Was bringt die Noch-CDU-Vorsitzende dazu, eine Ausweitung der Maskenpflicht im Alltag zu fordern? Annegret Kramp-Karrenbauer sagte der Welt am Sonntag, dass sie sich die Mund-Nasen-Bedeckung auch am Arbeitsplatz und in der Schule gut vorstellen könne. „Maskenpflicht am Arbeitsplatz – das könnte auf jeden Fall ein Schritt sein“, wird AKK zitiert. Die Maske als eine Art Allheilmittel im Kampf gegen steigende Fallzahlen und um drohende Schließungen zu verhindern. Doch in erster Linie sind sie billig und weitgehend akzeptiert. Das ist prima für eine neoliberale Ordnung, über die nur niemand mehr diskutieren will.
Problem Schule: 30 Kinder in der Klasse, vermutlich Altbau, bröckelnder Putz. Wurden Schüler bisher durch Schimmel belästigt, kommt nun Corona hinzu und die CDU-Chefin ist alarmiert. Die Ausbreitung des Virus könnte zu Schließungen führen. Okay. Neulich schlug ein Physiker bei Markus Lanz vor, in Schulen Lüftungsgeräte zu installieren. Kostenpunkt rund 4500 Euro pro Stück. Damit wäre schon viel gewonnen. Allerdings, bei über 32.500 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland ist das für jede Klasse ein nicht nur logistisch ambitioniertes Beschaffungsprogramm, sondern auch ziemlich kostspielig für das sonst eher schmal gehaltene Schulbudget. Daher gibt es bislang kaum Unterstützung aus der Politik, mit Ausnahme des obligatorischen Applauses für eine originelle Idee, man kennt das ja.
Masken sind dagegen viel billiger, da jeder selbst welche vorhalten muss. Aber was noch besser ist, eine große Mehrheit der Bevölkerung glaubt an die wundersame Wirkung einfachster Stoffbarrieren in jeder Lebenslage. Mag ja sein, dass das stimmt – es gibt auch Zweifel – es spielt nur keine Rolle beim durchschaubaren Manöver der CDU-Chefin, die ihrer Partei auch in Zukunft eine lästige Diskussion um die Dauerbaustelle Bildung ersparen will. Dass hier über Jahre hinweg viel zu wenig investiert worden ist, dass der legendäre Satz von Angela Merkel nach dem Dresdner Bildungsgipfel 2008, ab 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Bildung und Forschung zu investieren, nie eingelöst worden ist, sondern die Ausgaben immer noch bei knapp über 4 Prozent des BIP verharren, wen interessiert das noch, wenn sich mit der Maske doch alles so wunderbar heilen lässt.
Maske am Arbeitsplatz, auch das ist eine tolle Idee, weil es diejenigen nicht betrifft, die allein im Büro oder dem Homeoffice sitzen und dabei auch mal unbeobachtet in der Nase bohren dürfen. Aber auch darum geht es nicht. Es geht um Höheres. Es geht um Verantwortung. Nein, es geht um noch mehr. Die Maske soll ein Zeichen der Solidarität sein. Denn jeder muss sie tragen, reiche wie arme Menschen. Das hat etwas Egalitäres. Alle sind gleich in einer Welt, die sonst nur die Ungerechtigkeit kennt. Das Stück Stoff ist daher wie eine Art vermisste (Schul)Uniform, die scheinbar Klassenunterschiede beseitigt. Das findet viel Zustimmung, die mit virtuellen Fäusten auch den Skeptikern täglich eingetrichtert wird. Nur ist der Eindruck völlig falsch, dass hinter der Maske die sozialen Unterschiede auf einmal verschwinden. Das Gegenteil ist der Fall. Sie nehmen weiter zu.
Bildnachweis: Arek Socha from Pixabay
AUG
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.