Alles redet über Philipp Amthor und dessen Bestechlichkeit. Eine Riesengeschichte, die der Spiegel da wieder ausgegraben hat und die Reaktion von Amthor, na ja, nach den Maßstäben der politischen Kommunikation gekonnt. Es war ein Fehler. Er spricht von sich also in der dritten Person. Es sei nur eine Nebensächlichkeit, äh, -tätigkeit. Pillepalle. Nein. Doch. Oh. Egal. Denn den schlimmsten Quatsch verzapft ein anderer greiser Jungspund der Union, die gerade von den Deutschen in den Himmel gevotet wird. Der Generalsekretär Paul Ziemiak meint, die Corona-Schulden müssten bis 2030 abgebaut sein. Dem Handelsblatt sagte das studierte Nichts, man solle so schnell wie möglich wieder die schwarze Null erreichen, ohne Steuererhöhungen oder Vermögensabgabe natürlich. Diese absurde Haltung ist leider immer noch mehrheitsfähig in der Union. Geht es nach denen, soll das Land ökonomischen Selbstmord begehen.
Es beginnt mit der Erzählung eines Märchens, das der Selbstbeweihräucherung dient und legitimieren soll, was bisher gängige Praxis war. Das klingt dann so.
Nur weil wir in den konjunkturell guten Jahren auf neue Schulden verzichtet haben, sind wir jetzt in der Lage, zu handeln und ein solches Kraftpaket aufzulegen. Durch die schwarze Null haben wir uns die Spielräume erarbeitet, um die uns heute andere Staaten beneiden. Die Politik der schwarzen Null zahlt sich jetzt in der Krise aus.
Quelle: Paul Ziemiak im Handelsblatt
Was hier erklärt wird, ist fundamental falsch und zwar in mehrfacher Hinsicht. Ziemiak tut so, als gebe es irgendwo eine Statistik, die erfasst, wie oft man auf neue Schulden verzichtet hat. Da ist dann so eine Art Speicher mit Bonuspunkten entstanden, die man jetzt an der Kasse einlösen kann. Das ist purer Unfug. Erstens, weil es solcher Bonuspunkte überhaupt nicht bedarf und zweitens, die auch gar nicht ausreichen würden, um den aktuellen Finanzbedarf zu decken. Die Behauptung, dass uns andere Staaten um die Schwarze Null beneiden würden, ist ebenso kompletter Unsinn, da es ja bedeuten würde, dass diese Staaten jetzt nicht das tun könnten, was Deutschland gerade tut.
Dabei haben zum Beispiel die Amerikaner mit 2,7 Billionen Dollar ein riesiges Konjunkturpaket aufgelegt, obwohl sie mit über 100 Prozent am BIP verschuldet sind. Das dürfte nach Ziemiak gar nicht gehen. Es geht aber doch, weil es eben vollkommen egal ist, wie hoch der Schuldenstand eines Landes ist und ob ein Staat in seinen Haushalten gerade Überschüsse oder Defizite ausweist. Er kann seine Ausgaben einfach erhöhen. Basta! Es wäre schön, wenn ein CDU-Dominus wie Paul Ziemiak das endlich einmal zur Kenntnis nehmen und vielleicht bedauern würde, im November des vergangenen Jahres einen derart dämlichen Tweet zum Fetisch Schwarze Null verfasst zu haben.
Beneidet wird Deutschland für seine absurde Haushaltspolitik der letzten Jahre von wirklich niemandem. Im Gegenteil. Deutschland sitzt international schon länger auf der Anklagebank, weil es viel zu wenig investiert, die Lohnentwicklung künstlich niedrig hält und mit seinen dauerhaften Exportüberschüssen zu einem Ungleichgewicht beiträgt, das die Stabilität der EU wie auch die Weltwirtschaft insgesamt in Gefahr bringt. Wie die Krise jetzt auch zeigt, sind die Fetische Schwarze Null und Exportüberschuss alles andere als solide oder generationengerecht. Das deutsche Modell ist krachend in sich zusammengebrochen, wie die wirtschaftlichen Daten zeigen. Deutschland ist mit Wumms in die Corona-Depression gerutscht.
