Über den Nahles-Shitstorm

Geschrieben von: am 30. Dez 2018 um 23:43

In den sozialen Netzwerken läuft gerade ein Shitstorm und zwar gegen Andrea Nahles. Dabei geht es um ein Interview, das die SPD-Partei- und Fraktionschefin der Welt am Sonntag gegeben hat. Da der Text hinter einer Bezahlschranke steht, wird nur die Kernaussage zitiert. Sie lautet: „Die SPD steht für ein Recht auf Arbeit – und nicht für bezahltes Nichtstun.“ Neu ist die Aussage aber nicht, Nahles hat sie schon vor Wochen in einem Gastbeitrag im vorwärts getätigt.

Gemeint ist die Absage an ein bedingungsloses Grundeinkommen, was auch völlig richtig ist. Der Vorschlag ist und bleibt Schwachsinn, weil er den Prinzipien des Neoliberalismus folgt und die Spaltung der Gesellschaft nicht lindert, sondern weiter vertieft.

Das bedingungslose Grundeinkommen wirkt egalitär, ist aber in Wirklichkeit elitär, weil es nach dem Lebensentwurf eines Lottogewinners oder eines reichen Müßiggängers konstruiert wurde. Es scheint, als wollten seine Anhänger den Kommunismus im Kapitalismus verwirklichen. An der sozialen Ungleichheit und der sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich könnte das Grundeinkommen indes nichts Wesentliches ändern.Christoph Butterwegge via Süddeutsche

Die Leute sollten aufhören, neoliberalen Konzepten hinterherzulaufen, die irgendwie nach Erlösung klingen. Die Menschen brauchen keine Befreiung durch ein Grundeinkommen, sondern Anerkennung durch würdevolle Arbeit und Löhne, die eben nicht bloß zum Leben reichen, sondern die Teilhabe ermöglichen. Die Sache mit der Teilhabe hat auch Andrea Nahles begriffen, um diese aber im nächsten Atemzug mit widersprüchlichen Aussagen gleich wieder einzukassieren.

So sagt Nahles, dass Leistungssperren immer das letzte Mittel sein müssten, das Existenzminimum eines Menschen aber niemals infrage gestellt werden dürfe. Das passt nicht zusammen. Entweder hält man an den Sanktionen fest oder nicht. Im Augenblick sieht es eben nicht so aus, als wollte die SPD die Agenda 2010 und das Hartz IV-System tatsächlich überwinden, sondern nur einen anderen Namen dafür erfinden.

Richtig ist aber auch, dass sich Nahles mit ihren Äußerungen und ihrem Auftreten keine Freunde macht und offenbar gar keine guten Berater hat. Aber da ist sie nicht besser als der gesamte SPD-Parteivorstand, der aktuell mit einer Social Media-Kampagne einmal mehr richtig ins Klo griff und dafür zurecht kritisiert wird. Das Problem mit dem Nichtstun ist ja, dass die Treterei wieder nur in eine Richtung geht. Und zwar nach unten.

Von einer Sozialdemokratie würde man sich aber wünschen, dass sie sich diejenigen endlich zur Brust nähme, die in den letzten Jahren mit Cum-Ex, Cum-Cum und Cum-Fake den wohl größten Steuerraub in der Geschichte organisiert haben. Wieso sollte man eigentlich über Kürzungen am Rande des Existenzminimums diskutieren, wenn sich die Oberklasse Steuern in Milliardenhöhe erstatten lässt, die nie gezahlt worden sind? Und es geht munter so weiter, wie der unverschämte Vorschlag einer „Steuerbremse“ aus den Reihen der CSU zeigt.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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