Wo Johannes, Ecki und Otto immer wieder irren

Geschrieben von: am 11. Sep 2019 um 10:20

Wenn sich der Johannes von der SPD, der Ecki von der CDU und der Otto von der FDP miteinander unterhalten, kommt immer ein großer Konsens heraus. Die Schuldenbremse ist gut und muss bleiben. Der grüne Sven-Christian mag die Schuldenbremse eigentlich nicht, hat aber keinen Mut, deren Abschaffung lauter zu fordern. Man wolle sie natürlich erhalten, aber eben auch weiterentwickeln, um klare Vorgaben für Investitionen darin zu verankern. Man erfindet neben schwarzer und roter dann eben noch die grüne Null. Die Schuldenbremse ist leider populär, auch weil man den Menschen immer noch weismacht, sie habe etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun.

Exkurs zum Überschuss

Neulich war zu lesen, dass Bund und Länder einen Überschuss von rund 45,3 Milliarden Euro erzielt hätten. Eine Überraschung sei das, da niemand erklären könne, woher denn bloß diese Milliarden kämen. Dabei ist das ganz einfach. Die Annahmen der Einnahmeentwicklung, auf die sich der Überschuss ja bezieht, waren wie so oft schlichtweg falsch. Aber das haben Schätzungen nun einmal so an sich. Man könnte also der Frage nachgehen, welche vermeintliche Expertise hinter den falschen Annahmen steckt und diese kritisieren.

Hinzu kommt, dass in den Überschuss auch die Haushalte der Sozialversicherungen eingeflossen sind, was völliger Unsinn ist, da es sich hier um Beiträge von Versicherten und nicht um Steuern handelt. Die Überschüsse der Sozialversicherungen sind auch wichtig, weil sie als Polster für schlechte Zeiten gebraucht werden und demzufolge schnell wieder verschwinden können, wenn die Bundesregierung Konjunkturpolitik für weitgehend entbehrlich hält. Und da sind wir fast wieder bei der Schuldenbremse.

Der Haushaltsüberschuss wird als eine positive Nachricht verbucht, weil die öffentliche Hand mehr eingenommen als ausgegeben hat. Das klingt vernünftig. Man hat schließlich etwas über und muss daher keine zusätzlichen Schulden aufnehmen. Andersherum ergibt es volkswirtschaftlich aber erst einen Sinn. Die öffentliche Hand hat viel weniger ausgegeben, als sie hätte ausgeben können. Konkret heißt das, dass die Finanzpolitik von Bund und Ländern der Volkswirtschaft effektiv Nachfrage entzogen hat. Denn die Ausgaben des Staates sind wiederum Einnahmen und Einkommen anderer Sektoren der Volkswirtschaft.

Peinlich daneben

Dass diese Form der Haushaltspolitik nicht gut ist, zeigen die durchweg niedrigen Wachstumsraten. Deutschland befindet sich deshalb in einer Rezession. Ende 2017 und Mitte 2018 waren die Höhepunkte des Konjunkturzyklus erreicht, wie die Zahlen aus dem produzierenden Gewerbe belegen. Seit dem geht es stetig bergab. Wie die Haushaltsdebatte im Bundestag aber zeigt, sind sich die Parlamentarier darüber überhaupt nicht bewusst. Die Konjunkturschwäche wird entweder immer noch als Delle identifiziert oder aber als ein Unheil empfunden, dass entweder durch Niedrigwasser im Rhein ausgelöst oder durch die Handelsstreitigkeiten entstanden sei, die der Irre im Weißen Haus zu verantworten hat.

Für deutsche Finanz- und Wirtschaftsminister ist das unglaublich bequem. Sie können immer wieder auf externe Einflüsse verweisen, die irgendwie überzeugend klingen, aber letztlich nur dazu dienen, das eigene Versagen zu kaschieren. Folglich spielt eine aktive Konjunkturpolitik auch kaum eine Rolle. Alles was zählt, ist die Botschaft, keine neuen Schulden aufgenommen zu haben. Und da sind sich der Johannes, der Ecki und der Otto ja immer einig. Sie sagen, auch Schulden, die günstiger zu bekommen seien, müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Das mache ein privater Häuslebauer schließlich auch, der böse Staat in der Regel aber nicht. Leider daneben, allerdings nicht genial, wie im Fernsehen, sondern peinlich daneben, da Anleihen, nichts anderes sind staatliche Schulden, ebenso ihre Fälligkeiten besitzen.

