Die Botschaften von Scholz und Maas

Geschrieben von: am 07. Apr 2020 um 14:06

Die EU-Finanzminister beraten heute per Videokonferenz mit dem Ziel, einen Mechanismus zu finden, der allen dabei helfen soll, die Coronakrise zu überstehen. Bei der Wahl der Mittel geht einmal mehr ein Riss durch Europa. Gemeinsame Anleihen, kurz Corona-Bonds, schlägt der Süden vor. Der Norden, angeführt von Deutschland, dazu gehören aber auch die Niederlande, Österreich und Finnland, lehnt solche gemeinsamen Anleihen in der Eurozone aber ab. Hier wird auf den ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) verwiesen, über den sich nach Darstellung der beiden SPD-Minister Olaf Scholz und Heiko Maas Solidarität herstellen lasse. Damit outen sie sich als Vollstrecker der bisherigen Austeritätspolitik.

In einem Gastbeitrag für mehrere europäische Zeitungen haben Scholz und Maas für die deutsche Haltung geworben. Doch Aussagen wie, „Wir brauchen ein klares Zeichen europäischer Solidarität in der Corona-Pandemie. Deutschland ist dazu bereit“, waren nicht an die europäische, sondern vor allem an die deutsche Öffentlichkeit gerichtet. Scholz und Maas betreiben Imagepflege, was ihnen dank der eher regierungsnahen Leitmedien hierzulande auch gelingt. Der Spiegel titelt wohlwollend, „Scholz und Maas sichern EU-Partnern Solidarität in Coronakrise zu“. Doch stimmt das überhaupt?

Laut den Recherchen von Eric Bonse auf Lost in EUrope bestätigt ein Non-Paper (inoffizielles Dokument) des Bundesfinanzministeriums die Befürchtung, dass die ESM-Mittel an Bedingungen geknüpft werden sollen. Das ist auch vollkommen logisch, da sich die Bundesregierung bei ihren Coronahilfen im eigenen Land eine ähnliche Regel auferlegt hat. Per Tilgungsplan soll der weiterhin grassierenden Schuldenphobie Rechnung getragen werden. Bereits ab dem Jahr 2023 sollen die zusätzlichen Schulden über 19 lange Haushaltsjahre wieder zurückgezahlt werden. Nach überstandener Pandemie und den warmen Worten des zuständigen Gesundheitsministers dürften sich daher auch die Krankenhäuser wieder auf Sparrunden einstellen. Falls es hier jedoch aus moralischen Erwägungen heraus nicht zum erneuten Kahlschlag kommt, werden andere leiden müssen, die auf einen funktionierenden Sozialstaat und öffentliche Leistungen angewiesen sind.

Denn mit der vorübergehenden Aussetzung von Schuldenbremse und Schwarzer Null hat die Bundesregierung noch lange nicht ihr heiliges Dogma aufgegeben. Sie glaubt immer noch, dass öffentliche Schulden auf Dauer schlecht sind und man diese so schnell wie möglich wieder loswerden müsse. Insofern ist es nur folgerichtig, dass auch die Südeuropäer dem deutschen Vorbild weiter folgen müssen, obwohl die absurden Fiskalregeln als Ursache für die wirtschaftlichen Probleme längst analysiert sind. Es ist mittlerweile auch klar, dass die strikten Haushaltsvorgaben, die Brüssel und Berlin bisher einforderten, dazu beigetragen haben, massive Einsparungen in den Gesundheitssystemen vorzunehmen, mit allen schlimmen Folgen, die sich nun in Italien und Spanien auf den Fluren der Krankenhäuser beobachten lassen.

Olaf Scholz: „Ein deutscher Finanzminister ist ein deutscher Finanzminister“

Um es daher nicht ganz so pervers aussehen zu lassen, enthält das Non-Paper den Hinweis, dass die Mittel des ESM selbstverständlich für das kaputtgesparte Gesundheitssystem eingesetzt werden dürfen. Wie gnädig, wird sich da der Südeuropäer denken. Natürlich hat der Gastbeitrag von Scholz und Maas, die man nur als nützliche Regierungs-Idioten bezeichnen kann, auch den Zweck gehabt, die Wogen etwas zu glätten. Welche Wogen denn, fragt sich der deutsche Michel vielleicht? Leider kam in den Leitmedien eine besonders interessante Geschichte der letzten Tage nur am Rande vor. So berichteten Paulo Pena Jef Poortmans und Harald Schumann im Tagesspiegel am vergangenen Freitag über die Gespräche auf europäischer Ebene.

António Costa, Portugals Premierminister, gilt als der Sonnyboy der europäischen Politik. Selbst seinen Gegnern begegnet er stets mit einem freundlichen Lächeln, um die Türen für Verhandlungen offenzuhalten. Doch am vergangen Freitag ließ Costa alle Zurückhaltung fallen.

