Alle reden immer davon, dass Andreas Scheuer der Skandalminister dieser Regierung ist und zurücktreten sollte. Über den hanebüchenen Unsinn, den Wirtschaftsminster Peter Altmaier von sich gibt, redet dagegen kaum jemand. Das liegt aber auch daran, dass Journalisten nicht nachhaken und offenbar unfähig sind, die ungeheuerlichen Aussagen zu erkennen und den Minister damit zu konfrontieren. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat solch ein schlechtes Interview gerade wieder abgeliefert. Es ist wirklich ärgerlich. Man sollte das RND umbenennen in Regierungsnetzwerk Deutschland, denn dieses total unkritische Interview hätte auch der Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus mit seinem Kollegen führen können.
Die Leistung der beiden Hochkaräter in der Berliner Journalisten-Blase, Gordon Repinski und Andreas Niesmann, ist wirklich unterirdisch. Sie teilen offenbar die volkswirtschaftliche Inkompetenz des Bundeswirtschaftsministers. So lassen sie die Aussage Altmaiers unwidersprochen stehen, wonach die Wirtschaft unbedingt weitere Entlastungen in Form von Steuersenkungen bräuchte. Dabei schwimmen die Unternehmen im Geld und kaufen damit seit Jahren unter anderem ihre eigenen Aktien zurück, statt zu investieren. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, da die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen eben nicht besonders hoch ist, sondern immer schwächer wird. Was sollten weitere Steuersenkungen also anderes bringen, als noch mehr Cash für die Unternehmen? Die Nachfrage ist doch das Problem. Ohne sie gibt es keine Investitionen. Doch die RND-Journalisten wissen das offensichtlich nicht und stellen daher auch keine kritische Nach-, sondern lieber eine stichwortgebende Verständnisfrage:
Stichwortgeber ohne Verstand
Haben Sie und die CDU nicht immer gesagt, dem Land gehe es gut?
Wie bestellt darf Altmaier dann von einem unglaublichen Aufschwung fantasieren und eine Warnung aussprechen, dass dieser Gefahr laufe, verspielt zu werden. Dabei hat Deutschland nie einen Boom erlebt. Der Blick auf die Zahlen zeigt, dass die Produktion schon längst wieder das niedrige Niveau früherer Jahre erreicht hat. Die Nachfrage aus dem Inland bewegt sich sogar noch darunter, was wiederum bedeutet, dass sie gerade nicht als Stabilitätsanker bezeichnet werden kann. Die Regierung tut es trotzdem, um eine Diskussion zu unterdrücken, die sich mit aktiver Nachfragepolitik beschäftigt. Konjunkturprogramme stünden aber für eine Politik alten Stils und seien teure Strohfeuer, so der Minister. Die Reporter Repinsiki und Niesmann lassen auch diesen Blödsinn einfach stehen, vermutlich, weil sie ihn schon so oft von Altmaiers Vorgängern gehört haben.
Dabei trägt genau diese veraltete Politik mit dazu bei, dass Deutschland überhaupt Wachstum hat und sich Exportweltmeister nennen darf. So wird aktuell berichtet, dass die geringeren Wachstumsraten in China und den USA Auswirkungen auf die Aussichten Deutschlands hätten. Sollte die Dynamik bei diesen wichtigen Handelspartnern also weiter nachlassen, wäre es selbst aus neoliberaler Sicht vollkommen fahrlässig, die eigene Konjunkturpolitik nicht zu aktivieren. Doch weder Altmaier noch die beiden RND-Journalisten haben etwas für simple Logik übrig. Das ganze Interview dient ohnehin nur dazu, die Probleme der Koalitionspartner untereinander zu beleuchten. Herrn Altmaier wird Gelegenheit gegeben, das zu sagen, was ihn an der SPD stört.
Da wird dann zum Beispiel gefragt, dass in der SPD die Forderung, überhaupt keine Waffen mehr zu exportieren, insbesondere in Länder wie Saudi-Arabien, immer populärer werde und wie der Minister die Sozialdemokraten in dieser Frage zu Zugeständnissen bringen wolle. Warum verweisen Repinski und Niesmann nicht einfach auf den Koalitionsvertrag, in dem eine restriktive Rüstungsexportpolitik schließlich vereinbart worden ist. Mit ihrer tendenziösen Frage stellen es die beiden Hauptstadtjournalisten so dar, als habe sich die SPD aus irgend einer Laune heraus (populär) etwas gänzlich Neues einfallen lassen, um die Regierungsarbeit zu erschweren. Noch einmal, diese Frage hätte Ralph Brinkhaus vermutlich genauso gestellt.
Drei schwarze Nullen an einem Tisch
Infam ist auch die Diskussion um die Sozialpolitik. Altmaier spricht von Wohltaten. Die beiden Journalisten nehmen das auf und lassen es irgendwie gleichgültig an sich vorüberziehen, dass ein auf 48 Prozent brutal zusammengestrichenes Rentenniveau etwas mit Bäumen zu tun hätte, die unaufhaltsam in den Himmel wachsen. Die Rentenerhöhungen seien in den letzten Jahren bereits ein großes Geschenk gewesen, darf Altmaier unwidersprochen behaupten. Dieser Quatsch bleibt ebenfalls so stehen. Den beiden Journalisten fällt nichts mehr dazu ein, zu wachsender Altersarmut vielleicht, mit der man Altmaiers Position leicht widerlegen könnte. Doch diese Entwicklung kennen die beiden offenbar genauso wenig, wie den Zusammenhang zwischen Einkommen, Nachfrage und Konjunktur.
Dass das RND nun aber ein Regierungsnetzwerk ist, dass dem Wirtschaftsminister von der CDU bloß eine PR-Plattform geboten hat, wird letztlich auch daran deutlich, dass Altmaier die geplante Grundrente als eine versicherungsfremde Leistung geißeln darf. Die Finanzierung aus Mitteln der Beitragszahler wäre eine zusätzliche Belastung der Wirtschaft, die unbedingt vermieden werden müsse, so Altmaier. Warum zum Teufel sprechen die beiden Journalisten den Minister dann nicht auf die Mütterrente an, deren Kosten ausschließlich auf Drängen der Union dem Rentenversicherungssystem aufgebürdet worden sind, obwohl es sich bei dieser Leistung doch um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, die folglich aus Steuermitteln hätte finanziert werden müssen.
Wieso erfährt der Leser solche wichtigen Zusammenhänge und Widersprüche nicht? Ob es wohl daran liegt, dass drei schwarzen Nullen an einem Tisch miteinander gesprochen haben?
Bildnachweis: geralt / Pixabay
OKT
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.