Ins Konjunkturpaket geschaut

Geschrieben von: am 05. Jun 2020 um 7:55

Das Konjunkturpaket der Bundesregierung ist ein sehr guter Ansatz, vor allem weil es gelungen ist, Schwarze Nullen und Schuldenbremser ein Stück weit zurückzudrängen. Der Staat gibt bewusst mehr Geld aus, senkt Steuern, wo es sinnvoll ist und hat sich auch so eine Art Brücke über den Corona-Abgrund überlegt. Die Richtung stimmt vom Grundsatz und die SPD, das muss man sagen, hat sehr gut verhandelt. Das zeigt die kleinlaute Reaktion eines Ralph Brinkhaus, der seine zuvor noch abwehrende Haltung gegen eine deutliche Ausgabensteigerung ebenso deutlich korrigieren musste. Diesmal ist es wohl zutreffend, wenn die SPD sagen würde, mehr war nicht drin. Denn eine genauere Analyse zeigt auch, dass der „Wumms“ stark relativiert werden muss.

Das Lob vom gestrigen Tag spiegelt in erster Linie die Einschätzung von Ökonomen wider, die von den Entscheidungen positiv überrascht worden sind. So hat kaum jemand mit der temporären Senkung der Mehrwertsteuer gerechnet. Daran gibt es freilich auch Kritik. So werden Zweifel an einer Preissenkung vorgebracht, die durchaus berechtigt sind. Selbst die Bundesregierung hofft lediglich, dass die Unternehmen da mitziehen und die ganze Übung eine Wirkung entfaltet. Eine Garantie gibt es aber nicht. Ebenfalls berechtigt ist der Einwand, dass große Steuervermeider wie Amazon zusätzlich profitieren könnten. Berücksichtigen muss man allerdings, dass die Alternative zur Senkung der Mehrwertsteuer vermutlich die komplette Abschaffung des Soli gewesen wäre. Dies hätte vor allem die Besserverdienenden klar begünstigt und einen konjunkturellen Effekt noch sehr viel unwahrscheinlicher gemacht.

Klar ist aber auch, dass die Erhöhung von Einkommen die beste Methode wäre, um einen gewünschten Nachfrageimpuls zu erreichen. Es ist aber überhaupt nicht falsch die Mehrwertsteuer zu senken, da sie eine vergleichsweise hohe Belastung für Menschen mit geringem Einkommen darstellt. Deshalb war es 2006 grundfalsch, die Verbrauchsabgabe in der ersten Großen Koalition unter Merkel einfach um 3 Punkte zu erhöhen. Folglich ist eine Senkung der Mehrwertsteuer eine Entlastung an der richtigen Stelle, die durchaus auch dauerhaft festgeschrieben werden sollte, wenn es im Gegenzug endlich gelänge, eine höhere Besteuerung von Spitzeneinkommen und Vermögen wieder durchzusetzen. Der Lastenausgleich ist im Konjunkturpaket aber überhaupt kein Thema, was auch richtig ist, da es zunächst einmal nur um die Erhöhung der Ausgaben gehen muss. Aufgehoben ist aber nicht aufgeschoben. Die Verteilungsfrage ist dringender denn je, darauf weisen zahlreiche Kritiker hin.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Brücke über den Corona-Abgrund. Damit ist eine Sicherung von Einkommen gemeint oder die Unterstützung von Unternehmen, die aufgrund von Pandemie-Auflagen, den Betrieb entweder gar nicht oder nur eingeschränkt aufrechterhalten können. Hier sollte der Staat eben großzügig sein und eine Sicherheitsarchitektur errichten, damit die flankierenden Konjunkturhilfen auch tatsächlich wirken können. Im Paket der Bundesregierung gibt es diesen Ansatz unter Punkt 13 und dem Stichwort „Überbrückungshilfen“ mit einem Volumen von 25 Milliarden Euro. Ob das ausreicht, muss man sehen. Jedenfalls ist die Empfehlung von Makroökonomen hier einmal aufgenommen worden. Nicht so erfreulich ist, dass sich die Hilfen wieder nur auf die Betriebskosten beziehen, während die Lebenshaltungskosten weiterhin über einen erleichterten Zugang zur Grundsicherung abgedeckt werden sollen, der bis zum 30. September 2020 verlängert wird.

Grundsicherung ist keine Lohnersatzleistung. Die Mittel sind dramatisch gering. Als Pfeiler für eine Brücke taugt das elende Hartz IV-System daher überhaupt nicht. Berechtigt ist folglich auch die Kritik der Sozialverbände, die eine Anpassung von Leistungen für den ärmeren Teil der Gesellschaft in dem Maßnahmenpapier der Regierung vergeblich suchen. Die 100 Euro, die der Paritätische beispielsweise gefordert hat, standen auf der Liste, wurden aber dem Vernehmen nach von der Union geblockt. Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld sind hingegen Ersatzleistungen, deren weitere Ausgestaltung im Konjunkturpaket leider offen bleibt. So hängt es davon ab, wie schnell die Unternehmen wieder zurück zur Normalität finden und ihre Mitarbeiter zu regulären Bedingungen beschäftigen können. Mit anderen Worten. Ob die Brücke hält, ist fraglich. Die Senkung der Mehrwertsteuer allein reicht jedenfalls nicht aus. Da bleibt in der Tat nur das Prinzip Hoffnung, das bereits von vielen verspottet wird. Ohne Einkommen gibt es auch keinen Konsum.