Würde der Staat seine Schulden nie zurückzahlen, wären bundesdeutsche Anleihen nicht gerade die gefragtesten Papiere am Markt. Sie sind mittlerweile so begehrt, dass Investoren sogar auf einen Teil der Rückzahlung verzichten, nur um eine Anleihe zeichnen zu dürfen. Richtig ist natürlich, dass der Staat alte Schulden immer durch neue Schulden ersetzt, was auch völlig unproblematisch ist, da der Staat eben kein Privathaushalt mit natürlichem Ende ist, sondern per Definition ewig existiert, folglich auch immer Einnahmen hat und somit seine Schulden immer bedienen können wird. Gerade in den letzten Jahren war der Schuldentausch ein sehr lukratives Geschäft für den Finanzminister. Er konnte die Verpflichtungen aus dem Schuldendienst minimieren und somit erst das politische Ziel der „Schwarzen Haushaltsnull“ erreichen.

Wolf im Schafspelz

Verstünden Johannes, Ecki und der Otto aus dem Haushaltsausschuss tatsächlich etwas von Volkswirtschaft, würden sie erkennen, dass es mittlerweile viel zu wenige Schuldner gibt. Deshalb sind die Wachstumsraten und Zinsen historisch niedrig. Der Unterschied zu früher besteht nun darin, dass die Unternehmen inzwischen ebenfalls zu Nettosparern geworden sind und trotz anhaltender Nachfrageschwäche weiterhin gute Gewinne erzielen. Damit das so bleibt, sind weitere steuerliche Entlastungen das Ziel der gut bezahlten Lobbyisten. Die geforderten oder bereits angekündigten Steuersenkungen erhöhen die Gewinne der Unternehmen direkt. Nur die Politik glaubt, dass dadurch auch mehr Investitionen gelängen. Ein fataler Trugschluss, da ohne Nachfrage keine Notwendigkeit dafür besteht. So landen die zusätzlichen Gewinne ausschließlich in den Firmenbilanzen und als höhere Dividende schließlich auf den Konten der Anteilseigner.

Sorgen die nun wiederum für mehr Konsum. Nein, wäre das so, würde das überschüssige Kapital schließlich nicht zu Negativzinsen am deutschen Anleihemarkt feilgeboten. Da die Folgen der Rezession für die öffentlichen Haushalte noch nicht so spürbar sind, müssen die Steuererleichterungen jetzt kommen oder wie bei der Abschaffung des Solis bereits so vorbereitet werden, dass sie später nicht mehr zurückgenommen werden können. Im nächsten oder übernächsten Jahr wäre eine solche Politik, die ganz offen Unternehmen und Vermögende in diesem Land begünstigt, kaum noch zu vermitteln. Neoliberale Ökonomen im Dienste der Arbeitgeber, wie ein Michael Hüther vom IW in Köln, fordern gerade deshalb auch das Aufweichen der Schuldenbremse. Er hat keinesfalls erkannt, wie absurd das Instrument ist. Nein. Er spürt nur allzu genau, dass die Gelegenheit für Steuersenkungen so günstig wie nie ist. Nicht umsonst sagte er einmal, die Schuldenbremse wirke wie eine Bremse für Steuersenkungen und Investitionen.

Da reine Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung zwangsläufig zu Einnahmeausfällen des Staates führen, muss die Schuldenbremse umgangen werden. Mehr Schulden für weniger Steuern, das ist das klassische Modell des Neoliberalismus. Es braucht aber keine weiteren Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche, sondern eine gezielte Ausgabensteigerung des Staates, der mehr öffentliche Leistungen anbieten muss. Baustellen gibt es genug und natürlich auch jede Menge Wünsche der einzelnen Ministerien, die aber wegen der Schwarzen Null immer noch zurückgestellt werden müssen. Zu behaupten, mehr Geld würde ja am Ende gar nicht abgerufen, wie das einige Haushälter und die Bundesregierung immer wieder wahrheitswidrig tun, ist kompletter Unsinn. Pflege, Gesundheit, Arbeit und Soziales, Familien und Bildungspolitik, die Liste der strukturell unterfinanzierten Ressorts ist ellenlang. Der Finanzminister blockiert auch heute noch aktiv Ausgaben. Mit nennenswerten Aufwüchsen darf dagegen nur die Verteidigungsministerin tatsächlich rechnen. Ein fatales Signal.

