Widerstand formiert sich

Geschrieben von: am 02. Dez 2019 um 9:25

Die Wahl von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken an die Spitze der SPD kann nur eine Zwischenetappe gewesen sein. Wirklich entscheidend ist die Frage, ob sie sich mit ihrer Vorstellung eines Politikwechsels auch durchsetzen können. Dass hier in relativ kurzer Zeit ein dickes Brett gebohrt werden muss, zeigen auch Äußerungen des rechten Parteiflügels, der in der SPD vermutlich immer noch das Sagen hat.

So hat sich der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin geäußert. Er sagte sinngemäß, dass Nachverhandlungen am Koalitionsvertrag sicherlich stattfinden könnten, dann aber auch klar sein müsse, dass die Union etwas dafür haben möchte. Johannes Kahrs steht eben seinen Freunden, wie dem „Ecki“ Rehberg, näher, als der eigenen Partei. Mit ihnen hockt er nächtelang im Haushaltsausschuss zusammen und schließt Kompromisse am Tisch mit dem Mettigel.

Was Kahrs nun aber verschweigt, sind die ungeheuerlichen Zugeständnisse, die die SPD der Union bereits gemacht hat, nur um soetwas, wie eine abgespeckte Version der Grundrente zu bekommen. Kahrs tut so, als verhandele die SPD gut. Kahrs tut so, als trage die Politik der Großen Koalition die Handschrift der SPD. Obwohl es nicht stimmt, wird ein positives Bild dann auch über die Medien transportiert. Zu einer besseren Stimmung für die SPD trägt das aber nicht bei, weil die Menschen eben nicht dumm sind und zurecht keinen Nutzen in den Kompromissen erkennen können. Folglich wird behauptet, die SPD rede ihre Erfolge klein oder schaffe es nicht, diese gut in der Öffentlichkeit zu verkaufen.

Dabei ist die Antwort ganz einfach. Die SPD macht keine gute Politik in der Großen Koalition. Sie sorgt nicht für Verbesserungen, sondern bezahlt reine Symbolpolitik mit teuren Zugeständnissen an anderer Stelle. So hat die SPD dem aufgeweichten Kompromiss zur Grundrente nur bekommen, weil sie im Gegenzug unter anderem einem sogenannten „Zukunftsfonds“ zustimmte, der künftig bis zu 10 Milliarden Euro für Unternehmen bereitstellen soll. Dieser Beschluss ist weitgehend untergegangen in der Berichterstattung, zeigt aber, wie ungleich gewertet wird. Denn die Grundrente mit Kosten von etwa 1,5 Milliarden Euro gilt als schwer zu finanzieren und an der Genze des Machbaren.

Ebenso hat die SPD einer weiteren Absenkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung zugestimmt, obwohl der Beitrag zu Beginn dieses Jahres schon gefallen ist. Dieser Schritt ist vollkommen absurd, wie ich hier bereits schrieb. Denn die Absenkung der Beiträge reißt nicht nur Löcher in die Kassen der Sozialversicherung – und das mitten in einer Rezession -, sie führt folglich auch dazu, dass angedachte Programme des Arbeitsministers zur Stärkung des Leistungskataloges, wie etwa ein Ausbau der Beruflichen Weiterbildung, kaum stattfinden können. Die SPD trägt also mit ihren Kompromissen vor allem zum weiteren Sozialabbau bei.

Der Schaden der damit angerichtet wird, ist viel größer, als der geringe Nutzen, der vielleicht durch eine Grundrente entsteht, von der nur wenige profitieren. Wobei ein geringer Zuschlag zur Grundsicherung nun keinesfalls etwas ist, dass man sonderlich positiv herausstellen sollte. Dennoch wird in den Medien wie auch in SPD-Kreisen so getan, als sei ein großer Wurf gelungen. Das ist unredlich. Johannes Kahrs sagt, man habe schließlich keine 100 Prozent, sondern nur 20 Prozent. Damit rechtfertigt er im Grunde die miesen Kompromisse, die er und seine Gefolgsleute zu verantworten haben. Er widerspricht sich damit aber auch selbst, wenn er wie andere behauptet, dass die Regierungspolitik die Handschrift der SPD trage.


Bildnachweis: Screenshot, Bericht aus Berlin vom 1. Dezember 2019

1

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge

Kommentare

  1. Dieter  Dezember 3, 2019

    Das „positve“ Bild der SPD spiegelt sich in den Umfragen, in der Bevölkerung wieder.
    siehe
    https://www.wahlrecht.de/umfragen/

    Die Wahlergebnisse von nur 20,5 % bei der letzten Bundestagswahl, war schon grottenschlecht.
    Aber aktuell, bei durchschnittlichen Umfragenwerten von 14 %, wäre das Ergebnis von 2017, sogar noch ein Traumergebnis !

    Hier mal die historischen Werte zum Vergleich:

    https://www.bundestag.de/parlament/wahlen/ergebnisse_seit1949-244692