Lobenswert sind sicherlich auch die Hilfen für die Kommunen, die auf eine Kompensation ihrer Steuerausfälle hoffen dürfen und bei der Finanzierung von Sozialkosten unterstützt werden. Bund und Länder müssen hier allerdings zusammenarbeiten. Da ist das letzte Wort vermutlich noch nicht gesprochen. Gelder für öffentliche Investitionen soll es ebenfalls geben. Allerdings wirken die Ansätze für den Ausbau von Ganztagsschulen (2 Milliarden Euro) und Kitas (1 Milliarde Euro) vergleichsweise gering. Die Förderung zum Ausbau der Ganztagsschulen dürfte eigentlich auch nicht Teil der Konjunkturhilfe sein, da die bereits im letzten November vom Kabinett beschlossen worden war. Sollte es sich um diesen Beschluss handeln, wäre die Vermarktung unter dem Dach der Konjunkturhilfe schlicht ein Etikettenschwindel.

Überhaupt ist eine Strategie, wie aus dem Klatschen in der Krise eine nachhaltige Politik werden kann, nicht erkennbar. Es fehlt ja weiterhin viel Personal in wichtigen Bereichen der Daseinsvorsorge. Bislang wird dem Mangel im öffentlichen Gesundheitsdienst mit einer Ausweitung der Arbeitszeit begegnet. Das ist ein Skandal. Auch wird schon mal über die Zwangsrekrutierungen von Ärzten und Pflegekräften nachgedacht. Im Papier der Bundesregierung tauchen dagegen Schlagworte wie „Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ und „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ am Ende auf. Da geht es aber eher um technische Details. Zur leichteren Personalgewinnung, heißt es dann, müsse die Bezahlung mit dem ärztlichen Gehalt in anderen Bereichen des Gesundheitswesens mithalten können. In den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes sei dies sicherzustellen, ggf. durch die Zahlung von Funktionszulagen. Das klappt aber nur, wenn die Haushälter endlich damit aufhören, permanent nach „Optimierungs- und Einsparpotenzialen“ im Bereich der Personalausgaben zu suchen. Gerade die Länder werden dazu angehalten, das Neuverschuldungsverbot besonders restriktiv einzuhalten.

Eine grundsätzlich bessere Ausstattung des Öffentlichen Dienstes wird dagegen überhaupt nicht diskutiert. Dafür sind Dinge, wie die Förderung von Elektrofahrzeugen wichtig, zu denen auch die beliebten Plug-in-Hybride zählen könnten. Das gehört ebenfalls zu den kritikwürdigen Punkten des Papiers. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine in der Praxis untaugliche Subvention noch einmal verdoppelt werden muss. Dagegen erhält der ÖPNV nicht einmal seine Ausfälle ersetzt. Die Analyse ließe sich noch verlängern, was im Rahmen weiterer Betrachtungen des Konjunkturpaketes sicherlich auch noch geschehen wird.


Bildnachweis: GraphicMama-team auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Dieter  Juni 5, 2020

    Ich schaue mal auf das Programm, das die USA vor ca. 90 Jahren aus der Weltwirtschaftkrise führte.
    Die USA hatte danach einen jahrelanger Wirtschaftsboom. Von 1945 bis Anfang der 80ziger Jahre, stieg die Neuverschuldung der USA in Höhe der Inflation.

    1. Regulierung der Banken
    2. Strikte Gesetze gegen Börsenspekulation
    3. Soziale Leistungen + Mindestlöhne, um den Binnenmarkt anzukurbeln

    1. aktuell Fehlanzeige, selbst Professor Sinn spricht von Kasinokapitalismus. „Das große Glücksrad wird gedreht. Wenn es gut läuft gibt es riesige Renditen. Wenn es schief geht, haftet der Steuerzahler.“

    2. aktuell Fehlanzeige
    „Die Gewinner der Krise – BlackRock und Co. kassieren gleich doppelt“
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=59569

    3. ein bischen
    Die Gießkanne wird eingesetzt, aber ein Konzept gibt es nicht.
    Ich erinnere an die Aussagen von Maynard Keynes.
    „Dies bedeutet, dass Haushalte nicht ihr gesamtes Einkommen ausgeben, sondern einen Teil sparen und dass der Anteil für Konsumausgaben immer weiter sinkt, je größer das Einkommen wird. Auf dieser Konsumfunktion beruht der Multiplikator.“ Quelle Wikipedia

    Außerdem erinnere ich an die Festsetllungen des Nobelpreisträgers Professor Angius Deaton.
    Der Konsum wird durch das planbare Einkommen bestimmt !
    Daher sind sachgrundlos befristete Jobs, Zeitarbeit usw. das blanke Gift für einen Binnenmarkt !
    Lösungen Fehlanzeige !

    4. Wissenschaftler warnen vor einen zweiten und dritten Welle. Dieses Scenario ist nicht unwahrscheinlich.
    Wie rüstet wir uns dafür ? Konzept Fehlanzeige !
    Zur Erinnerung, Bayern hat fast 3 x so viele Corona Opfer wie ganz Japan.
    Was lernen wir von den Ländern in Ostasien ?
    Was lernen wir aus den eigenen Fehlern ?
    Wann werden die Behörden geschult, welche Gesetze es zu Corona Bekämpfung gibt ?
    Der Polizei in Bayern waren diese, bis mindestens Mitte Mai, nicht bekannt !

    5. Ministerpräsident Söder sagte, der Export ist eingebrochen, wir müssen den Binnenmarkt stärken.
    Konzepte zur dauerhaften Stärkung des Binnenmarktes und der Verringerung von Export ? Fehlanzeige !

    siehe dazu Manager Magazin
    „Deutschlands fatale Eichhörnchen-Strategie
    Deutschland wirtschaftet wie die Eichhörnchen“
    https://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/deutscher-aussenhandelsueberschuss-ist-kapitalexport-und-schadet-d-a-1111265.html