Die Serie peinlicher Äußerungen reißt bei der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht ab. Jüngstes Beispiel ist ihre Kritik an der Niedrigzinspolitik der EZB. Diese müsse aus Sicht von AKK überprüft und weitergehend eingebremst werden, weil sie zu Lasten klassischer Sparer gehe. Mal abgesehen von der Tatsache, dass die Zentralbank per Definition unabhängig zu sein hat, auch dann, wenn ihre Politik der CDU Chefin nicht gefällt, könnte man ja trotzdem fragen, was bei einer solchen Prüfung wohl herauskäme. Man würde sehr schnell herausfinden, dass die Antwort längst bekannt ist. Deutschland macht zu wenig neue Schulden.
Warum gibt es keine Zinsen auf Sparguthaben? Weil die EZB das verhindert, so die landläufige Meinung. Das macht die Zentralbank einfach so, ohne Grund, müsste man noch anfügen. Denn es könnte schließlich auch anders sein, wie AKK mit ihrem Prüfungsauftrag unterschwellig andeutet. Diese selten dämliche Sichtweise ist keinesfalls neu und offenbar dem Sommerloch geschuldet, das immer wieder mit unsinnigen Meinungsäußerungen geltungssüchtiger Politiker zugespamt wird. In diesem speziellen Fall ist es aber auch der Tatsache geschuldet, dass der Bundesbankpräsident Jens Weidmann, die Inkarnation des arroganten deutschen „Übermenschen“, nach der Europawahl nicht Nachfolger von EZB-Chef Mario Draghi wird. Christine Lagarde soll den Job übernehmen, der man nachsagt, in geldpolitischen Dingen den Kurs Mario Draghis beibehalten zu wollen, was dumme Belehrungen von deutscher Seite quasi automatisch zur Folge hat.
Dumm deshalb, weil bis heute nicht verstanden wird, welche Funktion die niedrigen Zinsen der Zentralbank erfüllen. Sie sind ein Zeichen für mangelnde konjunkturelle Dynamik und dienen folglich dazu, die dahinsiechende Wirtschaft vor dem totalen Absturz zu bewahren. Erreicht hat die EZB zugegebenermaßen bislang wenig. Das lag aber nicht an ihr, sondern daran, dass die Fiskalpolitik jämmerlich versagt hat. Das Mantra von der Schwäbischen Hausfrau mit strenger Haushaltsdisziplin, geprägt durch Schwarze Null und Schuldenbremse dominiert das Verhalten der deutschen Regierung. Hinzu kommt der Fiskalpakt auf europäischer Ebene, der die strikte Einhaltung von Defizit- und Schuldengrenzen verlangt. Gerade erst hat die Bundesregierung ihr Ziel der Schuldenvermeidung noch einmal bekräftigt, trotz sich eintrübender Konjunktur. Wir müssen den Gürtel also wieder enger schnallen. Die schwarze Null habe schließlich oberste Priorität. Aber dass es nun immer noch keine Zinsen auf Sparguthaben gibt, das finden wir doof.
Deutschland muss sein Sparproblem selbst lösen
Deshalb Leitzinsen einfach anheben? So direkt wird das nicht gesagt, weil es Schwachsinn ist. Denn höhere Zinsen würden den Abwärtstrend noch beschleunigen. Man käme mit dem Stanzen neuer Löcher im Gürtel gar nicht hinterher und das Gejammer über den Sozi im Finanzministerium, der glaubt, mit der Politik seines noch dümmeren Vorgängers alles richtig zu machen und endlich ersehnte Anerkennung ernten zu können, wäre unbeschreiblich groß. Es geht also vor allem darum, die EZB als Hort des Bösen darzustellen. Gelernt werden muss allerdings, dass die Geldpolitik ausgereizt ist und die Stunde klug agierender Finanzminister geschlagen hat. Das Problem liegt bei ihnen nicht bei der EZB. Sie müssen ihre bornierte Haltung aufgeben, endlich mehr Schulden zulassen und dadurch auch mehr Nachfrage im Inland erzeugen. An der mangelt es nämlich weit und breit, was auch erklärt, warum es kaum Investitionen und folglich zu niedrige Zinsen gibt.
Frau AKK hat ja zurecht beklagt, dass viel Kapital ins Ausland abflösse. Was sie aber unterschlägt, ist die Ursache. Das deutsche Exportmodell, das anderen Ländern nicht nur deutsche Billigprodukte, sondern auch Arbeitslosigkeit beschert. Die deutsche Wirtschaft produziert mehr, als im Inland selbst verbraucht wird. Die Verschuldung des Auslands wächst. Auf Dauer ist das schädlich. Hier müsste die Politik umsteuern. Doch der deutsche Wirtschaftsminister, der offenbar lieber nach Brüssel gegangen wäre, spult das übliche Programm ab. „Starke transatlantische Beziehungen nutzen beiden Seiten. Ich möchte daher auf meiner Reise verdeutlichen, wie wichtig konfliktfreie Wirtschaftsbeziehungen für beide Seiten sind: Sei es in traditionellen Bereichen wie der Autoindustrie oder auf den Zukunftsmärkten der Digitalisierung.“
Doch dafür muss Deutschland sein Sparproblem selbst lösen. Wenn private Haushalte und Unternehmen Nettosparer sind, muss der Staat in die Vollen gehen. Aufgaben gibt es genug zu erledigen, wie beispielsweise der gigantische Investitionsstau in den Kommunen beweist. Gleichzeitig muss sich die Lohnpolitik ändern. Die Einkommen müssen wieder deutlich steigen. Es muss deshalb vor allem eine Absage an Niedriglohnsektor und Exportnationalismus geben. Nur dann gibt es auch konfliktfreie Wirtschaftsbeziehungen und es klappt auch wieder mit den Zinsen. Die Sparer sind jedenfalls nicht die Leidtragenden der Geldpolitik, wie die Prüfungsschummler aus der CDU, aber auch aus anderen Parteien suggerieren, sondern Opfer eines ruinösen neoliberalen Wirtschaftsmodells, von dem AKK und Co per se nicht lassen wollen.
JUL
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.