Die Klimaschutzziele werden nicht eingehalten. Das räumt auch die Bundesregierung ein. Mehr war halt nicht drin, doch ein Anfang sei immerhin gemacht, heißt es aus den Reihen der Großen Koalition. Die massive Kritik an den Ergebnissen des nächtelangen Ringens zeigt aber, dem Klimapaket wird die Annahme verweigert. Mehr als teure Homöopathie sei nicht gelungen und eine Lenkungswirkung werde folglich ausbleiben, sagten die Umweltverbände. Das Klimakabinett wird als Klimakabarett verspottet, dem unter viel Tamtam lediglich gelungen sei, das Problem an künftige Regierungen weiterzureichen. Ganz falsch ist das nicht, aber Klimaschutz gelingt eben auch nicht im luftleeren Raum.
Die Demonstrationen vom vergangenen Freitag beeindrucken. Über eine Million Menschen nahmen bundesweit an Protestaktionen für mehr Klimaschutz teil. Das gibt Rückenwind für die Wissenschaftler, die das beschlossene Klimapaket als großes Desaster oder einen Totalausfall der politisch Verantwortlichen bewerten. Richtig ist, dass Gesetze keine Maßnahmen ersetzen. So ist die Ankündigung eines Klimaschutzgesetzes, das jedes Jahr Überprüfungen vorsieht und eine Option zum Nachsteuern eröffnet, tatsächlich kabarettreif. Denn schon heute ist klar, dass die beschlossenen Maßnahmen nicht wirken, also eigentlich schon jetzt nachgesteuert werden müsste.
Verpasste Konjunkturpolitik
Die Bundesregierung tut aber so, als müsse man den Einstieg in die neue Klimapolitik erst einmal abwarten, offenbar in der irrigen Annahme eines anderen Ergebnisses. Das ist Bürgerverdummung. Es geht natürlich darum, das bestehende Problem weiter in die Zukunft zu verlagern, auch weil die Regierung nicht bereit ist, nennenswert Gelder zur Verfügung zu stellen, um Klimaschutz beispielsweise mit aktiver Konjunkturpolitik zu verknüpfen. Dies wäre aber angesichts der bereits begonnenen Rezession ein sinnvolles politisches Programm. Doch die Schwarze Null muss halten. Dafür feierten sich die Koalitionäre letzten Freitag schließlich auch.
Sie bewegen dennoch rund 54 Milliarden Euro aus Bordmitteln, wie dem Finanztableau des Klimakabinetts zu entnehmen ist. Doch schaut man genauer hin, sind es eigentlich nur rund 5 Milliarden Euro in zwei Jahren Restlaufzeit dieser Regierung. Alles was darüber hinaus vereinbart worden ist, steht unter dem Vorbehalt einer künftigen Bundesregierung. Gewöhnlich nennt man so etwas daher auch ungedeckte Schecks. Viele Ausgaben, die als neu deklariert werden, sind bereits verplante Gelder aus dem sogenannten Energie- und Klimafonds. Dennoch gibt es 5 Milliarden Euro neue Investitionen, die aber, folgt man der Logik der Schwarzen Null an anderer Stelle zwingend wieder eingespart werden müssen. Neue Kredite sind schließlich tabu.
Das heißt, eine sinnvolle Klimaschutzpolitik scheitert in erster Linie am bornierten Haushaltsdogma und weniger an der Lobbyhörigkeit der Politik. Sie spielt sicher eine Rolle, gar keine Frage, die Bedürfnisse der Automobilindustrie und anderer werden auch weiterhin wacker verteidigt, aber ausschlaggebend ist einmal mehr der Irrglaube, nur ausgeglichene Haushalte und der Verzicht auf neue Schulden hätte etwas mit solider und verantwortungsbewusster Finanzpolitik zu tun. Spannend wird ja die Frage sein, wer auf 2,5 Milliarden Euro im kommenden und auf 2,5 Milliarden Euro im Wahljahr 2021 verzichten soll. Die Haushälter, die eigentlich Buchhalter genannt werden müssten, werden schon was finden. Kleiner Tipp: im Verteidigungshaushalt wird sicherlich nicht gespart.
Besessenheit bei Aktivisten
Auf der anderen Seite ist die Forderung nach einem radikalen Klimaschutz, ohne Rücksicht auf Verluste oder eine Folgenabwägung vollkommener Unsinn. Gern wird ja das Argument des zerstörten Planeten bemüht. Würde nicht sofort umgesteuert, sei alles verloren. Diese Endzeitstimmung bei weiten Teilen der Wissenschaft ist kontraproduktiv und blamabel zugleich, da doch klar sein müsste, dass Politik so nicht funktioniert. Heiner Flassbeck hat letzte Woche dazu alles geschrieben.