Gabriel hat’s erfunden

Beinahe schon nach Slapstick klingt dann das, was Wirtschaftsminister Peter Altmaier vorschlägt. Er will 2 Prozent auf staatliche Schulden zahlen, obwohl er frisches Geld auch für -0,4 Prozent Zinsen bekommen könnte. Offiziell begründet Altmaier das damit, dass sich das Investment der Bürger wieder lohnen sollte. Diese Schnapsidee allein auf Altmaier zu schieben, ist aber auch zu billig. Ein gewisser Sigmar Gabriel hat sich dieses obskure Modell als Wirtschaftsminister zusammen mit Marcel Fratzscher, dem Chef des DIW, schon vor ein paar Jahren ausgedacht. Nun wird es wieder aus der Mottenkiste geholt. Man könnte deshalb schließen, die Dummheit kommt vom Amt, aber das ist falsch, sie lag bei den gänzlich ungeeigneten Ministern schon immer vor. Deutschland leistet sich in steter Kontinuität Idioten als Wirtschafts- und Finanzmnister. Das gilt auch für die meisten Bundesländer.

In Niedersachsen heißt der Finanzminister Reinhold Hilbers. Er ließ im August verkünden, dass ökologische und soziale Anliegen die Stabilität der Finanzmärkte und der öffentlichen Haushalte nicht gefährden dürfen. Das ist ungegheuerlich, da dem Minister nicht das Wohl der Menschen, sondern das der Finanzmärkte wichtiger ist.

Den Herausforderungen unserer Zeit müssen wir durch Prioritätensetzung begegnen. Unter nachhaltiger Politik verstehe ich nicht, der nächsten Generation einen Haufen Schulden für Klimaschutz, Bildung oder Digitalisierung zu hinterlassen.

Was schlägt der Minister aber nun vor? Green Bonds. Das klingt irgendwie hipp und vor allem nicht nach Schulden. Es sind aber welche und ziemlich teure dazu. Hilbers verkauft das deshalb als nachhaltiges Finanzprodukt und klingt dabei wie ein Banker, statt wie ein seriöser Finanzminister. Finanzminister sollten aber keine Banker und vor allem auch keine Kassenwarte sein, sondern etwas von Volkswirtschaft verstehen. Volkswirte wissen, dass es Investitionen überhaupt nur mit Verschuldung geben kann. Das dämmert ja auch den verantwortlichen Politikern, die nun aber, um das Glaubensdogma von Schuldenbremse und Schwarzer Null nicht zu erschüttern, zu völlig absurden Vorschlägen kommen.

Ruinöse Besessenheit

Der amerikanische Ökonom, Paul Krugman, hat kürzlich in seiner Kolumne für die New York Times treffend geurteilt: The World Has a Germany Problem (Die Welt hat ein Deutschland-Problem).

The problem, instead, is that the Europeans, and the Germans in particular, treat themselves badly, with a ruinous obsession over public debt. And the costs of that obsession are spilling over to the world as a whole.

Die Besessenheit auf Schuldenbremse und Schwarze Null ist ruinös. Schon die heutigen Generationen bekommen das zu spüren. Was soll man auch Tolles an Haushalten ohne neue Schulden finden, wenn gleichzeitig in den Schulen der Putz von den Wänden bröckelt. Unter diesen Bedingungen werden auch in Zukunft keine klugen Menschen heranwachsen, die das Mantra des öffentlichen Sparkurses infrage stellen, weil sie verlässlich berechnen können, wie viele Grundschullehrer ein Land in sechs Jahren braucht, wenn eine bestimmte Anzahl von Kindern geboren wird.

Und so stehen vermutlich auch morgen noch der Johannes, der Ecki und der Otto sich gegenseitig auf die Schulter klopfend im Foyer des Bundestages herum und behaupten, dass Investitionen in die Zukunft auch ohne neue Schulden möglich sind. In Wahrheit bremst die Schuldenbremse aber die Verschuldung nicht, sie bremst ganz klar die Konjunktur. Schrumpft das Bruttoinlandsprodukt, wie es sich derzeit abzeichnet, steigen gemessen daran auch die Schulden. Doch was ist dann? Für Johannes, Ecki und Otto kann es in ihrer beschränkten Logik ja nur einen Weg geben. Neue Privatisierungen von Volksvermögen und ein weiterer Abbau öffentlicher Leistungen für Bildung etwa oder für die soziale Absicherung.

Das Ergebnis: Eine noch größere soziale und ökonomische Spaltung des Landes. Oder anders ausgedrückt: Die drei Duzfreunde aus dem Haushaltsausschuss arbeiten stramm weiter an einem Konjunkturprogramm für die AfD.


Bildnachweis: FelixMittermeier / Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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