Kurz notiert: Faule Truppen

Geschrieben von: am 03. Sep 2019 um 7:41

Der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat mit einem Statement zur Arbeitsmoral der AfD im Bundestag für Aufsehen gesorgt. „Bäm!“, schrieb der SPD-Parteivorstand via Twitter (auch hier), als er Klingbeil in der Berliner Runde sagen hörte, dass die AfD die faulste Partei im Bundestag sei. Mehr Leute als den SPD-Parteivorstand beeindruckt diese Einschätzung aber kaum, da es nun nicht gerade so ist, dass der „Fleiß“ der anderen, den Menschen irgend etwas Vernünftiges eingebracht hätte.

Beispiel gefällig: Einen Tag nach dem Wahldebakel in Sachsen und Brandenburg folgen die üblichen leeren Ankündigungen. „Wir brauchen einen großen Wurf in der Klimapolitik, wenn wir als Regierung weiter eine Berechtigung haben wollen, das Land zu führen“, sagte Olaf Scholz dem Spiegel. Der macht daraus die Schlagzeile:

„Scholz erklärt Klimapolitik zur Koalitionsfrage“

Das ist völliger Unsinn, weil es ja nur darauf ankommt, irgend etwas zum großen Wurf zu erklären. Und so wird es auch kommen. Das hat die SPD gerade in dieser Regierung schon häufig gemacht, mit „Gute-Kita-Gesetz“, „Starke-Familien-Gesetz“ oder das bereits angekündigte „Arbeit-von-morgen-Gesetz“. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer tut Ähnliches und kündigte nichts Geringeres als die konsequente Erneuerung der CDU an. Das ist genauso hohl wie die Ankündigung, bei der Grundrente nun schneller vorankommen zu wollen, dann aber auf das bereits bekannte Verfahren zu verweisen, das man im letzten Koalitionsausschuss festgelegt hatte.

Nun wirft Klingbeil der AfD vor, gar kein Rentenkonzept zu besitzen. „Von allen anderen Oppositionsparteien weiß ich, wofür sie stehen, was sie bei der Rente ändern wollen. Bei der AfD nicht.“ Das ist nur die halbe Wahrheit. In der AfD gibt es sehr wohl Überlegungen zur Rente. Sie reichen von einer offenkundig verfassungswidrigen Stärkung des gesetzlichen Rentensystems nur für Deutsche bis hin zum feuchten Traum aller Neoliberalen, der vollständigen Privatisierung. Die Abgrenzungstrategie von Leuten wie Klingbeil bewirkt nun, dass die bestehende Verwandtschaft zwischen der AfD und den anderen neoliberalen Parteien verschwindet, denn auch die SPD verfolgt in der GroKo immer noch eine Teilprivatisierung des Rentensystems. Die Modernisierung des gescheiterten Riester-Modells ist Bestandteil des Koalitionsvertrages. Explizit wünscht man sich auch weiterhin den Ausbau der kapitalgedeckten Altersvorsorge als weiterer Säule, was ein großer Unfug ist.

Der AfD nutzt die Abgrenzungstrategie von Leuten wie Klingbeil auf der anderen Seite ebenfalls, weil sie tatsächlich so tun kann, als sei sie keine Partei mit radikalen neoliberalen Inhalten, also einfach Altpartei, um bei der Sprache der AfD zu bleiben. Das Verhalten von Klingbeil und anderen hilft also der AfD bei ihrem Anti-Establishment Image. Wenn man nun aber das Gegenteil möchte, müsste klargemacht werden, dass der Neoliberalismus gescheitert ist. Gerade die SPD müsste dann auch erkennen, jahrelang falsch gelegen zu haben. Sie müsste ihre Politik grundlegend ändern. Das ist aber nicht gewollt. Statt Erneuerung und Politikwechsel gibt es jetzt ein Kandidatenkarussell um den Parteivorsitz, das zum großen Event der parteiinternen Demokratie aufgeblasen wird. Dabei treten nur einigermaßen bekannten Alpha-Männchen mit weitgehend unbekannten Anstandsdamen an. Und alle waren natürlich schon immer links.


Bildnachweis: André Tautenhahn

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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