Der Vorschlag von Arbeitsminister Hubertus Heil und Finanzminister Olaf Scholz für eine Grundrente ist natürlich ein Wahlkampfmanöver der SPD. Schlecht ist die Idee aber dennoch nicht, zur Finanzierung des Vorhabens auch den Mövenpick-Steuerbonus von 2009 explizit zu erwähnen und einkassieren zu wollen. Die vor allem von CSU und FDP befürwortete Reduzierung der Umsatzsteuer bei Hotelübernachtungen gilt als Geschenk an vermögende Hotelbetreiber, die vorher üppige Wahlkampfspenden an die damaligen Regierungsparteien leisteten. Ein Fall von politischer Korruption also, den die SPD-Minister in ihrem Vorschlag bewusst andeuten und beseitigen wollen.
Die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent verhandelte vor zehn Jahren die FDP in den Koalitionsvertrag hinein. Dass sie allein für den Steuerbonus verantwortlich zeichnet, stimmt allerdings nicht. Die CSU hatte ein ebenso großes Interesse. Die Milliardärsfamilie von Finck beglückte auch die bayerische Regionalpartei vor der Landtagswahl 2008 mit zwei großzügigen Spenden über 430.000 und 390.000 Euro. An die FDP gingen in Einzelspenden aufgeteilt über eine Million Euro. Eine Debatte über die Parteienfinanzierung flammte schließlich 2010 noch einmal auf, als die Opposition aus Grünen, Linken und SPD im Bundestag, von Union und FDP die Rückzahlung der Finck-Millionen verlangten. Ohne Erfolg.
Verpasste Chance
Dennoch blieb etwas hängen. Die FDP galt fortan als „Mövenpick-Partei“, die ihre hinzugewonnene Stärke im damaligen Bundestag nur für Klientelpolitik nutzte und dafür auch noch Spenden von den Begünstigten annahm. Das führte bei der Bundestagswahl 2013 zum großen Vertrauensverlust. Die Partei zog nicht wieder ins Parlament ein. Die SPD, die rechnerisch mit einer Regierung gegen die Union drohen konnte, nutzte diese Gelegenheit aber nicht für eine Politik im Sinne der Wähler. Man hätte in dieser Zeit viel korrigieren und wieder stärker werden können, wenn man die Blockadehaltung der Union zur Sollbruchstelle der Koalition gemacht hätte.
Stattdessen blieb die SPD lieber ein jammerndes Schoßhündchen, wie Sigmar Gabriel einst im Gespräch mit der inzwischen verstorbenen Susanne Neumann offenbarte. Damals hatte Gabriel behauptet, dass es ohne die SPD noch viel schlimmer in dem Land aussehen würde, da bestimmte Gesetze nicht beschlossen würden, die wenigstens einige Verbesserungen brächten. Dieses Argument gilt bis heute, ist aber grundfalsch, da die Union für ihre Politik ja eben auch Mehrheiten braucht, wenn sie denn aus Sicht der SPD die Verhältnisse verschlechtern oder alles so belassen wollte, wie bisher.
Gerade in der Wahlperiode von 2013 bis 2017 hätte die SPD daher viel mehr umsetzen und verändern können, wenn sie ihre Rolle im Parlament richtig verstanden hätte. Stattdessen stimmte sie aber nur einmal gegen die Koalition, als es Mutti bei der Ehe für Alle erlaubte. Die Folge dieser Politik war dann auch absehbar. Das progressive Lager verlor und die rechten Parteien legten zu. Die FDP zog erneut in den Bundestag ein und mit der AfD kam eine weitere neoliberale Partei hinzu, die heute übrigens ebenfalls von einer dubiosen Parteienfinanzierung profitiert. Der Name Finck taucht auch hier wieder auf, was die Verwandtschaft zwischen Union, FDP und AfD belegt.
