Hurra, es gibt ein Brexit-Abkommen. Die Meldung verwirrt, denn einen Deal hat es vorher auch schon gegeben, fand aber dreimal keine Mehrheit im britischen Unterhaus, auf das es nun aber einmal ankommt. Vermutlich wird nun auch das von Juncker, Johnson und Co. gefeierte Up- oder Downgrade, je nach Auslegung, dasselbe Schicksal erleiden und bei den Parlamentariern in London am Wochenende durchfallen. Schließlich hat der amtierende Premierminister keine eigene Mehrheit. Entscheidend ist aber etwas anderes, was eigentlich jedem mittlerweile klar sein dürfte. Trotz der vielen Deals und Deadlines gibt es auch weiterhin keinen Brexit.
Dazu muss man sich nur anschauen, was da als Kompromiss angeboten wird. Wie soll denn die Regelung funktionieren, die anstelle des Backstops für die irische Insel gefunden wurde? Die Briten bekommen zwar die Zollhoheit zurück, aber dann auch wieder nicht. So soll sich Nordirland weithin an bestimmte EU-Warenstandards halten, was die Briten in den nordirischen Häfen überprüfen müssen. Ein Zwittergebilde sozusagen. Es gibt eine Zollpartnerschaft mit der EU und eine Zollunion mit dem Vereinigten Königreich. Viel Spaß bei der Umsetzung. Wie die komplexe Regelung in der Realität funktionieren soll, weiß auch EU-Chefunterhändler Michel Barnier nicht so genau. Der Independent berichtet:
The EU did not initially reject the proposals out of hand when they were published on 2 October, but yesterday Michel Barnier told EU diplomats that he did not see how the complex proposals in relation to Ireland could work.
Die Beibehaltung des Sonderstatus wird darüber hinaus dem nordirischen Parlament übergeben. Was ist dann aber, wenn die in vier Jahren entscheiden, ist Mist, weg damit? Dann steht wieder die Frage einer harten Grenze auf der irischen Insel im Raum und die EU wäre düpiert. Aber das ist dann auch etwas für die Verhandlungen, die mit dem Brexit eigentlich erst beginnen. Diese Tatsache wird ja leider immer wieder unterschlagen. Die formale Trennung zum jetzt 31. Oktober heißt ja nicht, raus und Schluss, sondern wieder ran an den Verhandlungstisch. Denn die künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU sind noch überhaupt nicht geklärt. Das wird Jahre dauern.
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OKT
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.