Mit einem Achselzucken soll die CDU den Aufstieg der AfD hingenommen haben, urteilt Friedrich Merz, der sich aus der abgehobenen Mittelschicht zurückgemeldet hat, um den Parteivorsitz zu übernehmen. Stimmt nicht, erwidern die beiden Gegner im Rennen um das Amt AKK und Jens Spahn, der offenbar glaubt, für diese Leistung bereits Geld vom Staat verdient zu haben. Aber zurück zum Achselzucken.
Edelfedern wie „Schulz-Story-Star“ Markus Feldenkirchen vom Spiegel und natürlich auch die Stehlampe der CDU-Parteizentrale, der unvermeidliche Robin Alexander, wissen genau, wer sich wie zum Aufstieg der AfD verhielt. Statt Achselzucken kommt aber nur ein Schattenboxen dabei heraus.
Markus Feldenkirchen kramt ein Dossier der Forschungsgruppe Wahlen heraus, das seit über einem Jahr bekannt ist und in dem eine Strategie der Union dargelegt wird, mit Hilfe der AfD linke Mehrheiten in den Parlamenten zu brechen. Zunächst einmal muss man klarstellen, dass es linken Mehrheiten zwar gab, diese aber in der Regel nicht genutzt wurden, also auch nicht gebrochen werden mussten. Das lag an einer SPD, die es regelmäßig vorzog, lieber in eine Große Koalition zu gehen. Gerade Markus Feldenkirchen, der den Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz, sogar bei der Pinkelpause auf der Raststätte Bottrop Süd begleitete, sollte um die politischen Zusammenhänge besser Bescheid wissen.
Denn nicht nur die Union ließ sich von Wahlforschern unterrichten, sondern auch die SPD, die sich fragte, warum der „Schulz-Hype“ plötzlich verpuffte. Das beschreibt Feldenkirchen in seinem Stück über Schulz am Rande. Der Meinungsforscher Richard Hilmer stellte nämlich fest, dass der SPD die Wähler zu Beginn der Kampagne zuliefen, weil diese tatsächlich hofften, Schulz würde an der Agenda-Politik etwas ändern. Es kamen also jene Wähler zurück, die die SPD mit ihrer Politik über Jahre hinweg vertrieben hatte. Doch was machte die SPD-Führung mit dem Ergebnis der Analyse? Nichts. Sie behielt ihren Kurs bei, der inzwischen lautete, keinen Deut abzuweichen von der Agenda 2010.
Strategisch haben die Sozialdemokraten also einmal mehr und ganz bewusst auf die Chance verzichtet, mit einem klaren Profil und einer Koalitionsaussage deutlich an Stimmen hinzuzugewinnen, um jenseits der Union eine Machtoption zu entwickeln. Das ist nur dann nachvollziehbar, wenn man sich klarmacht, dass das Wunschziel der SPD eben nicht das Kanzleramt, sondern die Fortsetzung der Großen Koalition unter Merkel war. Demnach gab es auch auf Seiten der Sozialdemokraten ein Interesse an einer AfD im Parlament. Denn allen voran hatten doch die führenden Genossen und Freunde der GroKo wie Johannes Kahrs keine Lust mehr, ständig auf eine vorhandene linke Mehrheit hingewiesen zu werden, wenn sie mal wieder über die Blockadehaltung der Union bei sozialen Themen jammerten oder empört über so etwas Belangloses wie die Ehe für Alle stritten.
Womit allerdings niemand so richtig rechnete, war das deutliche Abrutschen der bisherigen Regierungsparteien. Zumindest der tiefe Sturz der SPD zeichnete sich bereits einige Wochen vor der Bundestagswahl in den Umfragen ab, was dann auch Grüne und Liberale in Panik versetzte, da die Medien nun für ein Jamaika-Bündnis zu trommeln begannen. Kurz vor der Wahl hielten FDP und Grüne parallel noch einmal Parteitage ab, auf denen sie so taten, als könnten sie überhaupt nicht miteinander zusammenarbeiten. Das diente zum einen der eigenen Profilierung und zum anderen natürlich auch dazu, die Große Koalition als Exit-Strategie nicht aus dem Auge zu verlieren. So kam es ja schließlich auch. Nur: Weder Achselzucken noch Schattenboxen führen in der Sache aber weiter.
Einer wie Friedrich Merz lenkt mit seinen Debattenbeiträgen von eigentlich wichtigen Themen ab. Zum Beispiel, wie es möglich war, dass die bisherigen Geschäftspartner von Merz, also Banken und Kanzleien den Staat um Milliarden-Beträge durch Cum-Ex, Cum-Cum und neuerdings Cum-Fake betrügen konnten. An der Auflösung dieser Frage, die auch mit der Politik der Schwarzen Null zu tun hat, haben aber all diejenigen im Parlament kein Interesse, die von Parteispenden reicher Gönner abhängig sind. Und Überraschung, die AfD gehört ebenfalls dazu. Auch sie lässt sich vom Geldadel schmieren, tut aber immer noch so, als gehöre sie nicht zum Establishment. Das hat noch nie gestimmt, wie die Mövenpick-FDP, die ja zurecht neben der AfD im Bundestag sitzt, auch bestätigen könnte.
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.