Dagegen schreibt das Statistische Bundesamt, der Außenhandel sei durch die Corona-Pandemie stark rückläufig. Das ist eine grobe Irreführung der Öffentlichkeit, da das Virus die Krise eben nicht ausgelöst, sondern lediglich beschleunigt hat. Leider muss ein Amt wohl dennoch so schreiben, weil es in den vergangenen Monaten und Jahren bereits sehr viel Rechenkunst darauf verwandt hat, das Zahlenwerk so aufzuhübschen (siehe hier und hier), um Deutschland offiziell vor einer technischen Rezession zu bewahren. Das geht nun nicht mehr. Der Absturz nach unten ist tief und die Hoffnung auf eine schnelle Erholung, neudeutsch V, bereits verflogen. Denn niemand braucht gerade jetzt ein „Qualitätsprodukt“ aus good old Germany und schon gar nicht, wenn es vier Räder und einen Auspuff hat.
Die enorm hohe Überschussnachfrage aus dem Ausland, die die Deutschen zum Absatz ihrer Produktion seit Jahren „benötigen“ – 2019 waren es gut 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts –, um ihr Lohndumping-Modell über Wasser zu halten, macht sich in der Corona-Krise besonders negativ bemerkbar. Die strukturelle Verzerrung unserer Produktionsstrukturen in Richtung Export lässt sich nicht kurzfristig einigermaßen schmerzfrei korrigieren. Die Zeche dafür werden die Arbeitnehmer in den entsprechenden Branchen wie der Autoindustrie mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bzw. Lohnkürzungen bezahlen müssen. Das Kurzarbeitergeld dürfte da nur der Anfang sein.
Quelle: Makroskop
Es herrscht Absatzkrise, die so leicht nicht überwunden werden wird. Das heißt, ein U, wie manche hoffen ist dann vermutlich auch nicht zu erwarten, sondern eher ein L, vor allem wenn eine Leuchte wie Paul Ziemiak bestimmen darf, wie es in diesem Land weitergeht. Er will in zehn Jahren die Corona-Schulden abbauen. Das heißt, er benötigt einen Primärüberschuss im Haushalt, um die zusätzlichen Mittel für die Tilgung der Kredite aufzubringen. Eine Vermögensabgabe soll es nicht geben, weitere Schulden natürlich auch nicht, was bedeutet, dass alles aus dem laufenden Geschäft erwirtschaftet werden muss. Welche Leistungen oder Investitionen dann aber gestrichen werden sollen, sagt Ziemiak nicht.
Die Aussichten bleiben also düster, weil die Aussagen eines jungen CDU Generalsekretärs, der mit greisen Vorstellungen hantiert, wenig Anlass zur Hoffnung bieten. Es sieht nicht danach aus, als hätte der Politiknachwuchs verstanden, worum es gerade geht. Der andere geistige Greis im Körper eines Jungpolitikers, Philipp Amthor, schreibt als letzten Satz: „Meine Priorität ist der leidenschaftliche politische Einsatz für unser Land.“ Paul Ziemiak sagt: „Wir ziehen an einem Strang.“ Das staatstragende Geschwafel beherrschen beide perfekt, alles andere dagegen nicht. Leider reicht das bereits aus, um in den Umfragen bei rund 40 Prozent zu landen. Schade. Vielleicht könnte die Presse mehr tun. Eine Titelgeschichte im Spiegel zur unendlichen Dummheit der CDU, was volkswirtschaftliche Grundlagen anbelangt, wäre toll. Stattdessen gibt es eine Story über den albernen Hinterbänkler Philipp Amthor, dessen übersteigertes Selbstbewusstsein, an dem auch die Medien ordentlich mitgewirkt haben, ihm nun zum Verhängnis geworden ist.
Bildnachweis: CDU Deutschland auf Twitter am 27.11.2019
*Der dilettantische Autor hat zuerst diletieren, statt dilettieren geschrieben. Das ist nun geändert.
JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.