Die deutschen Rüstungsexporte sind in diesem Jahr drastisch zurückgegangen, melden die Agenturen. Das soll wohl suggerieren, dass Deutschland kaum noch oder nur sehr wenig Waffen ins Ausland liefert und die Forderung der Lobbyisten nach Schadenersatz irgendwie berechtigt ist. Doch dieser Eindruck täuscht.
Mit vorläufig 4,62 Milliarden Euro liegt der Wert der Ausfuhren immer noch sehr hoch. Dennoch kann man auch von einem drastischen Rückgang durchaus sprechen, da im Vorjahr noch Waffen im Wert von 6,24 Milliarden Euro exportiert worden sind. Was aber fehlt ist die Einordnung. Ja, die Waffenexporte gehen zum dritten Mal in Folge zurück. Allerdings hat Deutschland zwischen 2015 und 2017 die drei höchsten Genehmigungswerte der vergangenen 21 Jahre vorzuweisen, also seitdem die Bundesregierung öffentlich über die genehmigten Rüstungsexporte berichtet.
Die Rolle Deutschlands auf dem Markt ist dabei keineswegs marginal. Zusammen mit den USA, Russland, Frankreich und China spielt man im Konzert der ganz Großen mit. Ebenfalls schwer wiegt die Tatsache, dass Rüstungsgüter vor allem auch an Drittstaaten gehen. Die übertriebene Forderung des obersten Rüstungslobbyisten nach Schadenersatz soll aber wohl vor allem davon ablenken, dass der von der Bundesregierung verhängte Rüstungsexportstopp auch umgangen wird, wie kürzlich berichtet wurde.
Darüber hinaus laufen die Exporte in Krisengebiete ja munter weiter, zum Beispiel an die Länder, die am Krieg im Jemen beteiligt sind. Der Anteil der Ausfuhren an diese Staaten ist unverändert hoch. Anders als es die Rüstungslobby glauben machen will, ist die Bundesrepublik weiterhin ein sehr verlässlicher Waffenlieferant, obwohl die Große Koalition in ihrer Regierungsvereinbarung klare Einschränkungen formuliert hat. Hinzu kommen Tochterfirmen deutscher Rüstungsunternehmen im Ausland, die die Strategie der Internationalisierung vorantreiben.
Die NATO-Partner haben es noch leichter. So macht sich die Türkei, die im Augenblick ein weiteres militärisches Vorgehen in Syrien plant und dort laut wissenschaftlichem Dienst des Bundestags bereits eine Besatzungsmacht ist, Hoffnungen auf weiteres Kriegsgerät aus Deutschland. In all diesen Konflikten sind insbesondere Kinder brutaler Gewalt ausgesetzt. Darauf weist Unicef in einem aktuellen Bericht hin. Demnach war 2018 ein grausames Jahr für Millionen Kinder. Die Weltgemeinschaft habe dabei versagt, sie zu schützen. Es müsse daher dringend mehr passieren, um die vielen verheerenden bewaffneten Konflikte zu beenden.
Vor dem Hintergrund des Leids und der Zerstörung ist die angedeutete Forderung nach Schadenersatz natürlich lächerlich. Welchen Schadenersatz ist die Lobby wohl bereit, den Opfern der Kriege zu bezahlen? Die Haltung der Lobbyisten ist aber auch deshalb total lächerlich, weil diese Bundesregierung gerade beschlossen hat, den Etat für Rüstung noch einmal deutlich zu erhöhen. Und das funktioniert nur, weil die Waffenlobby enge Kontakte zur Politik pflegt, die es dann auch zulässt, dass das Kriegswaffenkontrollgesetz umgangen wird.
DEZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.