Einmischung

Geschrieben von: am 28. Jan 2019 um 16:32

Diese verdammten Russen. Die mischen sich schon wieder in die Politik anderer Länder ein, indem sie einfach fordern, Deutschland und andere EU-Staaten mögen doch ihre als Ultimatum formulierte Forderung nach Neuwahlen in Venezuela fallen lassen. Unerhört, das geht nun wirklich nicht, weil wir doch die Guten sind und nur den Weltfrieden im Sinn haben, erwidert der deutsche Gesandte im UN-Sicherheitsrat, Christoph Heusgen (Ex-Sicherheitsberater der Kanzlerin), sinngemäß.

Warum kann der deutsche Edeldiplomat das vor der UN in einer Dringlichkeitssitzung so sagen? Nun ja, die Bundesregierung, die sich der Demokratie als allererstes verpflichtet fühlt, hat es bereits mehrfach betont. In Venezuela habe es keine freien und fairen Wahlen gegeben und Nicolás Maduro beanspruche somit zu Unrecht den Posten des Staatsoberhaupts. Regierungssprecher Steffen Seibert formuliert es daher so:

Er kann daher nicht der legitime Führer Venezuelas sein.

Quelle: Bundesregierung via YouTube

Wenn sich jemand mit Führern auskennt, dann natürlich die deutsche Bundesregierung, die gern ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates wäre. Aber Spaß beiseite. Seibert sagt also, dass Nicolás Maduro die Macht nicht beanspruchen könne, da bei der letzten Wahl die demokratischen Standards nicht eingehalten worden wären. Deshalb erwäge die Bundesregierung den Präsidenten eines Parlaments zu unterstützen, das ja dann offenbar in freien und fairen Wahlen zustande gekommen sein muss. Zitat Seibert:

Wir sehen, dass der demokratisch gewählten Nationalversammlung derzeit eine ganz besonders wichtige Rolle in diesem Übergang zu freien und fairen Wahlen, die es hoffentlich gibt, zukommt.

Das Parlament ist im Jahr 2015 gewählt worden, frei und fair natürlich, obwohl die Opposition die Korrektheit des Wahlverfahrens, in dem eine doppelte Sicherung eingebaut war, vorsorglich angezweifelt hatte und auch darauf verzichtete, eine Erklärung zu unterschreiben, die vorsah, das Wahlergebnis, egal wie ausfallen sollte, friedlich anzuerkennen. Die Opposition wollte nicht der Wahlbehörde, sondern nur den eigenen Daten vertrauen schenken.

Da aber die Opposition auch so einen deutlichen Sieg davon tragen konnte, wollte keiner mehr etwas von Manipulationen wissen und natürlich auch nicht darüber sprechen, wer von außen wie Einfluss nahm, um zu dem Ergebnis ein wenig beizutragen, das dem deutschen Außenminister nun erlaubt, nicht neutral zu bleiben, sondern sich ganz offen an die Seite der Nationalversammlung zu stellen.

Gut und Böse

Zwei Jahre später sah es schon wieder anders aus. Regionalwahlen standen an. Es gab trotz Verlusten einen Sieg der Sozialisten. Die Opposition erkannte das Ergebnis aber wieder einmal nicht an. Begründung: Wahlbetrug. Hätte die Opposition gewonnen, ach lassen wir das. Entscheidend ist ja, dass sich die deutsche Bundesregierung in der Interpretation von Wahlergebnissen stets an dem beliebten Spiel Gut gegen Böse orientiert.

Wir gehören zu den Guten, die Opposition in Venezuela offenbar auch. Und nur wenn die Guten gewinnen, ist das Ergebnis auch akzeptabel und entspricht den demokratischen Standards, die man reflexartig vermisst, wenn die Bösen, also die Sozialisten, an der Macht bleiben. Oder anders ausgedrückt. Nur wenn die Opposition einen Sieg davon trägt, ist es egal, ob die Wahlen nun frei oder fair waren. Die EU und Deutschland würden sie für glaubwürdig erachten, so wie sie jetzt den Parlamentspräsidenten Guaidó mal eben als „legitimen Führer“ für einen Übergang anzuerkennen bereit sind.

War da mal was mit dem Völkerrecht? Nö. Daran müssen sich nur die Russen halten. Der Grundsatz, dass die Anerkennung einer Regierung, bevor sie sich in einem Staat an der Macht durchgesetzt hat, eine unzulässige Einmischung in innere Angelegenheit darstellt, gilt natürlich nicht für die Guten. Sie dürfen die Wirtschaft sanktionieren, Umsturzpläne schmieden und sich dann über die schlimmen Folgen beklagen, die man der ungeliebten Regierung in Rechnung stellt. Und weil es die doppelten Standards auf Seiten der Guten gibt, dürfen sie sogar Ultimaten formulieren.

Heuchelei

Nur zur Klarstellung: Die Regierung Maduro ist eine Katastrophe für das Land und wird hier auch nicht beschönigt oder verteidigt, doch ist er nun einmal legitim im Amt, was allerdings unter anderem von Deutschland und einem Teil der Europäer wie auch von der Opposition in Venezuela bestritten wird. Dabei waren sie es ja, die eine Wahlbeobachtung durch die UNO forderten, dann aber kniffen, als einer ihrer Kandidaten (Henri Falcón) aus dem Kollektiv ausschied, um allein gegen Maduro zu kandidieren.

Südamerika-Experte Frederico Füllgraf schreibt:

Zu Recht wird in Venezuela vermutet, dass die Trump-Regierung im Bündnis mit der EU Druck auf die UNO ausübt, die Wahlen in Venezuela nicht mit Beobachtern zu assistieren und damit ihre „Legitimität“ in Frage zu stellen. Nach der skandalösen Pro-Trump-Wahlmanipulation durch Cambridge Analytics fasst sich doch jeder gescheite Mensch bei dieser Heuchelei an den Kopf.

Quelle: NachDenkSeiten

Wenn der deutsche Regierungssprecher also erklärt, dass es der letzten Wahl in Venezuela an demokratischen Standards gefehlt habe, so kann er das ohne Wahlbeobachter ja eigentlich gar nicht wissen. Oder andersherum gesprochen: Die auch von der EU zurückgepfiffenen offiziellen Vertreter hätten ja durch ihre objektive Beobachtung einen Beleg für die Annahme liefern können, dass es eben nicht mit rechten Dingen zugeht. Sie hätten aber vielleicht auch herausfinden können, dass alles in Ordnung ist. Ein Risiko?

Jedenfalls kommt die Bundesregierung auch ganz prima mit der Annahme allein aus, um zu einem klaren Urteil in der Sache und zu der Forderung nach Neuwahlen zu gelangen. Wenn aber die USA ganz offen und wiederholt mit militärischer Intervention in Venezuela drohen, gibt es keine Reaktion seitens der Bundesregierung. Da hätte man aber schon gern gewusst, ob dieses Vorgehen auch mit den demokratischen Standards in Einklang zu bringen ist.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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