EU-Verträge völlig ungeeignet

Geschrieben von: am 21. Nov 2018 um 17:22

Violinka / Pixabay

Heute hat die EU-Kommission Stellungnahmen zu den vorläufigen Haushaltsplänen der Mitgliedsstaaten vorgelegt. Wie zu erwarten, berichten die Medien in erster Linie über Italien, gegen das die Einleitung eines Defizitverfahrens empfohlen wurde. Außen vor bleibt allerdings, dass jedes dritte Euroland offenbar Probleme mit den eigenen Budgetentwürfen hat. Darauf weist Eric Bonse hin. Unter eingehender Beobachtung steht auch Deutschland, wegen der makroökonomischen Ungleichgewichte.

Weshalb die EU-Kommission dann aber trotzdem schreibt, dass Deutschlands Haushaltsplanung mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt in Einklang stünde, bleibt ein Rätsel. Es kann nur eine Antwort darauf geben. Die EU-Verträge sind völlig ungeeignet.

Zunächst einmal zu Italien. Gegen das Land soll ein Defizitverfahren eingeleitet werden. Aber schon die Begründung ist wenig überzeugend. So verstoße das Land mit einer Verschuldung von rund 130 Prozent in Relation zum BIP gegen die Maastricht-Regel von 60 Prozent. Nur ist die Höhe des Schuldenstandes nicht neu. Sie hat sich in den letzten fünf Jahren praktisch kaum verändert. Von einem Defizitverfahren blieb Italien aber bislang verschont. Erst jetzt, nachdem eine neue Regierung im Amt ist, die zudem andere Akzente setzen will, ist das anders. Man müsste eigentlich fragen, was die bislang umgesetzten EU-Empfehlungen der letzten Jahre den Italienern gebracht haben, wenn sich am Schuldenstand doch gar nicht viel verändert hat.

Deutschland hält die Schuldenregel von 60 Prozent übrigens auch seit langem nicht ein, wobei Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister den Tag schon herbeisehnen, endlich feierlich verkünden zu können, die Schuldenstandsquote unter 60 Prozent gedrückt zu haben. Doch was wäre damit erreicht? Seit einigen Jahren ist bereits klar, dass die Behauptung von Ökonomen, es müsse eine Schuldenobergrenze eingehalten werden, damit Stabilität und Wachstum gedeihen können, totaler Humbug ist. Einen peinlichen Rechenfehler mussten die US-Ökonomen Reinhard und Rogoff kleinlaut einräumen. Es gibt gar keine Verschuldungsobergrenze, was man sich auch relativ schnell klarmachen kann, wenn man sich die 238 Prozent Japans vor Augen führt. Das Land gibt es schließlich immer noch und verarmt ist es nicht.

Allerdings hatte die Widerlegung eines Dogmas keine Auswirkungen auf das Denken in Brüssel und Berlin. Hier hängt man weiterhin der These an, dass eine zu hohe staatliche Verschuldung Wachstum und Stabilität gefährden muss. Noch abenteuerlicher ist die Behauptung, dass neue Schulden die alten unweigerlich erhöhen. Auf den ersten Blick mag das logisch erscheinen und in absoluten Zahlen betrachtet, ist dagegen auch nichts einzuwenden, nicht aber in Relation zum BIP. Wenn es nämlich gelingt, durch neue Schulden Wachstumsimpulse zu erzielen, weil in Infrastruktur, Bildung oder andere öffentliche Leistungen investiert wird, sinkt der Schuldenstand in Relation zum BIP.

Man kann es natürlich auch wie die Deutschen machen und zu hause sparen bis die Schwarte kracht und dann so tun, als hätte man mit Verschuldung nichts zu tun, obwohl doch als Gegenposition die Verschuldung des Auslands weiter unaufhörlich wächst. Im Gegenzug nimmt der Finanzminister sogar einen Investitionsrückstand in Kauf, den das KfW-Kommunalpanel 2018 auf bereits gigantische 159 Milliarden Euro schätzt. Es kracht im Gebälk. Doch wen interessiert das schon, wir halten ja die Regeln ein. Nein. Wir halten sie eben nicht ein, wie der zaghafte Hinweis der EU-Kommission heute mal wieder zeigt. Deutschland verursacht vermutlich ein makroökonomisches Ungleichgewicht. Heißt: Es investiert zu wenig, weil es sich lieber im Glanz hoher Leistungsbilanzüberschüsse sonnt.

Dagegen müsste man was tun. Doch die EU-Kommission findet den deutschen Budgetentwurf fürs kommende Jahr okay, vermutlich weil er von allen anderen am deutlichsten irgendwie nach Maastricht schmeckt. Ja man müsste etwas ändern. Die EU-Verträge. Denn wer vernünftige Haushaltspolitik betreiben wollte, ist gezwungen sie zu brechen. Das tut übrigens auch die EZB. Sie bricht die Regeln schon lang, um zu verhindern, dass die Probleme in einem Europa, das bedingungslos der schwäbischen Hausfrau folgt, immer größer werden. Vermutlich ist der Kampf aber längst verloren. Oder wie soll man es nennen, wenn Politiker-Primaten neuerdings das Primat des Marktes proklamieren.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Hartmut Schwarz  November 23, 2018

    Was ist von einer EU auch anderes zu erwarten, als das proklamierte Primat des Marktes, ist doch EU nichts weiter als die Fortsetzung, der EWG, also einer für und von der Wirtschaft geschschaffenen Wirtschafts Gemeinschaft.
    In unserem Land laufen Menschen einer schwäbischen Hausfrau, unkritisch hinterher, ist sie doch lediglich die Erfüllungsgehilfin eben dieser Wirtschaft.