Die Demokratieheuchler

Geschrieben von: am 05. Feb 2019 um 10:20

Einige Länder der EU und allen voran der deutsche Außenminister haben sich mit ihrem Ultimatum gegenüber Venezuela bis auf die Knochen blamiert. Zu einer erhofften gemeinsamen Linie kam es in Brüssel zu Beginn dieser Woche nicht. Eine Mehrheit der EU Staaten erkennt den selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó nicht an, was die „mächtige“ Minderheit, zu der sich auch Deutschland zählt, natürlich nervt. Ein Haufen Demokratieheuchler ist daher weiterhin der Auffassung, dass sie bestimmen können, wer in Venezuela die Regierung stellt.

Deutschlands Außenminister Heiko Maas hat mal wieder auf ganzer Linie versagt. Er preschte mit Forderungen nach Neuwahlen in Venzuela vor, in der Hoffnung, die anderen EU-Kollegen schon auf seine Seite ziehen zu können. Der offenbar an Selbstüberschätzung leidende Politikdarsteller schaffte es nicht. Nur sechs Mitgliedsstaaten unterstützten das deutsche Ultimatum an Venezuela. Nach Ablauf der Frist haben nun kaum mehr Staaten eigene Erklärungen formuliert, in der sie den selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó als legitimen Staatschef Venezuelas anerkennen.

Böse Linke sind schuld

Eine Mehrheit der EU Staaten tut das nach wie vor nicht. Nun werden die Italiener und insbesondere die bösen Linken in der Regierung dafür verantwortlich gemacht, dass eine gemeinsame Erklärung der EU scheiterte. So twitterte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt:

„EVP-Vorstand in Brüssel. Wir verabschieden Resolution zu Venezuela pro Guaidó und Parlament. Schade, dass EU u.a. wegen italienischer Linken keine einheitliche Linie findet.“

Quelle: Twitter

So spinnen die Demokratieheuchler herum. Wenn sie selbst keine eigene Mehrheit organisieren können, sind nicht sie, sondern die anderen, gern Linke, verantwortlich. Doch was hat die italienische Regierung, die ja nur im Amt ist, weil Leute wie Hardt und Co. in Europa oberlehrerhaft Ratschläge und Hausaufgaben in Sachen Haushaltsführung verteilen, eigentlich geäußert. Man liest nicht viel dazu, nur eine indirekte Aussage und eine eigenwillige Interpretation der Redaktion.

Offiziell begründete Rom seine Haltung mit dem Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Länder. Diplomaten vermuten jedoch, dass insbesondere Italiens linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung, die gemeinsam mit der rechtsnationalen Lega in Rom regiert, Sympathien für Maduro hegt.

Quelle: Spiegel Online

Das Prinzip der Nichteinmischung werde also von Sympathien der Linken für Maduro getragen. Interessant. Folglich müsste man aus Gründen der Ausgewogenheit doch auch schreiben, dass das Prinzip der Einmischung von Sympathien der Rechten für Guaidó getragen werde. Der Leser könnte sich dann aussuchen, was er lieber mag. Der Artikel könnte hier also enden, weil deutlich geworden ist, wie absurd das Verhalten derer ist, die meinen, ein Recht auf Einmischung zu besitzen.

Eine neue Koalition der Willigen

Es gibt aber noch mehr zu sagen, weil ein Teil der Europäer und insbesondere der deutsche Außenminister, der ein SPD-Parteibuch trägt, gern als Hilfstrupp den Amerikanern zur Seite stehen möchte, die sich den Einsatz von militärischer Gewalt und einen Einmarsch in Venezuela als „Option“ explizit offen halten. Eine deutlicherer Ankündigung, das Völkerrecht weiter zu brechen, gibt es eigentlich nicht. Doch die Amerikaner scharen wieder eine Koalition der Willigen um sich.

Der sozialdemokratische Totalausfall im Bundesaußenministerium spielt dabei eine aktive Rolle. Für Dialog und Verhandlungen ist dieser Mann trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht zu haben. Er ist schlimmer als Guido Westerwelle je hätte sein können. Der FDP-Politiker hatte es trotz transatlantischer Verbundenheit immerhin geschafft, Deutschland aus dem schlimmen Desaster Libyen weitestgehend herauszuhalten. Hier bombten sich Hillary Clinton und Nicolas Sarkozy erst in einen Rausch und später ins politische Abseits.

