Huch, SPD wieder auf Platz zwei

Geschrieben von: am 18. Feb 2019 um 14:20

Umfragen sorgen erneut für Aufregung. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Emnid wäre die SPD nach langer Zeit wieder zweitstärkste Kraft im Lande und läge in der Wählergunst mit 19 Prozent vor den Grünen, die nur noch bei 15 Prozent gerechnet werden. Ganz anders sieht es dagegen bei Forsa aus, das seine jüngsten Ergebnisse ebenfalls am Wochenende veröffentlichte. Hier liegen die Grünen weiterhin bei 21 Prozent und die SPD bei 17. Die SPD legt zu, dass ist klar, aber nicht aus eigener Kraft, sondern weil der politische Gegner kräftig hilft.

Derzeit herrscht gute Stimmung in der SPD. Man erfreut sich an steigenden Umfragewerten. Ohne Zweifel hat dieser positive Trend etwas mit den sozialpolitischen Vorschlägen zu tun, welche die Sozialdemokraten kürzlich vorstellten und wofür sie massive Kritik, vor allem von den Konservativen ernteten. Und genau hier liegt der Grund für den Anstieg der Umfragewerte. Durch die überzogenen Reaktionen ihrer Gegner sind die eher dürftigen Vorschläge der SPD über Gebühr geadelt worden. Kevin Kühnert fasste das in einem Tweet ganz gut zusammen.

https://twitter.com/KuehniKev/status/1094868136875171840

Man habe die richtigen Leute getriggert, stellt der Juso-Vorsitzende fest und freut sich über die so gewonnene Aufmerksamkeit. Sie ist die Grundvoraussetzung für den Anstieg bei den Umfragen. Da die Reaktionen so heftig ausfielen („Anschlag auf die soziale Marktwirtschaft“), fühlen sich die Sozialdemkokraten in ihrem Kurs bestätigt. Die öffentliche Debatte, bei der sich viele hysterisch zu Wort melden, zeigt, da muss etwas grundsätzlich richtig gelaufen sein.

Das Ganze könnte aber auch abgesprochen sein, da die Strategen der Gegenseite sehr genau wissen dürften, wie ihre Kampagnen wirken. Unterm Strich scheint ja der Höhenflug der Grünen vorerst gestoppt und die Mehrheit der Großen Koalition, die längere Zeit in den Umfragen fehlte wieder etwas näher gerückt. Gleichzeitig bleibt die grüne Konkurrenz, die auch die Sozialdemokraten als Hauptgegner für sich erkoren haben. Die Medien spielen ebenfalls mit und schlagzeilen bereits:

SPD und Grüne:

Das Duell um die bessere Sozialpolitik hat begonnen

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Dabei haben beide Parteien eigentlich keine echte Sozialpolitik mehr zu bieten. Sie kämpfen lediglich um einen Platz an der Seite der Union, mit der sie auch noch so ambitionierte Projekte kaum werden umsetzen können. Die SPD kann davon doch ein Liedchen singen. Seit Jahren an der Regierung beteiligt und jammernd, was mit der Union leider alles nicht geht. Kurz vor den Wahlen entdecken die Sozialdemokraten dann wieder ein paar programmatische Inhalte, die man doch unbedingt umsetzen müsse.

Nix mit Bätschi…

Als es aber um die Wurst ging, nämlich einen Koalitionsvertrag mit der Kanzlerin auszuhandeln, die zuvor mit einer Regierungsbildung gescheitert war, sich somit in eine Sackgasse manövriert hatte oder wie Andrea Nahles sagte: „Wir werden gebraucht, Bätschi, und das wird teuer, Bätschi“ – da kam nur ein müdes „Weiter so“ heraus. Die SPD war wieder einmal sehr billig zu haben, auch wenn es so aussah, als hätten die Konservativen diese Regierung mit der Abgabe des Finanzressorts sehr teuer erkauft.

Dabei hält auch Scholz wie Vorgänger Schäuble an strikter Haushaltsdisziplin, Schwarzer Null und Schuldenbremse fest. Die Mitarbeiter Schäubles blieben sogar, Investmentbanker Jörg Kukies kam als neuer Staatssekretär an Scholzens Seite dazu. Alle zusammen stehen für Kontinuität. Darüber hinaus ist ein Soze als Finanzminister auch dann sehr gut zu gebrauchen, wenn man ihn für die anstehende Rezession postwendend mit dem Vorwurf, nicht mit Geld umgehen zu können, verantwortlich machen kann.

Aber zurück zum Sozialen. Für all das, was man jetzt hofft, dem Koalitionspartner nachträglich doch noch irgendwie abtrotzen zu können, fand sich im Koalitionsvertrag vor einem Jahr überhaupt kein Platz, obwohl es doch hieß, in der Vereinbarung stecke eigentlich nur eine sozialdemokratische Handschrift drin. Es dürfte also gar kein Grund geben, einen neuen Sozialstaat für eine neue Zeit zu fordern.

…nur die Performance zählt

Es geht eben nicht um Veränderungen, sondern nur um Performance. Die SPD möchte besser als bisher dastehen, was legitim ist. Der „Sozialstaat der Zukunft“ dient dabei nur als eine hübsch verpackte Werbebotschaft, die dem Wähler die Perspektive des „Weiter so“ etwas anders servieren und damit schmackhafter machen will. Wer aber genauer nachfragt, stellt fest, dass sich kaum etwas verändern soll. Auch die Sozis bleiben Neoliberale, wie die Partei- und Fraktionsvorsitzende ja selbst bei der Diskussion um Regelsätze und Niedriglöhne zugibt.

Warum sollte ein neuer Sozialstaat denn auch nötig sein, wenn man sich doch vor einem Jahr bei Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit folgenden Worten über den grünen Klee lobte?

Unser Verhandlungsergebnis zeigt: Mit der SPD wird Deutschland gerechter und zukunftsfähiger. Das haben wir den Menschen versprochen. Das halten wir ein.

Quelle: SPD

Haben sich die Zeiten so schnell geändert? Ist die Zukunft bereits Gegenwart? Ist, was gestern zukunftsfähig war, heute schon wieder überholt? War der Eintritt in die Große Koalition etwa verkehrt, weil die ausgehandelten Ergebnisse dann doch nicht die Handschrift der Sozialdemokratie tragen? Nein, nur die Performance zählt, wie bei den Umfragen. Die Bild am Sonntag rühmt sich, das meistzitierte Blatt zu sein. Mit solchen Umfragen wie der oben genannten, die zunächst einmal wie ein Ausreißer ausschaut, gelingt das natürlich auch gut.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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