„Ekelhaft“ sei das gewesen, „kleinlich“ und „eine wirklich Gefahr für die Zukunft der EU“, wütete er vor laufenden Kameras gegen den niederländischen Finanzminister Wopke Hoekstra. Den Euro-Staaten und mit ihnen ganz Europa droht wegen des Stillstands zur Virusabwehr die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Aber inmitten des Ringens um eine gemeinsame europäische Gegenstrategie forderte der Niederländer, die EU-Kommission solle erst mal untersuchen, warum manche Länder besser mit den Corona-Folgen klarkämen als andere. Das war, schrieb die Tageszeitung „De Volkskrant“, „als ob er dem Süden den Stinkefinger gezeigt hätte“; und genauso hatte es Costa wohl auch verstanden.

Mal abgesehen von den Auflagen weisen die beiden Autoren in ihrem Beitrag zurecht darauf hin, dass die Mittel des ESM ja gar nicht ausreichen werden. Aber das kann ein deutscher Finanzminister, der nur auf Sicht fährt, natürlich nicht erkennen. Er versteht offenbar auch nicht, dass die technische Begrenzung der Kreditlinien Spekulanten dazu einladen wird, erneut gegen Staaten zu wetten. Das ist möglich, weil in dieser Eurozone immer noch nicht klar ist, ob Staatspleiten nun ausgeschlossen sind oder nicht. Man erinnere sich an Griechenland und das Diktat von 2015. Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble drohten mit dem Rauswurf des Landes aus dem Währungsverbund, wenn Athen den Kreditbedingungen der Geberländer nicht zustimmt.

Schade, dass ein SPD-Finanzminister eine ähnliche Linie verfolgt und dabei keine Skrupel hat, zusammen mit seinem Kollegen Maas die eigene Partei, die tatsächlich mal für Solidarität national wie international stand, zur Praxis des glatten Gegenteils zu verpflichten. Überraschend kommt das aber nicht. So ließ Olaf Scholz in seiner ersten Regierungserklärung als Bundesfinanzminister am 22. März 2018 wissen.

Ich habe überall in Europa gesagt: Ein deutscher Finanzminister ist ein deutscher Finanzminister, egal welches Parteibuch er hat. Ich glaube, die Botschaft ist gut angekommen.

Quelle: Bundesfinanzministerium

Dabei müsste gerade das exportlastige Deutschland ein Interesse daran haben, dass es wichtigen Handelspartnern in der eigenen Nachbarschaft wieder besser geht. Jens Berger schreibt auf den NachDenkSeiten:

Gerade Deutschland ist wie kaum ein anderes Land der Welt als exportorientierte Volkswirtschaft davon abhängig, ausländische Abnehmer für seine Waren und Dienstleistungen zu finden. Länder wie Frankreich und Italien sind heute unsere wichtigsten Handelspartner. Hinzu kommt, dass die Coronakrise samt der angeordneten „Maßnahmen“ weltweit die Volkswirtschaften in eine tiefe Krise stürzt. Ob und wann die Nachfrage aus China, den USA oder Großbritannien wieder anzieht, liegt nicht im Einflussbereich der deutschen Politik. Ob und wann die Nachfrage aus Frankreich, Italien und Spanien wieder anzieht, liegt indes sehr wohl im deutschen Einflussbereich.


Bildnachweis: fsHH auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Dieter  April 7, 2020

    Die Botschaften die ich sehe sind bei 2:45 min

    „Gregor Gysi: »Man kann einen Kontinent nicht über Geld einen«“
    https://www.youtube.com/watch?v=x1ef0BBtuYA

    und

    „Heiner Flassbeck: Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau“
    https://www.youtube.com/watch?v=usiVEn1inSQ

    und

    „14. Deutsche Politik gefährdet Europa
    .
    .
    Die eigentliche langfristige Ursache der europäische „Krankheit“ ist die deutsche Lohnpolitik. Ein einheitlicher Währungsraum kann nicht funktionieren, wenn ein Staat Lohndumping betreibt, wie Deutschland es mit Hartz IV und der Agenda 2010 in die Wege geleitet hat. Deutschland hat den größten Niedriglohnsektor in Europa und niedrigere Mindestlöhne als die Nachbarn, mit Ausnahme der Osteuropas. Solange Politik, Wirtschaft und Medien diesen Kardinalfehler der deutschen Politik nicht erkennen, wird Europa weiter auseinanderdriften. Frei nach Schiller: Es kann der Frömmste (die Staaten Europas) nicht in Frieden leben, solange es dem bösen Nachbarn (der deutschen Exportwirtschaft) nicht gefällt.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook“

    https://www.nachdenkseiten.de/?p=59976