Die Klimaaktivisten müssen lernen, dass die Bewältigung der Klimafrage nicht im luftleeren Raum stattfindet. Sie findet in einem politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhang statt, der so ausgestaltet bleiben muss, dass die Bewältigung der Klimafrage in den demokratisch organisierten Staaten Mehrheiten generiert. Tut sie das nicht, wird die Klimafrage überhaupt nicht gelöst, sondern, wie heute schon in einigen wichtigen Ländern (USA, Brasilien) zu beobachten, einfach beiseite geschoben. Klimaforscher können nur sagen, was aus naturwissenschaftlicher Sicht (im luftleeren Raum also) notwendig wäre. Zur Suche nach tragfähigen Lösungen für die Entknüpfung von fossiler Energie und wirtschaftlich-sozialer Entwicklung in demokratischen Staaten können Klimaforscher absolut nichts beitragen.
Quelle: Heiner Flassbeck auf Makroskop
Mit anderen Worten: Die radikale Besessenheit, mit der Klimaaktivisten und Wissenschaftler Veränderungen anmahnen, wird der Sache nicht gerecht. Im Gegenteil. Wer pausenlos übertreibt oder Panik schürt und beispielsweise extreme Wetterlagen oder gar Waldbrände als Vorboten der Apokalypse beschreibt, nur um mehr Aufmerksamkeit für die Sache zu bekommen, agiert unredlich und hilft nur denen, die den menschengemachten Klimawandel am Ende ganz leugnen. Die Besessenheit der Klimaaktivisten ähnelt damit der Besessenheit der Haushälter, die auch allerhand Unsinn erzählen, nur um nicht von Schwarzer Null und Schuldenbremse abweichen zu müssen.
Eine Mehrheit muss gewonnen werden
Wer die Umfragen zur Klimapolitik genau betrachtet, wird leicht erkennen, dass den Menschen der Schutz der Umwelt sehr wichtig ist. Sie sind generell dafür, dass mehr getan werden müsse. Zum Beispiel wird ein Verbot des Einbaus von Ölheizungen begrüßt. Das verwundert nur überhaupt nicht, da eine Ölheizung heute für kaum noch einen Häuslebauer eine ernsthafte Option darstellt. Diese Maßnahme der Bundesregierung ist also nur für das Schaufenster gedacht, eine besondere Wirkung geht von ihr gerade nicht aus. Die Erhöhung der Pendlerpauschale wird von den Bürgern begrüßt, genauso wie eine höhere Besteuerung des Luftverkehrs, eben weil von ersterem sehr viele und von letzterem eher wenige betroffen sind.
Die Verteuerung der Krafstoffe, wie Benzin und Diesel finden die Bürger nun mehrheitlich falsch, weshalb die Regierung hier auch gar nicht radikal ansetzt, sondern eine Erhöhung um wenige Cent je Liter anstrebt, die beim täglichen Auf und Ab der Preise kaum auffallen dürften, dennoch bei Fortsetzung eine Mehrbelastung für mittlere und kleine Einkommen bedeuten. Aus Sicht der Wissenschaftler und Aktivisten ist das aber immer noch viel zu wenig. Wie wirkt das wohl auf die Menschen, die täglich mit dem Auto zur Arbeit pendeln müssen? Eine Lenkungswirkung wird es schließlich so oder so niemals geben können, da es schlichtweg an Alternativen mangelt. Der ÖPNV ist in den vergangenen Jahren auf Wettbewerb getrimmt worden. Um Beförderungsaufträge zu erhalten, müssen die in der Regel defizitär arbeitenden kommunalen Unternehmen bestimmte Wirtschaftlichkeitsquoten erbringen, was häufig mit Fahrplan- und Personalausdünnung einher geht.
Gerade auf dem Land ist der Bus schon lange weg und Lokalpolitiker versuchen mit ehrenamtlichen Projekten wie Mitfahrbänken die Lücke zu schließen. Um also eine Mehrheit der Bürger für höhere CO2-Bepreisung zu gewinnen, müssen die Alternativen verbessert oder erst wieder geschaffen werden. Das geht aber nur, wenn das schädliche Wettbewerbsdenken gerade in den Bereichen der klassischen Daseinsvororge endlich beendet und mit öffentlichem Geld auch in den Aufbau der erforderlichen Infrastruktur investiert würde. Über eine Ausweitung öffentlicher Leistungen wird aber gar nicht oder nur am Rande geredet, weder auf Seiten der durch und durch neoliberal geprägten Politik, noch auf Seiten der Klimaaktivisten, die an der Sprengkraft der sozialen Frage offenbar nichts Alarmierendes zu finden scheinen. Sie muss aber zuerst gelöst werden, vor allem weil sie eindeutig im Widerspruch zur Schwarzen Null steht.
Heißt: Wer am neoliberalen Weltbild unbedingt festhalten will, kann für den Klimaschutz nie eine Mehrheit gewinnen.
Bildnachweis: NiklasPntk auf Pixabay
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.