Kurz notiert: Schon erstaunlich

Geschrieben von: am 27. Mai 2019 um 0:03

Zur Europawahl aus deutscher Sicht ein paar kurze Absätze…

  • Dramatische Verluste für die SPD. Die Analyse im Willy-Brandt-Haus lautet aber so: Man hätte mehr für Umweltschutz und Digitalisierung tun müssen. Genau. Die Grünen mit grünen Themen schlagen. Das wird bestimmt genauso gut funktionieren, wie der Versuch der Union, die AfD mit rechten Parolen klein zu halten. Die Erkenntnis, dass der Wähler lieber das Original wählt, scheint schon wieder vergessen zu sein. Das Problem der SPD ist, dass sie unterirdische Werte bei ihrer Kernkompetenz hat. Der Sozialpolitik. Da müsste man ansetzen, aber nicht mit diesem Personal.
  • Die Linke hat von den herben Verlusten der SPD überhaupt nicht profitieren können, schneidet sogar noch schlechter ab, als beim letzten Mal. Die beiden Parteivorsitzenden, die auf das gleiche Hipster Milieu setzen, wie die Grünen, lächeln das Ergebnis einfach weg und klammern sich an eine mögliche Regierungsbeteiligung in Bremen, für die sie sich vermutlich ordentlich verbiegen würden. Eine Debatte über den künftigen Kurs der Partei, die ihre Zugpferde in verantwortungsloser Weise weg mobbt, ist dringend erforderlich.
  • Die Union hat sich dafür gefeiert, dass die Wahlbeteiligung gestiegen ist und Nationalisten wie Rechtspopulisten nicht so stark geworden sind, wie befürchtet. Im gleichen Atemzug forderte man aber den Posten des Kommissionspräsidenten ein. Aus nationalem Interesse versteht sich. Doch Manfred Weber wird kämpfen müssen im Geschacher um das Amt. Zu schwach ist das Ergebnis der Union und für einen Spitzenkandidaten, den keiner kennt. Daher hat das schmierige Werben um die Grünen bereits begonnen, da Macron, dessen Bewegung zu den Liberalen geht, den deutschen Weber nicht will.
  • Die Grünen bleiben im Moment der heißeste Scheiß im politischen Deutschland, verkörpern aber mitnichten einen Politikwechsel. Das ist die Pointe, die keinen Spaß bereitet. Die Grünen stehen unter anderem zur Schuldenbremse in Bremen und damit für eine dogmatische Haushaltspolitik, die mit CDU und FDP eine Fortsetzung finden könnte. Was macht die Partei also mit ihrem unbestrittenen Wahlerfolg? Werden sie einen CSU-Hardliner zum Kommissionspräsidenten wählen und einen CDU-Politiker zum Bürgermeister von Bremen?

Ausgeschlossen ist das nicht. Die Partei, der ein progressives Image immer noch anhaftet, bleibt damit ein erstaunlich großes Missverständnis in der Gegenwart. Deutschland zwischen Misserfolg und Missverständnis. Schon erstaunlich…

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jörg Wiedmann  Mai 27, 2019

    Durch den „Gretahype“, fridays for future“, Rezos Dauerwerbesendung für die Grünen und die Unterstützung seiner Youtube Kollegen eine Woche vor der Wahl hatte ich die Befürchtung das die Grünen sogar noch mehr Stimmen bekommen würden. Zur SPD ist jedes Wort eigentlich Zeitverschwendung. Andrea Nahles ist zwar höchstens suboptimal für die SPD aber die angedrohte mögliche Wiederauferstehung von 100% Schulz als Fraktionsvorsitzenden. Frei nach dem Motto Dümmer geht immer.
    Zum Glück hat Frau Schulze heute ja ein Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht. (die von Ihnen beschriebene grüne Falle ist zugeschnappt). Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
    Nach dem Abgang von Sarah Wagenknecht sind die Linken leider absolut keine Alternative mehr.
    Das Ergebnis der CDU / CSU ist hochverdient und selbsverschuldet. Nicht das Friedrich Merz in irgendeiner weise sympathisch wäre aber bei Merz hätte man gewusst wer Ihn bezahlt und die CDU hätte möglicherweise ihren konservativen Markenkern wieder entdeckt.
    Aber wie man heute so lesen kann haben die GroKoparteien den Schuss wieder mal nicht gehört.
    Der Abgang und die Verzwergung von CDU CSU und SPD ist fast schon irreparabel fortgeschritten. Wer jedoch meint mit den grünen Klimahysterikern und nach erfolgreicher Deindustriealisierung würde es Deutschland besser gehen der wird sich noch ziemlich wundern wen er auf den Boden der Realität zurückgeholt wird.
    Aber Hauptsache nach Logik und Wissenschaft gewählt, wie von den YouTube Politikprofis vorgeschlagen. LOL.
    Das „die Partei“ noch ein zweites Mandat gewonnen hat und in BW in Hemmingen in den Gemeinderat einzieht (mehr Stimmen als die FDP) ist in diesen Zeiten die Kirsche auf der Torte. Aber wenigstens konnte ich darüber herzlich lachen.