Was ist das nur für ein spannender Wettbewerb in der Champions League mit dramatischen Spielen in diesem Jahr. Ein Fest für jeden Fußballfan, sofern er denn ein Abo der übertragenden Sender oder Streaming-Dienste besitzt. Im Free-TV gibt es dagegen nur Bilder von mehr oder weniger begabten Fußballexperten zu sehen, die an einer Studiokamera vorbei blickend, den Live-Fußball in einer Kneipe verfolgen und dem zahlungsunwilligen Zuschauer erklären, was er leider gerade verpasst.
Echte Gewinner
Auf Sport 1 nennt sich das Standbild-Radio „Fantalk“. Das Format gibt es schon länger, erhielt aber nach dem kompletten Verschwinden der Champions League ins Pay-TV noch einmal etwas mehr Aufmerksamkeit. Auf dem frei empfangbaren Sky-Ableger Sky Sport News HD entstand, offenbar inspiriert durch den Fantalk, eine ähnliche Sendung. Sie heißt Champions Corner, was natürlich irritierend ist, da hier ja offenkundig nur die Looser bedient werden, die sich das teure Sky-Ticket, auf das natürlich noch einmal vor dem Anpfiff hingewiesen wird, nicht leisten können oder wollen.
Die Looser sind dann aber vielleicht doch echte Champions, wenn sie es denn schaffen, bis zum Schluss durchzuhalten. Denn nach Abpfiff und den üblichen Interviews gibt es dann irgendwann auch die ersten Bilder der vorangegangenen Partie im Free-TV zu sehen. Es sind kurze Schnipsel mit den Toren, das Live-Erlebnis mit den ungeahnten Wendungen und die Emotionen muss man sich halt irgendwie dazu denken. Das ist dann meist nach Mitternacht der Fall, da sich die neuen Anstoßzeiten zum Zwecke der besseren Vermarktung weiter nach hinten verlagert haben.
Echte Gewinner sind dagegen professionelle Fußballlehrer, die ihr Sky-Abo von der Steuer absetzen können, oder es zumindest einmal versuchen. Die Richter am Bundesfinanzhof haben für die Argumentation des Klägers jedenfalls viel Sympathie, obwohl das zuständige Finanzamt und das Finanzgericht es anders sehen. Hier geht es also noch einmal in die Verlängerung, echter Spitzensport ist das aber nicht.
Der Schwindel
Im Free-TV gab es statt Champions League die „Wahlarena zur Europawahl“ mit den Spitzenkandidaten Manfred Weber (Europäische Volkspartei) und Frans Timmermans (Europäische Sozialdemokraten). Das Format verfolgten am Dienstagabend im Ersten im Schnitt 2,03 Millionen Zuschauer. Das Interesse habe sich damit in Grenzen gehalten, wird berichtet. Nur zur Info: Das sensationelle 4:0 des FC Liverpool über Barcelona verfolgten im Pay TV mit 1,13 Millionen deutlich weniger Zuschauer. Das sei dennoch ein rekordverdächtiger Wert, heißt es.
Als es die Champions League noch im Free-TV gab, schauten natürlich ein paar Millionen mehr zu, die gehören jetzt aber vermutlich zu den Verlierern. Sie können das Sky- oder DAZN-Abo ja nicht bei der Steuererklärung geltend machen. Auf die frei empfangbare Wahlarena hatten diese Zuschauer aber offensichtlich auch keine Lust. Vermutlich, weil es an der Urne eben nichts zu entscheiden gibt. Schon gar nicht bestimmen die Wähler, wer am Ende Kommissionspräsident wird.
Hier wird ein Schwindel mit den Spitzenkandidaten betrieben, wie Harald Schumann im Tagesspiegel anmerkt. Denn die Spitzenposten der EU werden immer noch von den Staats- und Regierungschefs unter Ausschluss der Öffentlichkeit bestimmt. Eine Wahl haben die Bürger nicht. Sie sitzen also im übertragenen Sinne vor dem Fernseher und schauen den gewählten Parlamentariern beim Fantalk zu, wie sie darüber berichten, was die „Champions“ in Brüssel gerade entscheiden.
Übrigens werden die Briten in beiden Wettbewerben vertreten sein, im Champions League Finale, was sicher toll werden wird, wie auch in Brüssel nach der EU-Wahl.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.