Gestern hat das britische Unterhaus klargemacht, dass es auf jeden Fall einen Brexit-Deal, aber keine Verschiebung des Austritts und vor allem den Backstop neu verhandeln will. Das wurde von EU-Seite praktisch ausgeschlossen. Keine Änderungen an dem besten aller Abkommen, hieß es bisher und auch prompt nach den Abstimmungen im Unterhaus. Trotzdem muss die EU jetzt handeln. Denn tut sie es nicht, wird der harte Brexit am Ende ihr vollends angelastet. May hat gut gepokert.
Kann die Looserin etwa noch zur Gewinnerin werden? Wenn man sich die Abstimmungen im Unterhaus anschaut, scheint es fast so. Denn May hat mehrere Dinge erreicht. Das Parlament hat erklärt, dass es einen Deal will. Den hat sie ja bereits geliefert. Der fiel vor Wochen zwar durch, doch erklärte das Parlament jetzt auch, was es konkret verändert haben möchte. Der umstrittene Backstop soll weg und durch eine alternative Regelung ersetzt werden. May interpretierte das so, dass der Rest des Deals dann für das Parlament akzeptabel wäre.
May kann also mit einem klaren Mandat nach Brüssel fahren und relativ sicher behaupten, dass sie eine Zustimmung für den vorliegenden Deal bekommen könnte, wenn es gelingt, in Sachen Backstop einen Kompromiss zu finden. Da das Austrittsdatum steht, muss die EU also anders reagieren, als mit sturer Ablehnung wie bisher oder mit der Dauerschleife, die Briten mögen doch mal mitteilen, was sie eigentlich wollen. Das haben sie ja nun getan. Was will denn die EU?
Verlängerung der Sackgasse
May hat darüber hinaus noch die Bedingung des Labour-Chefs Jeremy Corbyn für Gespräche erfüllt, die er prompt auch anbot, was eine übergreifende Einigung zumindest theoretisch möglich macht. Corbyn hatte wiederum immer erklärt, nur dann mit der Premierministerin überhaupt verhandeln zu wollen, wenn die einen No-Deal ausschließt. Bisher hatte die das aber stets abgelehnt, aus taktischen Gründen, wie sich nun zeigt. Sollte es dennoch zum No-Deal kommen, können die Briten die EU für die Folgen verantwortlich machen.
Die EU ist dagegen offen, den Brexit zu verschieben, was im Prinzip nichts anderes heißt, als wir haben furchtbare Angst vor dem Schlimmsten. Eine Verschiebung des Austritts haben die Briten aber zuvor bereits abgelehnt. Die EU steht jetzt also mit der harten Haltung da, keine Nachverhandlungen zulassen, aber gleichzeitig ganz weich ein späteres Austrittsdatum akzeptieren zu wollen. Nur zu welchem Zweck, wenn doch gar nicht mehr verhandelt werden soll? Einige Medien halten diese Verlängerung einer Sackgasse allerdings wieder für einen vorläufigen Ausweg. Da muss man erst einmal drauf kommen.
JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.