Im Koalitionsausschuss geht es diesmal länger. Denn nichts Geringeres als die Rettung der Volkswirtschaft steht auf dem Programm. Dieses Unterfangen will wohl überlegt sein. Doch worüber da gesprochen wird, muss besorgen.
Eine Kaufprämie für Autos kommt ganz sicher, gestritten wird nur noch darüber, ob auch der SUV-Standard-Panzer bezuschusst werden soll oder nur Modelle mit der Ökoantriebsattrappe, genannt Hybridmotor. Letzteres ist wohl konsensfähig, da es ja auch SPD-Ministerpräsidenten mit Firmenbeteiligung gibt. Damit die staatliche Förderung von Unternehmen etwas erträglicher wird, die trotz Corona und Kurzarbeit rund 6 Milliarden Euro in diesem Jahr für Dividenden übrig hatten und laut BGH ihre Kunden „vorsätzlich sittenwidrig geschädigt“ haben, soll es nun auch etwas für Familien geben. 300 Euro Schweigegeld pro Kind, vielleicht auch etwas mehr, aber nur, wenn der Soli komplett entfällt oder die Kommunen ihre Altschulden behalten. Diese Regierung steckt mal wieder im Verteilungskampf, während sie von den neuen Pionieren an Deck mit der alten Frage nach der Gegenfinanzierung getrieben werden.
Irgendwo war der Witz zu lesen, dass man auf die Prämien-Fahrzeuge einen Hinweis für Pflegekräfte kleben müsse. „Hier fährt Ihr Pflegebonus in den Urlaub, während Sie weiterhin eine 12-Stunden-Schicht schieben müssen“. Oder so ähnlich. Lustig ist das nicht, aber bezeichnend. Denn während eine sinnlose Kaufprämie für Autos nie ernsthaft in Gefahr war zu scheitern, gehen Krankenpfleger beispielsweise beim viel diskutierten Pflegebonus komplett leer aus. Warum, weil die schon so gut verdienen. Oder anders ausgedrückt, weil Altenpfleger noch schlechter bezahlt werden und daher dringender auf einen solchen Bonus angewiesen sind. Diese Unterscheidung in den Pflegeberufen, die nur der monetären Abgrenzung dient, bleibt übrigens, das sei am Rande erwähnt, auch mit Einführung der viel gelobten generalistischen Pflegeausbildung erhalten.
…denn eine allgemeine und generalistische Pflegeausbildung würde bedeuten, dass die Absolventen Wahlfreiheit bekommen zwischen dem Krankenhaussektor und dem Altenpflegebereich. Und wenn man dann weiß, dass die Altenpflegekräfte über 30 Prozent weniger verdienen als die Krankenpflegekräfte in den Krankenhäusern, dann ahnt man, warum die privaten Pflegeheimbetreiber hier gleichsam Amok gelaufen sind – im sicheren Wissen, dass es entweder eine Abstimmung mit den Füßen zuungunsten der Pflegeheime geben würde oder sie aber die Vergütungen der Altenpflegekräfte erheblich anheben müssten.
Über diese ins Gesetz eingebaute Ungerechtigkeit könnte man ja unter dem Stichwort „Corona-Lehren“ einmal neu nachdenken, wie auch darüber, warum es immer noch keine flächendeckenden Tests für das Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen gibt, obwohl doch 11 Prozent der mit Corona Infizierten Mediziner oder Pfleger sind. Sind medizinische Einrichtungen doch nicht so wertvoll wie die Bundesliga, obwohl auch außerhalb des Platzes genügend Laborkapazitäten zur Verfügung stehen? Oder liegt es vielleicht daran, dass der Profifußball die Tests einfach selbst bezahlen kann, während vor dem Stadion das übliche Gezerre um die Finanzierung ausgetragen wird.
Geld für anderes schon wieder knapp
Überhaupt ist Geld schon wieder knapp, obwohl die Folgen des großen Crashs, ausgelöst durch den Lockdown, noch gar nicht kassenwirksam geworden sind. Und das ist das eigentlich Problem. Die Regierung streitet um ein paar Milliarden hier und ein paar Milliarden dort und versucht gleichzeitig am unausrottbaren Dogma festzuhalten, das ausgegebene Geld, es sind wohl schon Billionen, ja irgendwann einmal zurückzahlen zu müssen. Daher tobt schon jetzt ein Verteilungskampf, der vollkommen sinnlos und auch gefährlich ist, wie der Ökonom Heiner Flassbeck bemerkt.
Die Menschen auf die Straße zu setzen und sich der gesunden Natur zu erfreuen, kann nur damit enden, dass uns die Demokratie um die Ohren fliegt, weil die auf der Straße Sitzenden zu Recht fragen, was dem Staat das Recht gibt, den Großteil der Anpassungslast auf wenige oder einzelne Gruppen abzuwälzen und ihnen im zeitlichen Ablauf nicht einmal eine Alternative zu bieten.
Der Staat kann diese Alternativen schaffen. Er kann nicht nur Kaufprämien für Autos beschließen oder mit stillen Einlagen und Krediten eine Fluggesellschaft vor dem Absturz retten. Er kann auch Künstlern, dem er die Arbeit vor Publikum verboten hat, die verlorenen Einkünfte ersetzen, statt sie kaltschnäuzig an die Grundsicherung zu verweisen. Er kann das auch für andere tun, die nicht zu einer Lockdown-Elite zählen, also deren Einkommen trotz Krise weiter überwiesen werden. Er kann auch Boni an Familien und Pflegekräfte zahlen oder endlich einmal etwas für die Ärmsten in dieser Gesellschaft oder das Klima tun. Er kann das alles machen, ohne den Steuerzahler zu bemühen, weil der die benötigten Mittel nun einmal unmöglich aufbringen kann.
Die Regierung muss jetzt aktive Konjunkturpolitik betreiben. Sie muss darüber hinaus das Wegbrechen von Exportmärkten hinnehmen und fürchten, dass Handelspartner so arm werden, dass die ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können. Deutschland könnte also auf seinen Forderungen sitzen bleiben. Arbeitnehmer hätten dann jahrelang umsonst auf Lohn verzichtet und ihre Gürtel enger geschnallt. Eine Diskussion über das deutsche Exportmodell ist also dringender denn je. Die Regierung sollte deshalb das Feilschen um Ausgaben sehr schnell beenden und vielleicht darüber nachdenken, eine monetäre Brücke über den Corona-Abgrund zu bauen.
Videonachweis: Das ist Kunst, das kann nicht weg | Mann, Sieber! via YouTube, 13.05.2020
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.