichtiger Fakten. Die NachDenkSeiten haben dankenswerterweise mal aus dem aktuellen Arbeitsmarktbericht aufgelistet, worin dieser angebliche „Job-Boom“ eigentlich bestand.
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
- Im Juni waren 27,46 Mio. Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 603.000 oder 2,2 Prozent mehr als vor einem Jahr.
- Dabei nahm die Vollzeitbeschäftigung um 373.000 oder 1,7 Prozent auf 22,44 Mio. zu, während die Teilzeitbeschäftigung um 230.000 oder 4,8 Prozent auf 5,00 Mio. zulegte.
- In Westdeutschland hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den letzten drei Jahren um 1,03 Mio oder 4,9 Prozent zugenommen. Damit wurde der letzte Höchststand des Jahres 2001 allerdings immer noch knapp um 28.000 oder 0,1 Prozent verfehlt.
- Vor allem bei unternehmensnahen Dienstleistungen gab es einen kräftigen Anstieg. Von Juni 2007 bis Juni 2008 um 6,2 Prozent oder 225.000 auf 3,85 Mio erhöht. Zum Teil beruht dieser Zuwachs auf Arbeitnehmerüberlassung, die um 61.000 oder 9,6 Prozent zugenommen hat; ihr Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten belief sich auf 2,6 Prozent.
- Die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stellen mit 68,0 Prozent zwar den größten Teil der Erwerbstätigen; ihre Bedeutung hat aber im Trend über die Jahre abgenommen: 2000 lag der Anteil noch bei 71,1 Prozent und 1994 bei 75,3 Prozent. Über die Jahre an Gewicht gewonnen haben vor allem Selbständigkeit und geringfügig entlohnte Beschäftigung.
- Bei den Minijobs gab es 2008 ein weiteres deutliches Plus. Ihre Zahl ist um 160.000 oder 7,8 Prozent auf 2,20 Mio. gestiegen. Beinahe jeder 12. oder 8,0 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat einen solchen Nebenjob.
- Die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten blieb im Vorjahresvergleich praktisch unverändert bei 4,88 Mio. Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen beläuft sich auf 12,1 Prozent.
- Die Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvariante, die als Rechtsverhältnisse eigener Art in die Erwerbstätigenrechnung eingehen, lagen etwas unter dem Vorjahresniveau. Ihre Zahl hat sich um 10.000 auf 291.000 verringert.
Quelle: NachDenkSeiten
Was Harms also als „Job-Boom“ bezeichnet ist vor allem eine Ausweitung prekärer Beschäftigung, die alles andere als „robust“ ist. Herr Harms will seine Leser somit täuschen bzw. bewusst in die Irre führen. Ganz zum Schluss schreibt er, dass die Reserven der Agentur in der Rezession nicht reichen würden. Er sucht aber nicht wirklich nach Gründen und fragt schon gar nicht, warum die Bundesregierung trotz dieser bekannten Lage, dennoch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senkt. Die Entlassenen haben nämlich davon überhaupt nichts und mehr Arbeitsplätze entstehen dadurch auch nicht, obwohl man das immer noch behauptet. Kurzum: Herr Harms entzieht sich mal wieder der kritischen Aufarbeitung und gibt sich stattdessen einer sehr bedenklichen Manipulationstechnik hin.
JAN