Der Bundesfinanzminister hat einen neuen Mitarbeiter. Jakob von Weizsäcker soll Chef der Grundsatzabteilung werden, nachdem der Dogmatiker Ludger Schuknecht das Ministerium in diesem Jahr verlassen hat, um bei der OECD den Posten des stellvertretenden Generalsekretärs zu übernehmen.
Die Personalie überrascht, da Weizsäcker inhaltlich eine andere Linie als sein Vorgänger vertritt. Doch ist nun mit ihm tatsächlich eine Richtungsänderung zu erwarten? Dafür müsste Minister Olaf Scholz zunächst einmal einige Aussagen und Überzeugungen korrigieren.
In seiner ersten Regierungserklärung als Finanzminister sagte Olaf Scholz im Bundestag:
Damit stellte Scholz klar, das auch mit ihm an der Spitze eines deutschen Finanzministeriums die Kontinuität in jedem Fall gewahrt bleibe, sich also an der dogmatischen Haltung nichts ändern werde. Wenn nun der neue Chefökonom als ein Befürworter von Eurobonds gilt, steht das zur bisherigen Auffassung von Scholz klar im Widerspruch.
In seiner Bundestagsrede am 22. März sprach Scholz auch über das Thema Schulden. Dabei wiederholte er den gleichen Unsinn, der schon seit Jahren von allen Finanzministern bis hinunter zum kleinen Kämmerer gebetsmühlenartig vorgetragen wird, der aber lediglich dem Lebensgefühl der schwäbischen Hausfrau entspricht.
An dieser Passage ist so ziemlich alles falsch. Erstens hat Deutschland überhaupt nicht zu viele Schulden gemacht. Da hilft zunächst einmal ein Blick in andere Industriestaaten, die seit Jahren sehr viel höhere Verschuldungsquoten aufweisen und damit nicht nur keine Probleme haben, sondern auch ihren Laden am Laufen halten.
Gut fürs Image
Warum sollte man also von Schulden wegkommen? Dafür gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, außer dem Gefühl der schwäbischen Hausfrau. Welche Relevanz hat sie aber für eine Volkswirtschaft? Richtig schlimm ist dann auch die Ankündigung, für eine sehr lange Zeit gar keine neuen Schulden aufnehmen zu wollen. Hier offenbart sich nicht nur der mangelnde Sachverstand, auch dieser Finanzminister glaubt mit Voodoo gegen die Logik ankommen zu können.
Wenn der private Sektor schon ständig neue Ersparnisse bildet – es sind übrigens rund 250 Milliarden Euro neu pro Jahr – , also Nachfrage entzieht, muss sich der Staat verschulden, um die Volkswirtschaft als ganzes zu stabilisieren. Dennoch schafft Deutschland Überschüsse und baut Verschuldung ab, wie geht denn das? Mit Hilfe des Auslands, das laut jüngstem Bundesbankbericht hierzulande immer mehr in der Kreide steht. Doch warum fördern deutsche Finanzminister diesen Quatsch?
Ein Grund liefert die Berichterstattung in den Medien. Das Handelsblatt hat vor Weihnachten beispielsweise herausgefunden, dass es wieder einen tollen Haushaltsüberschuss in diesem Jahr geben wird. Das wäre dann zum vierten Mal in Folge. Ein zweistelliger Milliardenbetrag soll es sein. Der Autor des Wirtschaftsblattes – man versteht nicht warum – ist dann auch entzückt.
Ein Haushaltsüberschuss ist gut fürs Image. Darum geht es. Nur bei Haushaltsplus und Exportüberschuss gibt es auch den wohl verdienten Schampus, könnte ein Slogan lauten. Ein Plus klingt positiv, muss also gut sein. Für das abgedroschene Klischee, wonach Sozis nie mit Geld umgehen können, reicht es allemal. Denn jetzt muss sich ja erst noch zeigen, ob Scholz die Taler auch beisammen hält.
Katzenjammer
Würden wir nicht bald das Jahr 2019 schreiben, man könnte denken, deutsche Politiker und Wirtschaftsredakteure seien in einer Zeitschleife irgendwie gefangen, falsch programmiert oder einfach nur dumm. Daher ist es auch kein Wunder, wenn die nächste überforderte Fachkraft für den Wirtschaftsteil schreibt:
Als Gründe für den Investitionsstau gelten demnach überforderte Planungsämter bei Bund, Ländern und Gemeinden sowie eine ausgelastete Bauwirtschaft.Spiegel Online
Man hätte sich an dieser Stelle gern einen Hinweis gewünscht, wonach es bis zum Befund des herrenlos herumliegenden Geldes immerhin üblich war, das Personal im öffentlichen Dienst konsequent abzubauen, um Kosten einzusparen und damit den Finanzministern wie Wirtschaftsredakteuren zu gefallen, die es wiederum für total logisch und vernünftig halten, eine Schuldenbremse einzuhalten.
Nun liegt das Geld abrufbereit herum, aber es kommt niemand, um es zu holen. Die Verursacher dieses Dilemmas wissen das natürlich geschickt für ihre neoliberale Agenda zu nutzen. Sie haben es schon immer gewusst. Mehr Geld hilft in Wirklichkeit gar nicht. Nur der Sparsame handelt richtig. Davon wird auch Olaf Scholz überzeugt bleiben und daher nicht im Traum daran denken, das richtige zu tun und neue Schulden aufzunehmen.
Mit dem Geld könnte man zunächst einmal dafür sorgen, den öffentlichen Dienst mit ordentlichen Tarifabschlüssen zu stärken und attraktiver zu machen. Warum lässt man es eigentlich zu, dass Fachkräfte abwandern und ihre eigenen Büros eröffnen, um dann gegen Honorar aus Steuergeldern die Planungsaufgaben überlasteter Bauämter zu übernehmen? Und warum lässt man es zu, dass dadurch nicht selten der Weg für die sehr viel teureren öffentlich-rechtliche Partnerschaften bereitet wird?
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DEZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.