Inkompetenz

Geschrieben von: am 16. Jan 2019 um 8:36

Niemand möchte Chaos und ungeregelte Zustände, einen harten Brexit gelte es also zu vermeiden. Doch am ausgehandelten Deal, den das britische Unterhaus gerade mit großer Mehrheit abgelehnt hat, soll trotzdem nichts geändert werden. Das passt nicht zusammen. Wer dennoch so einen Unfug redet, wie der deutsche Wirtschaftsminister im Morgenmagazin des ZDF zum Beispiel, missachtet offen die Rechte des Parlaments. Er ignoriert demokratische Entscheidungsprozesse und hält offenbar überhaupt nichts von Gewaltenteilung. Das ist wohl das Ergebnis von mittlerweile über 14 Jahren Merkel-Hörigkeit.

Die Inkompetenz, die Jeremy Corbyn gestern der Regierung von Theresa May vorwarf, gilt gleichermaßen für die EU und die Anhänger eines Brexit-Deals, der nun krachend gescheitert ist. Dennoch machen die, die so deutlich verloren haben, einfach weiter und bleiben bei ihren unhaltbaren Positionen. Theresa May sieht keinen Grund für einen Rücktritt. Sie wird vermutlich sogar auch das Misstrauensvotum der Opposition überstehen. Doch zu welchem Zweck? Soll sie weitermachen und einfach so lange abstimmen lassen, bis das Ergebnis passt? Eigentlich ist die Fortsetzung der Regierung May nur noch lächerlich.

Die EU und vor allem auch deutsche Politiker meinen nun, die Briten seien am Zug. Beispielhaft wird hier ein Tweet des deutschen Außenministers wiedergegeben. Die Botschaft lautet, dass die Briten einen Vorschlag machen sollen, wie der Brexit geregelt werden könne, ohne ein Abkommen zu verändern, das gerade abgelehnt worden ist. Das ist logisch nicht möglich, außer man stimmt noch einmal über dasselbe Abkommen ab, in der Hoffnung, dass das Parlament nun „vernünftig“ würde. Heiko Maas und andere hätten auch erklären können, uns ist egal, was ihr da mit viel traditionellem Gehabe entscheidet, wir halten nur das für richtig, was wir mit eurer Regierung verhandelt haben und sind auch weiterhin nur bereit, diesen Deal zu akzeptieren.

Deutschland sei außerdem auf einen No-Deal vorbereitet, was natürlich nur eine Floskel ist, die Handlungsstärke demonstrieren soll, wo keine mehr vorhanden ist. Das Angebot, die Frist zu verlängern wie auch das Gejammer der Wirtschaft, bloß keinen ungeregelten Brexit zuzulassen, spricht eine andere Sprache. Eine Einigung ist nach wie vor notwendig und das Gerede über ein zweites Referendum schlichtweg überflüssig. Die EU muss sich bewegen und einen Deal anbieten, der auch einmal die künftigen Beziehungen tatsächlich regelt und nicht nur dazu dient, die gescheiterte Regierung irgendwie an der Macht zu halten, auch um Neuwahlen und einen unbequemeren Premierminister zu verhindern, der eine andere sozialere Agenda verfolgt.

Dass sich nun ausgerechnet deutsche Sozialdemokraten, die kurz davor stehen, in der politischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, ihre Solidarität mit der britischen konservativen Regierung erklären und sich damit gegen Labour und Corbyn stellen, ist mal wieder bezeichnend und traurig zugleich. Man könnte es auch Inkompetenz nennen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jörg Wiedmann  Januar 16, 2019

    Das es noch Parlamente -wie das britische Unterhaus- OHNE Fraktionszwang gibt ist einem Abnicker wie Altmaier eben total fremd. Da die Abgeordneten dort dirket gewählt werden -ohne die unsägliche Listenwahl- können die Parteien auch nur sehr wenig Druck auf die Abgeordneten ausüben. Bei uns heisst es eben entweder Du stimmst ab wie die Partei / Regierung es will oder Du bist weg vom Fenster. Fragen Sie mal Herrn Willsch.
    Die EU muss ein Exempel statuieren denn sonst könnten noch andere Kandidaten auf die Idee kommen den EU Club zu verlassen.

  1. Brexit – randnote  Januar 19, 2019