Man muss es so deutlich sagen, selbst unter Kanzler Schröder hätte es das, was Maas heute macht, nicht gegeben. Schröder weigerte sich mit seiner SPD standhaft – es war Wahlkampf -, in den Irak-Krieg zu ziehen, während die damalige Oppositionsführerin Merkel bei den Amerikanern den Bückling machte. Das braucht sie heute nicht mehr zu tun. Dafür hat sie ja Heiko Maas von der SPD, der – obwohl wieder Wahlkampf ist – sogar im Umgang mit Russland das SPD-Erbe der Entspannungspolitik vorsätzlich aufs Spiel setzt.

Kann es einen willigeren Pudel geben, als dieses „Nato-Strichmännchen„? Vielleicht müssen wir uns bei Diether Dehm noch für die Kritik an seiner Wortwahl gegenüber Maas entschuldigen. Wer nach so vielen brutalen wie gescheiterten Regime Change Versuchen aktiv einen weiteren unterstützt, illegale Luftangriffe auf souveräne Staaten als angemessen bezeichnet, auf der anderen Seite aber den Russen bei jeder Gelegenheit vorwirft, das Völkerrecht permanent zu brechen, der hat sie doch nicht mehr alle.

Von den Sprechern verraten

Seit Tagen hört man von der Bundesregierung, die Wahl Maduros im vergangenen Jahr habe keinen demokratischen Standards entsprochen, sie sei sogar gefälscht gewesen, wie der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Rainer Breul, am Freitag in der Regierungspressekonferenz nebenbei erklärte. Worauf er diese Behauptung allerdings stützt, wird nicht deutlich. Es wird auch nicht erklärt, wie es dann sein kann, dass viele andere Staaten die Wahl Maduros offenbar als legitim empfinden.

Für die deutsche Bundesregierung geht es, das machte der Maas-Sprecher auch noch einmal klar, nicht um einen Regime Change, sondern um eine Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung. Doch weiß des Außenamt überhaupt, was der Verfassung Venezuelas entspricht und was nicht? Ein anderer Sprecher von Heiko Maas, Christopher Burger, erklärte nämlich dazu auf der Regierungspressekonferenz vom Montag, den 28. Januar:

Burger: Ich glaube, wir haben das hier in den letzten Tagen schon ausgebreitet. Aus unserer Sicht fehlt es Maduro an demokratischer Legitimierung. Er ist kein demokratisch legitimierter Präsident. Dagegen ist die venezolanische Nationalversammlung vom Volk gewählt und ist aus unserer Sicht derzeit das einzig demokratisch legitimierte Verfassungsorgan in Venezuela. Deswegen kommt ihr natürlich eine ganz wichtige Rolle zu bei dem, was wir fordern, nämlich den Weg zu Neuwahlen zu organisieren, zu einem politischen Prozess, der den Venezolanerinnen und Venezolanern die Möglichkeit gibt, demokratisch über die Zukunft ihres Landes selbst zu entscheiden.
Zusatzfrage: Um das mal zusammenzubinden: Deswegen kann der Präsident der Versammlung sich auch zum Präsidenten des Staates ernennen?
Burger: Ich habe Ihnen dargestellt, wie wir die derzeitige Situation betrachten. Ich bin kein Experte für venezolanisches Verfassungsrecht, aber aus unserer Sicht gibt es einen klaren Unterschied in der demokratischen Legitimierung dieser beiden Organe.

Quelle: Wortprotokoll BPK, 28.1.19 via Bundesregierung

Wir werden von Idioten regiert und von deren Sprechern auch noch nach Strich und Faden verschaukelt. Doch niemanden interessiert das. Schließen möchte ich daher mit einem Zitat der Gottkanzlerin aus dem Jahr 2003. Damals war sie Oppositionsführerin im deutschen Bundestag und erklärte den klugen Köpfen von der FAZ ihren oben erwähnten Bückling vor den Amerikanern so:

„Bei einem Nichthandeln wäre der Schaden noch größer gewesen.“

Quelle: FAZ

2

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge

Kommentare

  1. der-5-minuten-blog  Februar 8, 2019

    Vielleicht wird es ja besser, wenn man sie KONTAKTGRUPPE DER WILLIGEN nennt?

    • Michael Skoruppa  Februar 9, 2019

      Bei der letzten Gruppe der Willigen im Irak-Krieg war die damalige CDU-Vorsitzende und heutige Kanzlerin ja schon dabei. Beim jetzigen imperialistischen Abenteuer ist jetzt die SPD vorneweg. Da kann sie sich jetzt innenpolituisch abmühen, das Hartz IV-Stigma abzustreifen. Das wird nichts helfen, wenn sie mit dem außenpolitischen Arsch alles wieder einreißt. Frieden ist mit der SPD nicht zu haben, siehe auch die Haltung zum INF-Aus, das ganz den Russen in die Schuhe geschoben werden soll. Willy Brandt war ein Vogelschiß in der 100jährigen Geschichte der Kriegspartei SPD.