Ein junger YouTuber hat einen sehenswerten Beitrag über Politik gemacht. Eine Stunde lang erklärt er, was seiner Meinung nach in diesem Land schiefläuft. Die Kritik ist fundiert, vor allem auch deshalb, weil er einen umfangreichen Anhang mit Quellen dem Video beigestellt hat. Das sind 13 DIN A4 Seiten. Man kann also nicht behaupten, dass sich der Autor des Videos keine Mühe gegeben hätte, sondern im Gegenteil sehr akribisch gearbeitet hat, um abgesicherte Aussagen treffen zu können.
Und dann kommen die großen Medienhäuser mit ihren als Faktenchecks getarnten Kommentaren um die Ecke und schreiben etwas von komplexen Zusammenhängen, die der junge „Influencer“ mit „blauen Haaren“ – das muss unbedingt erwähnt werden, wie auch der orangefarbenen Pulli, so als ob die Leser der Tageszeitung zu doof sind, ein Video auf YouTube anzuschauen – ausgeblendet habe. Das schreiben ausgerechnet die Journalisten, die ihren Lesern ständig allerhand Unsinn vorsetzen und zum Beispiel Lobbyisten wie Bernd Raffelhüschen wahlweise immer noch als unabhängigen Rentenexperten oder Finanzwissenschaftler präsentieren.
Die Quellenangabe spare ich mir, hat eh keinen Zweck und googeln kann jeder selbst mit den Stichworten HAZ und Raffelhüschen.
Die Nennung von Auftraggebern, die leicht auf den Seiten der Institute zu finden sind, ist wahrscheinlich viel zu komplex, um den Leser damit zu belasten. Er soll ja weiterhin in dem Glauben gelassen werden, die gesetzliche Rente sei so was von im Arsch, dass nur die private Altersvorsorge die Rettung bringe, auch wenn sie niemanden außer den Versicherungskonzernen helfe. Dafür habe man schließlich zig Pressemitteilungen, ebensoviele Agenturmeldungen und die allgemeine Stimmungslage bei Oma Erna überprüft.
Dem YouTuber nun aber die Missachtung von komplexen Zusammenhängen vorzuwerfen, obwohl er sich auf zahlreiche seriöse Quellen stützt, ist nicht nur albern, sondern einfach nur ärgerlich. Aber das ist die bittere Erfahrung eines jeden Autors, der außerhalb der etablierten Medien Kritik üben und Aufklärung betreiben will. Er kann ja gar nicht Recht haben und schon gar nicht, wenn er nicht Teil des Betriebes ist. Und so reicht es bereits aus, ihm eine Vermischung von Pseudofakten zu unterstellen, wie das der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak tat. Der muss das nicht belegen, er ist ja der Generalsekretär der CDU und bleibt es auch.
Das ist der klassische Abnutzungskampf zwischen dem verbissen arbeitenden Aufklärer mit begrenzter Reichweite auf der einen Seite und einem nutzlosen Troll auf der anderen Seite, dem die vorhandenen Strukturen viel Sicherheit und ausreichend Raum bieten, jeden Quatsch bis in alle Ecken des Landes verbreiten zu dürfen. Die klassischen Medien sollten sich laut Ziemiak daher fragen, warum sich die jungen Leute nicht bei ihnen über Politik informierten, sondern auf YouTube Kanälen. Beunruhigend findet das der Politiker.
Die Antwort liefert die jämmerliche Berichterstattung allerdings höchst selbst. Denn einen schlecht getarnten Regierungsrundfunk sowie fortwährende Hofberichterstattung, die hinter allen komplexen Zusammenhängen den russischen Bären sicher zu entdecken glaubt, lässt vielleicht den Generalsekretär der CDU ruhig schlafen, sonst findet das aber niemand mehr attraktiv. Ist Rezo daher vielleicht von den Russen gekauft? Irgendein Faktencheck wird sich doch ganz sicher mit dieser absurden Frage beschäftigen.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.