Verhandlungsmasse
Die Abschaffung des Mövenpick-Steuerbonus ist also aus strategischer Sicht eine Spitzenidee. Nur ist sie überhaupt nichts wert, wenn die SPD keine Konsequenzen für den Fall einer Blockade zieht. Die Union wird den Vorschlag nämlich ablehnen und auf den Koalitionsvertrag verweisen, der Steuererhöhungen explizit ausschließt. Außerdem wird die Union weiterhin auf einer Bedürftigkeitsprüfung bestehen, die zwar auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist, von der SPD aber nicht gewollt wird. Es könnte demnach auch einfach nur um Verhandlungsmasse im Alltagsgeschäft der GroKo gehen.
Die SPD setzt die Rückabwicklung des Steuerprivilegs durch und punktet damit positiv in der Öffentlichkeit. Die Union könnte, wie so oft, von einer Verbesserung des Images ebenfalls profitieren, worüber sich dann die SPD beklagt. Gleichzeitig bekommt die Union die vereinbarte Bedürftigkeitsprüfung, die dazu führt, dass noch weniger Menschen als ohnehin schon von der Grundrente etwas haben werden. Unterm Strich sinken die Kosten des gesamten Gesetzes und die Einnahmen des Finanzministers verbessern sich auch. Eine GroKo-Win-Situation, bei der der Wähler verliert.
Teil des Vorschlags ist auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, was in der Tat überrascht, denn war es ja gerade der SPD-Finanzminister, der diese Steuer bislang verhinderte und im Finanzausschuss des Bundestages sogar sagte, dass die Forderung nach einer echten Finanztransaktionssteuer nationalistisch und anti-europäisch sei, da man diese nicht europäisch durchsetzen könne, wie der Abgeordnete Fabio de Masi berichtete. Jetzt soll es für die Grundrente europäisch doch möglich sein, da fragt man sich schon, wer hier wen veräppelt.
Foul an der Demokratie
Aber noch einmal zurück zur Parteienfinanzierung. Da es nun vermutlich eine Debatte um die Mövenpick-Steuer geben wird, die zur Sau des Tages taugt. Da ist es vielleicht angebracht, auf die immer noch gültigen Spendenregelungen hinzuweisen und daran zu erinnern, dass die Große Koalition im vergangenen Jahr – während der WM – das Gesetz zur Parteienfinanzierung im Hauruck-Verfahren änderte. Annette Sawatzki von LobbyControl sprach damals von einem „Foul an der Demokratie„.
Die Bundesregierung setzte eine Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung um 25 Millionen Euro durch, was für viele empörend war, aber im Prinzip nicht wirklich zu beanstanden wäre, wenn man im Gegenzug für eine schärfere Regulierung der privaten Spenden und des Sponsorings gesorgt hätte, sagte Sawatzki im Interview mit den NachDenkSeiten.
Die Große Koalition hat zum WM-Auftakt im Eilverfahren das Parteiengesetz geändert. Dabei hat sie keine der seit langem bekannten Schwachstellen des Gesetzes reformiert, sondern die staatliche Parteienfinanzierung um 25 Millionen Euro jährlich erhöht. Im Prinzip ist eine solche Erhöhung nichts Verwerfliches: Die staatliche Finanzierung bemisst sich in erster Linie nach den Wahlergebnissen. Sie zu erhöhen kann helfen, Parteien unabhängiger vom Einfluss privater Großspender und Sponsoren zu machen.
Aber?
Wenn man diesen Schritt macht, ist es zugleich notwendig, die privaten Geldquellen der Parteien schärfer zu regulieren und transparenter zu machen. Das hat die Koalition jedoch nicht getan.
Quelle: NachDenkSeiten
Höchstgrenzen für Einzelspenden an Parteien gibt es bisher nicht, nur eine wenig transparente Anzeigepflicht, wenn bestimmte Summen erreicht oder überschritten werden. Höchstgrenzen wären aber auch nutzlos, wenn es möglich bliebe, eine Spendensumme in beliebig viele Beträge aufzuteilen. Es braucht Verbote und ein Lobbyistenregister, um den Eindruck von Käuflichkeit zu verhindern. Im Übrigen lassen sich die Einnahmen aus der staatlichen Parteienfinanzierung auch durch bessere Wahlergebnisse steigern. Dafür braucht es aber eine Politik, die den Menschen wirklich hilft. Die Grundrente wird das kaum schaffen.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.