Im Prinzip gibt es nichts Neues bei der Grundrente zu vermelden. Der Kompromiss, der jetzt verkündet worden ist, lag eigentlich schon seit Monaten auf dem Tisch. Nur der Zeitpunkt war entscheidend. Kurz nach der beschönigenden Halbzeitbilanz der Bundesregierung, die für Kritik gesorgt hatte, kommt nun der medial inszenierte Durchbruch bei der Grundrente, der den GroKo-Befürwortern hilft, auf den anstehenden Parteitagen für eine Fortsetzung des Bündnisses zu werben. Die Einigung wird auch Olaf Scholz plus Zählfrau helfen, den Vorsitz der SPD zu übernehmen, nachdem sich schon eine Reihe von Funktionären für ihn ausgesprochen hatten. Abgesehen davon fällt an der Einigung zur Grundrente aber etwas anderes auf.
Das Geschenk für die Union ist eine abermalige und vor allem aberwitzige Absenkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung von 2,5 auf 2,4 Prozent. Das klingt nicht nach viel, entspricht aber rund 1,2 Milliarden Euro an Beiträgen pro Jahr. Bemerkenswert ist das auch, weil bereits zum 1. Januar 2019 eine Beitragssatzsenkung von 3 auf 2,6 Prozent stattgefunden hat (Kosten 6,2 Milliarden Euro), plus eine weitere befristete Senkung um 0,1 Prozent (Kosten 1,2 Milliarden Euro) bis 2022. Das taucht in der Berichterstattung aber gar nicht auf. Bereits im letzten Jahr gingen Union und SPD deutlich über das hinaus, was im Koalitionsvertrag mit einer Senkung von 0,3 Prozent vereinbart worden war.
Das heißt, die Union bekommt die doppelte Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages um 0,6 Prozent bis Ende 2022. Das freut nicht die Arbeitnehmer, sondern vor allem die Arbeitgeber. Die Bundesagentur für Arbeit, die sich gerade für die Konjunkturflaute rüstet, dürfte diese Entscheidung überraschen, hat man doch gerade begrüßt, dass es keine weiteren Beitragssatzsenkungen geben wird.
Spielraum für eine weitere Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags, der zu Jahresbeginn von 3,0 auf 2,5 Prozent reduziert worden war, sieht der Verwaltungsrat angesichts der Konjunkturlage nicht.
Quelle: Handelsblatt
Die Behörde rechne zudem mit einer steigenden Zahl an Kurzarbeitern und hat auch den Ansatz für das Insolvenzgeld erhöht. Gleichzeitig soll viel Geld in die Weiterbildung fließen. Die Bundesagentur ist auch für die Auszahlung von Kindergeld und Kinderzuschlag zuständig. Beim Personaltableau wolle man aber jetzt schon innehalten, heißt es.
Was hat nun die SPD im Gegenzug bekommen? Eine Grundrente mit Bedürftigkeitsprüfung, die jetzt Einkommensprüfung heißt und deutlich weniger kostet als das Milliardendefizit, das in die Kasse der Arbeitslosenversicherung gerissen wird, obwohl die Wirtschaft weiterhin auf Rezessionskurs ist. Das Statistische Bundesamt wird am Donnerstag vermutlich einen weiteren Rückgang der Wirtschaftsleistung bekanntgeben. Im Angesicht dieser trüben Aussichten, ist es geradezu verrückt, die Einnahmebasis und letztlich auch die Rücklagen der Arbeitslosenversicherung derart und offenbar unabgestimmt mit der Bundesagentur zu beschneiden. Gerade in einer Rezession können die Reserven schnell dahinschmelzen, wie die Jahre 2008 bis 2010 zeigen.
Pikant ist auch, dass bereits beim offiziellen Rentenpaket der Bundesregierung im August 2018 die übermäßige Beitragssatzsenkung in der Arbeitslosenversicherung beschlossen wurde. Erst dann bekam die SPD ihre doppelte Haltelinie in der Rentenversicherung, die zwar nicht vor Altersarmut schützt, aber schön klingt. Die SPD bekam auch eine Verbesserung der Erwerbsminderungsrente, von der allerdings nicht die Bestandsrentner profitieren dürfen. Arbeitsminister Hubertus Heil setzte damals im Streit mit der Union auch noch eine stärkere Förderung in der Beruflichen Weiterbildung durch, damit die SPD ihr Gesicht wahren konnte. Für die Galerie, wie sich heute zeigt. Denn bei immer weiter sinkenden Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung wird das alles kaum noch zu finanzieren sein.
Die SPD verhandelt einfach gnadenlos schlecht. Zur Grundrente an sich ist eigentlich schon alles gesagt. Sie ist und bleibt ein schäbiger Witz.
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.