Die Waffe des Neoliberalismus

Geschrieben von: am 21. Nov 2018 um 6:00

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Die ganze Debatte um Hartz IV und das bedingungslose Grundeinkommen krankt an dem falschen Eindruck, Menschen würden es lieber vorziehen, in einer sozialen Hängematte zu liegen. Dieses absurde Bild haben die Agenda-Befürworter einst erfolgreich in die Hirne gepflanzt, um das Prinzip des Förderns und Forderns als notwendig erscheinen zu lassen. Heute wird nur noch in diesem Begriffspaar gedacht. Als Abwandlung ist später sogar die Formel „Solidarität nur gegen Solidität“ entstanden, die in der Eurozone mit scharfer Präzision zur Anwendung kommt, um hier eine dogmatische Politik zu exekutieren, bei der die Demokratie in den Mitgliedstaaten regelrecht hintanstehen muss. Fördern und Fordern ist die moderne Waffe des Neoliberalismus und sie wird auch von den Linken benutzt.

Auch in Europa herrscht das Bild vor, die Südländer würden nur faul in der Hängematte herumliegen und das Geld des Nordens sinnlos zum Fenster hinauswerfen. Nichts von alldem stimmt. Trotzdem müssten diese Länder auf den Pfad der Tugend gezwungen werden, notfalls durch die Macht der Märkte. Die Marktkonforme Demokratie: Vor ein paar Jahren löste diese Äußerung der Kanzlerin noch Empörung aus, heute gehört sie zum Standardrepertoire von sogar vermeintlich progressiven Stimmen. Schlimm ist, dass linke Kräfte auf die neoliberale Begriffswelt einmal mehr hereingefallen sind und solche Dinge wie das bedingungslose Grundeinkommen plötzlich als eine tolle Sache willkommen heißen.

Zu dieser Vorstellung kann aber nur der kommen, der fest an das Prinzip des Förderns und Forderns glaubt, also der Meinung ist, dass Menschen eigentlich gar nicht arbeiten wollen und es daher legitim erscheint, sie gegen ihren Willen zu etwas oder allem zu zwingen, wenn sie denn Leistungen der Solidargemeinschaft in Anspruch nehmen. Die Linke will diese Menschen nun befreien, so scheint es jedenfalls. Die Menschen brauchen aber keine Befreiung, sondern Anerkennung durch würdevolle Arbeit und Löhne, die eben nicht bloß zum Leben reichen, sondern die Teilhabe ermöglichen. Teilhabe und Wohlstand. Begriffe, die es im Denken der Linken offenbar nicht mehr gibt. Das ist aber der Deal oder wenn man so will, der Sinn des contrat social, also des Zusammenlebens in einem Staat.

Wie war es nur vor der Agenda 2010? Ein flächendeckender Sozialstaatsmissbrauch? Natürlich. In der Bildzeitung ist er doch dokumentiert. Arno Dübel und Florida Rolf. Alberne Einzelfälle, die zu Gesetzesänderungen und Stigmatisierung von all jenen führten, die gerade oder schon ziemlich lange keinen Job mehr hatten. Vor dieser Boulevardisierung des Diskurses hat man noch über wissenschaftliche Begriffe wie Reservearmee nachgedacht. Also einen gewollten Zustand der Erwerbslosigkeit, verursacht durch die herrschenden Kreise und nicht durch die Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Aber ihnen die Schuld an ihrer Lage zu geben, das war die Aufgabe der sogenannten Reformpolitik unter Rot-Grün. Bild, Bams und Glotze taten ihr Übriges dazu. Das Ergebnis war ja zu verlockend. Eine weitere massive Schwächung der Arbeitnehmerschaft durch Hartz IV.

Begonnen hatte diese Schwächung schon viel früher. Das Wirken Lambsdorffs bis hin zu seinem Papier wird dabei genannt. Der linke Kurzschluss bestand damals wie heute nun darin, auf die Naturwüchsigkeit hereinzufallen, also auf eine scheinbare Gesetzmäßigkeit, die aber von den Monetaristen bewusst herbeigeführt worden ist und daher selbstverständlich veränderbar und korrigierbar bleibt. Die Linke durchschaut diese Entwicklung aber nicht und kommt zwangsläufig zu dem Schluss, dass das ganze System gescheitert sein muss. Dadurch wird aber nur das geschaffene Elend akzeptiert (wem nützt das wohl?) und heute so ein Unfug wie das Grundeinkommen erfunden, das Linderung verspricht. Was für ein Stuss. Nicht der Kapitalismus ist Schuld, sondern die Kapitalisten, die Krisen bewusst erzeugen und dank einer naiven Linken weiter ihre Profite erhöhen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Habnix  November 21, 2018

    Verwechseln wir bitte nicht unseren vom Konzern-Kapital erlaubten Freiraum nicht mit Freiheit, denn der erlaubte Freiraum ist nur ein Knast ohne Gitter der mit Freiheit nichts zu tun hat, aber die Kunst zu beherrschen sich Unabhängig zu versorgen ist die wahre Freiheit. Wir, das sind über 90% der Weltbevölkerung, dürfen nicht von Freiheit reden, da über 90% der Weltbevölkerung Lohnabhängig sind, was gleichbedeutend ist mit Versklavung durch Lohnabhängigkeit.

