Zeichen der Anerkennung

Geschrieben von: am 08. Mai 2020 um 7:05

Die Lufthansa möchte 10 Milliarden Euro vom Staat, aber nur als stille Einlage. Dem sonst so mitsprachefreudigen Verkehrsminister gefällt das, was aber auch nicht wirklich überrascht. Die Autobauer wollen Kaufprämien und weiterhin Dividenden und Boni zahlen. Das sei miteinander vereinbar, meint die Präsidentin des Lobbyverbandes VDA, Hildegard Müller. Der Autogipfel im Kanzleramt ist diese Woche zwar ohne eine Entscheidung vertagt worden, aber mit dem Ziel, eine Regelung bis Anfang Juni zu finden. Ein Erfolg für die Konzerne ist das daher trotzdem, da sie auf staatliche Hilfen unter dem Deckmantel eines Konjunkturprogramms weiter hoffen dürfen.

Denn sie sind wohl nicht gemeint, wenn der Bundespräsident von einer Rückzahlung der Folgekosten spricht, die einhergehen wird mit einem Verzicht auf Wohlstand. Der Mann, der das Papier zur Agenda 2010 verfasst hat, weiß eben ganz genau, wie das mit dem Gürtel enger schnallen geht. Für Autokonzerne und deren Besitzer gilt das sicher nicht. Das ist schließlich eine Schlüsselindustrie, wie man immer wieder hört, die sich zudem gewandelt habe und nun aktiv Klimaschutz betreibe. Umweltfreundliche E-Mobilität ist das Zauberwort und muss doch gefördert werden, finden übrigens Befürworter wie Gegner der Kaufprämien.

Nimbus des Fortschrittlichen

Dabei werden unter einem umweltfreundlichen E-Mobil heute vor allem doppelmotorisierte Hybridfahrzeuge mit im Schnitt 194 PS unter der Haube verstanden. Der Ökoantrieb dient hier lediglich als Staffage, die aber von den Herstellern und ihrem Marketing besonders herausgestellt wird. So sind es gerade die modernen Plug-in-Hybrid-Antriebe, die den Nimbus des Fortschrittlichen in sich tragen und folglich unter die Gruppe der förderfähigen Automobile fallen müssen. Das zeigt auch die verräterische Sprache derer, die Kaufprämien dem Anschein nach skeptisch gegenüber stehen oder diese ablehnen. So sagt beispielsweise der Generalsekretär der SPD, Lars Klingbeil, im Deutschlandfunk.

Wenn wir etwas machen in der Politik, in den nächsten Monaten, wenn wir uns entscheiden sollten, der Automobilbranche unter die Arme zu greifen, dann muss das auf jeden Fall eine Rolle spielen, und dann dürfen keine Technologien der Vergangenheit gefördert werden, sondern dann muss es Richtung Zukunft gehen.

Und auf Nachfrage ein paar Sätze später.

Ich schließe da heute gar nichts aus. Ich sage nur, mit einer Kaufprämie, die auch Antriebssysteme der Vergangenheit fördert, habe ich große Probleme. Ich glaube, das ist nicht zielgerichtet.

Die Botschaft ist klar, keine Antriebssysteme der Vergangenheit fördern, also klassischerweise Verbrenner, die der Lobbyverband vorsorglich als ebenfalls unterstützenswert erachtet hatte. Wie man das halt so macht, wenn man Verhandlungsmasse schafft. Der Niedersachse Klingbeil weiß das, weshalb er auch wie der Regierungssprecher Seibert klingt, der als Fahrplan für die kommenden Wochen die Losung ausgab, dass es zu einem „Modernisierungsbeitrag in Richtung innovativer Fahrzeugtechnologien“ kommen müsse. Damit ist die Entscheidung über ein staatliches Anreizsystem bereits gefallen, das allerdings noch so ausformuliert werden muss, damit es nicht wie ein unverschämtes Geschenk an die Branche wirkt.

Auch hier bietet Klingbeil gern seine Argumentationshilfe an.

Ich sage Ihnen auch: Die Gewinne, die Automobilkonzerne gemacht haben im letzten Jahr, die können natürlich auch eingesetzt werden, um Kaufanreize zu setzen. Das muss ja nicht zwingend staatliches Geld sein. Da haben auch die Automobilkonzerne eine Verantwortung, …

Das ist doch super, am besten man macht gleich beides. Der Umweltbonus wird zur Hälfte durch die Automobilhersteller (Eigenanteil) und zur Hälfte durch einen Bundeszuschuss (Bundesanteil) gewährt. Den Satz findet man übrigens auf der Seite des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Eine Umweltprämie in Höhe von 6000 Euro, von der Großen Koalition initiiert, gibt es nämlich schon, allerdings recht erfolglos, da ein Drittwagen in Haushalten, die es sich leisten können, einfach nicht benötigt wird.

In den Sonnenuntergang cruisen

Wer soll also die Autos kaufen? 10 Millionen Kurzarbeiter in Deutschland, die mit einer Erhöhung ihrer stark reduzierten Einkommen erst nach dem vierten Monat mit Kurzarbeitergeld rechnen können? Die 30 Millionen Arbeitslosen in den USA vielleicht, die ihre Kreditkartenrechnungen nicht mehr bedienen können und Geld für einen Arztbesuch brauchen? Oder die Pflegekräfte, die durch die zahlreichen Dankesworte und einen Pflegebonus inzwischen so reich geworden sind, dass sie nur noch eine Umweltprämie benötigen, um sich endlich einen Plugin-Hybrid kaufen zu können. Mit dem können sie dann nach über 60 Wochenstunden im Dienst, die durch eine Lockerung des Arbeitszeitgesetzes ja mittlerweile ebenso locker möglich sind, in den Sonnenuntergang cruisen.

Das klingt zynisch, ist aber durchaus eine passende Antwort auf die Unverschämtheit einer Automobilindustrie, die sich nicht zuletzt durch massenhaften Betrug an ihren Kunden einen Namen gemacht hat. Aber trotz zahlreicher Klagen und Vergleiche haben die Hersteller in den letzten fünf Jahren einen Gewinn von über 100 Milliarden Euro gemacht. Volkswagen verfügt laut Angaben des Handelsblatts über rund 25 Milliarden Euro an liquiden Mitteln, Daimler über 18 Milliarden und BMW über mindestens zwölf Milliarden. Trotzdem ist für zehntausende Beschäftigte Kurzarbeitergeld beantragt worden. Im Topf der Bundesagentur befinden sich übrigens Reserven von 26 Milliarden Euro, die aber für aktuell 10 Millionen Menschen in Kurzarbeit reichen müssen.

BMW hat 20.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und veranstaltet in der kommenden Woche sein Aktionärstreffen. Vorgeschlagen wird, eine Dividende von insgesamt 1,64 Milliarden Euro auszuschütten. Weitere Staatshilfen sind also dringend nötig.


Bildnachweis: Alexander Jorde auf Twitter.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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