Heute bestimmt die SPD das Verfahren zur Wahl eines oder mehrerer Parteivorsitzenden. Parteiführung und Medien nehmen diesen absurden Vorgang total ernst. Generalsekretär Lars Klingbeil ist sogar regelrecht euphorisch, weil es in den vergangenen Tagen so viele Vorschläge gegeben habe, wie ein Verfahren aussehen könnte. „Der Optimismus und die Aufbruchstimmung, die ich aus euren Antworten mitnehme, sind ansteckend! So mag ich die SPD“, sagt Klingbeil. Das Ganze erinnert allerdings ein wenig an Monty Python’s Life of Brian. Nur das die Volksfront von Judäa bei ihren Debatten viel unterhaltsamer war. Die SPD dagegen ist inzwischen sterbenslangweilig mit ihren albernen Versuchen, Mitglieder und Öffentlichkeit zu beschäftigen.
Eigentlich ist das Verfahren für Wahlen in der SPD klar geregelt. Dafür gibt es ein Organisationsstatut. Darin heißt es, dass die Wahl des Parteivorstandes durch einen Parteitag in getrennten Wahlgängen erfolgt. Erst der oder die Vorsitzende, danach die „sechs“ Stellvertreter, der Generalsekretär, Schatzmeister usw. usf. Da muss man kein neues Verfahren erfinden. Entscheidend ist das ja auch nicht, sondern vielmehr die Frage, wer den Job des Vorsitzenden übernimmt und welches inhaltliche Profil er oder sie vertreten soll. Da sieht es bislang weiterhin sehr mau aus.
Es gibt keinen populären Kandidaten und eine inhaltliche Politikwende sowieso nicht. Viele haben bereits abgewunken, darunter die halbe Parteispitze, also die drei Stellvertreter, die die Partei im Augenblick leiten und der Stellvertreter Olaf Scholz, der, als er gefragt wurde, angab, seine gesamte Kraft für den Posten des Finanzministers zu benötigen. Dieses Argument sorgte wiederum für einigen Spott in der Öffentlichkeit, da mehrere Ämter gleichzeitig auszufüllen, andere Sozialdemokraten durchaus hinbekommen haben. Ach herrje, darum geht es nur nicht. Olaf Scholz ist schlicht der unbeliebteste Politiker in der SPD, hat aber nicht die Traute, das auch offen zuzugeben.
Bei der Wahl zum Parteivorstand auf dem Parteitag in Berlin 2017 erhielt der Hamburger mit nur 59,2 Prozent das mit Abstand schlechteste Ergebnis. Ausgerechnet ihn als Parteivorsitzenden in Erwägung zu ziehen, wäre also ein weiterer Beitrag zur Selbstzerstörung der SPD. Diese Diskussion zeigt daher auch die Beschäftigungstherapie, in der sich die Medien befinden, wenn es um die SPD geht. Da sind nur Oberflächlichkeiten interessant, wie ein mögliches Wahlverfahren, für das sich die deutsche Ausgabe der „Volksfront von Judäa“ nun in Abwägung aller Argumente, aber bloß nicht so schnell, entscheiden will. Derweil die Umfragewerte weiter fröhlich sinken.
Das merkt nur keiner mehr, weil es dem glücklosen Parteivorstand wieder gelungen ist, die Parteibasis mit einer albernen Debatte einzulullen. So hört man überall plötzlich ein Gerede über Doppelspitzen. Sie sollen helfen. Mann und Frau, Ost und West, Groß und Klein, Dick und Doof, es ist letztlich aber vollkommen egal ohne ein brauchbares sozialdemokratisches Profil. Dem Generalsekretär schweben dagegen Teams vor, die Lust haben, was zu machen. Puh, dass man da bei einem Parteivorstand mit über 40 Mitgliedern nicht früher drauf gekommen ist. Was gemacht werden soll, bleibt allerdings vage oder ist Bestandteil des nächsten Laber-Treffs.
Dabei liegen die Vorschläge schon lange auf dem Tisch. Die NachDenkSeiten haben eine Reihe von Beiträgen dazu geliefert. Sie sollten Beachtung finden. Es kann ja nicht Anspruch der Sozialdemokratie Deutschlands sein, den Niedergang weiter sinnlos debattierend in Kauf zu nehmen oder, um bei Monty Python’s Life of Brian zu bleiben, auf die Judäische Volksfront und das Fliegende Suizidkommando zu warten.
JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.