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  2. Wolfgang Waldner  November 21, 2018

    Den Marxismus gibt es heute nur noch, damit die Neoliberalen mit Hochzinspolitik Wirtschaftskrisen und Massenarbeitslosigkeit erzeugen können – um die Löhne zu drücken, die Sozialleistungen abzubauen und die Arbeiter härter auszubeuten, während die Linken auf die unvermeidbare Krise des Kapitalismus hoffen und nichts gegen die Notenbanken unternehmen. Arbeiterverrat als radikaler Marxismus getarnt bei den linken Parteien, den Gewerkschaften und in den linken Medien seit 1973/74 und vor allem seit 1980.

    Leider haben die Nachdenkseiten meines Wissens auch nur dieses einzige Mal am 3. Mai 2011 die absichtliche Verursachung der Massenarbeitslosigkeit durch die Geld- und Finanzpolitik angesprochen. Obwohl das doch jeden Tag wiederholt werden müsste:

    Wirtschaftskrisen und Massenarbeitslosigkeit gibt es nur, weil sie absichtlich von der Geld- und Finanzpolitik im Interesse der Superreichen zwecks Lohnsenkung, Sozialabbau und härterer Ausbeutung der Lohnabhängigen verursacht werden.

    • Arnold  November 22, 2018

      Sie überschätzen den Einfluss der Geldpolitik. Sicher wird die Massenarbeitslosigkeit von den Superreichen verursacht aber dies geschieht nur in vergleichsweise geringem Maß über die Geldpolitik.
      Die Geldpolitik folgt nur den eigentlichen Maßnahmen der Elite. So ist beispielsweise die Niedrigzinspolitik der EZB nur eine Folge der Niedriglohnpolitik der Bundesregierung. Ohne diese Niedrigzinspolitik liefe in der Wirtschaft noch weniger. Es ist ein Irrtum anzunehmen, die EZB bräuchte nur ihre Zinssätze zu erhöhen und schon bekämen die Sparer höhere Zinsen.
      Lediglich als die EZB Griechenland den Geldhahn zudrehte, wurde die Geldpolitik als Druckmittel eingesetzt.
      Aber vielleicht kennen Sie ja noch weitere Beispiele.

  3. Matti Illoinen  November 21, 2018

    Früher nannte man es noch was es ist: Ein Arbeitshaus war ein Arbeitshaus, ein Arbeitslager ein Arbeitslager, heute wird aber beschönigt alles Hartz IV genannt. Der Unterschied, damals zentral heute Dezentrale Arbeitshäuser. Wer keine Arbeit hat ist nicht frei, sondern zur Ausbeutung frei gegeben. Milliarden Menschen müssen auf der Welt, in Armut und Elend gehalten werden, damit eine kleine Elite, weiter ausbeuten darf.

    Früher nannte man es Kolonialismus, heute zynisch „Freihandel“

  4. André Gaida  November 21, 2018

    Genau das ist auch meine Kritik.Alle wollen das BGE und niemand weis genau was damit gemeint ist.Eine würdevolle Arbeit mit Arbeitsbedingungen und Löhnen die auch eine Teilhabe erlauben.Solange das nicht erreicht ist und im kollektiven Gesellschaftgedächtnis verankert ist werde ich kein BGE aktzeptieren.Wer nur ein BGE von 500€ will und keine Antwort auf Krankenversicherung,Pflegeversicherung und Rentenversicherung hat der braucht über das nicht reden.Das die Arbeitslosenversicherung schon längst vom Arbeitgeber alleine getragen werden müsste liegt auf der Hand. Der Arbeitgeber iast für die Arbeitslosigkeit verantwortlich weil er nur nach der Rendite/Profite giert und deshalb ist er auch alleine für Arbeitslosigkeit verantwortlich.Der Staat hat unsere Rechte als Bürger gegen diese Ausbeuter zu verdeitigen und nicht von deren Lobbyisten einen kotau zu machen.