Die Bundesregierung ist nun auch zu der Überzeugung gelangt, dass der Iran verantwortlich für die Drohnen-Angriffe auf saudische Ölanlagen am 14. September sein muss. Es gebe keine andere plausible Erklärung, heißt es lapidar in einer gemeinsamen Erklärung mit Frankreich und Großbritannien. Die unoriginelle, ja mitunter langweilige Erzählung von der Rückkehr des Schurken erlaubt den Europäern eine wenig elegante Wende in jener diplomatischen Sackgasse, in die sie durch das völkerrechtswidrige Verhalten der USA mit der einseitigen Aufkündigung des Iran-Abkommens geschlittert sind. Statt eine eigene souveräne Position in der Sache zu entwickeln und den Bruch eines Beschlusses des UN-Sicherheitsrates durch die USA zu verurteilen, haben sich die Europäer erst für halbherzige Bekenntnisse, dann für ein Realitäten verweigerndes Nichtstun und jetzt für das Duckmäusertum entschieden.
Als die USA den „Iran-Deal“ einseitig aufkündigten, setzte das eine Reihe von Entwicklungen in Gang. Die Amerikaner konnten wieder Sanktionen verhängen, was sie auch bis heute in steigender Intensität tun. Der Iran wiederum drohte damit, sich dann ebenfalls nicht mehr an die Verpflichtungen aus dem Abkommen halten zu wollen und beispielsweise die Anreicherung von Uran wieder aufzunehmen. Die Europäer erweckten wiederum lange Zeit den Eindruck, das Abkommen erhalten zu können, obwohl die Amerikaner auch ihnen mit wirtschaftlichen Sanktionen drohten. Es folgte die große europäische Passivität, was den Iran wiederum zu einem Ultimatum zwang, das eigentlich mehr eine Aufforderung an die Europäer und andere verbliebene Vertragspartner war, sich an das Abkommen und die eigenen Verlautbarungen zu halten.
Die Europäer wiesen allerdings die im Grunde verständliche Forderung Teherans brüsk zurück und verlangten wiederum die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen. Eskalierende Schritte sollten unterbleiben, so die Botschaft der Europäer an Iran. Dabei hatten ausschließlich die USA für eine Eskalation der Lage am Persischen Golf gesorgt. Mehr als ein Bedauern dieses aggressiven Verhaltens war aber von Seiten der Europäer nie zu hören. Aus dem Verstoß gegen eine rechtsverbindliche Entscheidung des UN-Sicherheitsrats wurde sogar verharmlosend ein Rückzug gemacht. Der Drohnen-Angriff auf die saudischen Ölraffinerien bot schließlich einen holprigen Ausweg an. Trotz eines Bekenntnisses der Huthi-Rebellen im Jemen, was die Urheberschaft der Angriffe anbelangt, ignorieren die Europäer diese Faktenlage. Sie schließen sich der mit den Saudis eilig abgestimmten Interpretation der Amerikaner an.
Das hat mit eigenem souveränen Handeln in der Außenpolitik nichts mehr zu tun. Beschämend ist auch, dass sich die Bundesregierung zu der Formulierung „full solidarity with the Kingdom of Saudi Arabia“ hinreißen ließ. Das zeigt, dass der von Saudi-Arabien brutal geführte Krieg im Jemen sowie der in Auftrag gegebene Mord in einer Botschaft auf türkischen Boden gar keine Rolle mehr in den Beziehungen spielen. Das Regime in Riad genießt größtmögliche Narrenfreiheit. Folglich erklären die Europäer zu allem Überfluss auch noch, dass der Angriff auf die Öl-Anlagen ein Schlag gegen die gesamte Welt gewesen sei. Vom Iran wird wiederum verlangt, sich zunächst uneingeschränkt an das bestehende Abkommen zu halten und sich in einem weiteren Schritt zu Verhandlungen mit den USA bereitzuerklären, die genau das bestehende und rechtlich verbindliche Abkommen einseitig gebrochen haben, was die Europäer in ihrer Erklärung wiederum mit keinem Wort erwähnen.
Auf diese Weise schafft man keine Stabilität in der Region und zerstört auch jede Grundlage für Diplomatie, obwohl Gegenteiliges in der Erklärung geheuchelt wird. Die Europäer haben sich entschieden. Sie sind aus Feigheit gegenüber den USA für die weitere Eskalation am Persischen Golf und nicht dagegen.
Bildnachweis: Screenshot, Webseite der Bundesregierung, 24.09.19
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.